Pro und Contra
Ostergottesdienste ohne Gemeinde?

Winfried Haunerland:
Ja, das ist legitim!
Liturgie ist ein zeichenhaftes Geschehen. Daher muss auch mit den Sinnen erfahrbar sein, dass die Feier der Liturgie eine Feier der Kirche ist, zu der alle Getauften gehören. Deshalb ist die Feier der Liturgie in Gemeinschaft der vom Einzelnen allein vollzogenen vorzuziehen, wie es in der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Liturgie heißt. Da allerdings derzeit nicht alle, die wollen, an den Ostergottesdiensten teilnehmen können, ist es gut, dass es – etwa in Klöstern – Gemeinschaften gibt, die miteinander und zugleich stellvertretend für viele feiern.
Wenn in der außergewöhnlichen Situation, in der wir gerade leben, Priester auch am Gründonnerstag und am Osterfest allein die Messe feiern, dann darf dies nicht ein Akt individualistischer Frömmigkeit sein. Aber sie können stellvertretend das tun, was eigentlich alle Getauften miteinander feiern sollen, jetzt aber nur wenigen möglich ist. Natürlich soll das ganze Volk Gottes in der Messfeier sichtbar werden. Aber wir feiern nicht Eucharistie, um die Kirche darzustellen, sondern um den Auftrag Christi zu erfüllen: »Tut dies zu meinem Gedächtnis.« (1. Korintherbrief 11,24) Dieser Auftrag zählt, auch wenn er nur von Einzelnen erfüllt werden kann, denn so bleibt die sakramentale Mitte der Kirche lebendig. In ähnlicher Weise verpflichtet die katholische Kirche die Kleriker »mit dem Stundengebet, damit diese Aufgabe der ganzen Gemeinschaft wenigstens durch sie sicher und beständig erfüllt wird« (Allgemeine Einführung in das Stundengebet) – und das vielfach auch allein.
Problematischer ist, wenn Gottesdienste, die nur in dieser eingeschränkten Form gefeiert werden, medial verbreitet werden. Gute Fernsehgottesdienste, an denen zumindest wenige liturgische Dienste mitwirken, lassen sinnenfälliger erfahren, dass nicht einzelnen, sondern allen Getauften aufgetragen ist, Tod und Auferstehung des Herrn zu feiern.
Maria Hagenschneider:
Nein, das ist zynisch!
Ich finde es schlimm, Mahlfeiern anzusehen, an denen Menschen nicht teilnehmen dürfen. Ich weiß, dass für manche Menschen der sonntägliche Fernsehgottesdienst eine Notlösung ist, wenn sie nicht in die Kirche gehen können – aber das geht auch ohne Eucharistie. Ich fühle mich im Stich gelassen, wenn Gottesdienste als Ein-Mann-Shows aus Kirchen gestreamt werden und der Priester in Personalunion als Geweihter und Volk Gottes allein feiern kann – oder Techniker als antwortende Gemeinde gelten und vielleicht auch ein oder zwei Hauptamtliche dabei sind. Die Priester, die mit mir geschwisterlich verbunden hungern könnten, werden zu »Liturgen alter Ordnung«. Die Eucharistie ist so nicht mehr Mahlfeier, sie gewinnt den alten »Opfercharakter« zurück. Ich lerne: Wenn die Gemeinde nicht da ist, geht es ohne sie, während der Priester unverzichtbar ist. Statt an den Ostertagen diese reale Fasten- und Passionszeit zu begehen und auf die österliche Liturgie zu verzichten, die nun wirklich mehr noch als jede andere Liturgie auf das Volk angewiesen ist, spielen Priester das eigentlich »Heilige Spiel« – an Orten, die ich nicht betreten darf. Für uns tun sie es, heißt es. Nein! Sie verlassen ihren solidarischen Ort, der bei den Menschen ist, und gehen in die Tempel, um Mittler zwischen Gott und den Menschen zu sein. Ich liebe die österliche Liturgie. Die große Tafel am Gründonnerstag. Die Auferstehungsfeiern. Sie »gehören« auch mir. Ich bin enttäuscht. Stück für Stück verabschiede ich mich aus meiner Kirche. Das zu erkennen gehört zu meiner Passionszeit. Es wird trotzdem Ostern werden. Aber ich werde keinen dieser »Geistergottesdienste« anschauen, denn ich bin Leib. Ich hungere weiter! Ich träume davon, wie wir unsere verwaiste Kirche zusammen wieder zum Feierort machen. Ich weiß nicht, ob der Traum ausgeträumt ist, denn es geht ja ohne mich.
Ostergottesdienste ohne Gemeinde?
Liturgiewissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität und
Direktor des Herzoglichen Georgianums in München.
Maria Hagenschneider, geboren 1955, arbeitete als Religionspädagogin, bis sie einen Priester heiratete, danach als Heilpädagogin. Sie ist bei Maria 2.0 engagiert und in der Gemeinde St. Agnes Hamm.
Ostergottesdienste ohne Gemeinde?
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Ob und wie man die Eucharistie medial vermitteln kann oder soll, ist eine andere Frage; doch auch da stimme ich Haunerland zu.
Ich bin traurig und habe wenig Hoffnung, dass das Pfingstfest bei den Kirchen die große Begegnung wird, wenn wir uns bei der Auferstehung so klein machen. Die digitalen Möglichkeiten können darüber nicht hinwegtäuschen.
Aber: die "Gottesdienste" das ganze Jahr über sind weder echte Gemeinschaften noch Mahl-Feiern - beides ist bis auf abstrakte Reste reduziert. Und um am letzten Satz anzuknüpfen: dass ich schon seit einiger Zeit diese "Abstraktionen" nicht mehr mitmache, interessiert offensichtlich keinen - es "geht also auch ohne mich".
Ich warte noch auf den Priester/Bischof/Kirchenoffiziellen (leider bisher nur Männer), der sich filmen lässt beim "jetzt nicht". Ist halt nicht medienwirksam...
Eigentlich könnten wir einen mehrwöchigen Karsamstag feiern. Der Tag (ist zu Wochen erweitert), an dem keine Liturgie sein kann. Nix neues eigentlich. Aber schon als normaler Karsamstag oft übersehen. Schade.
Ihre Frage ist mir zu sehr verkürzt!!
Unter Einhaltung der geforderten Schutzbestimmungen gegen Coronar sind - wie inzwischen verschiedene online-Beispiele zeigen - auch Gottesdienstfeiern mit tatsächlich "repräsentem" Volk Gottes möglich. Gefragt ist statt nur eingeschliffener Rituale pastoral/liturgischer Einfallsreichtum.