Pro und Contra
Müssen wir einen erneuten Lockdown um jeden Preis verhindern?
Karoline Preisler:
Ja, denn wir haben gelernt!
Vorab eine Klarstellung: Sars-Cov-II (Covid-19 oder Corona) ist keine leichte Grippe. Ich hatte Corona und fühle mich Monate nach Ausbruch der Infektion noch immer angeschlagen. Ich bestreite also nicht die Gefährlichkeit von Sars-Cov-II. Ich bestreite aber, dass allein ein zweiter Lockdown die Gefahr bannt.
Ein Lockdown ist ein weitreichender Eingriff in die Grundrechte, den wir Bürger nur im Notfall erlauben. Als Corona-Patientin und FDP-Politikerin habe ich den ersten Lockdown mitgetragen. Wir brauchten damals die Zeit. Doch jetzt sind wir schlauer. Heute wissen wir, dass manche Maßnahmen unnötig waren, einige unverhältnismäßig, andere grob falsch und viele gut. Eine wesentliche Erkenntnis ist: Es braucht keinen kompletten Lockdown, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Auch die Gefahr einer Destabilisierung des Gesundheitssystems besteht nicht mehr, es ist inzwischen gut für den Kampf gegen die Pandemie gerüstet.
Weil wir Corona heute besser verstehen, müssen wir auch die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufheben. Aufgrund dieser Feststellung kann die Regierung derzeit Regelungen mit Bezug auf die Pandemie ohne das Parlament treffen. Das höhlt unseren Rechtsstaat aus, unsere Gewaltenteilung leidet. Eine epidemische Lage nationaler Tragweite liegt aktuell nicht vor. Wir haben bundesweit ein unterschiedliches Infektionsgeschehen und brauchen einen differenzierten Blick.
Doch, liebe Corona-Skeptiker, bitte jubeln Sie an dieser Stelle nicht! Die Lage bleibt ernst. Ich erwarte daher von meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass sie ganz persönlich Verantwortung für sich und andere übernehmen. Dazu gehören Abstand, Hygiene, Alltagsmasken. Bleiben Sie sicher und gesund!
Frank Ulrich Montgomery:
Publik-Forum EDITION
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Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Nein, die tödliche Bedrohung bleibt!
Corona kam über uns wie eine der biblischen Plagen. Eine neue, unbekannte Krankheit. Weitgehend unvorbereitet, ohne tiefere wissenschaftliche Kenntnisse über das Virus, mit atemberaubender Schnelligkeit musste die Gesellschaft eine Strategie zum Überleben entwickeln. Deutschland hat mit konsequenter Notfallplanung, Aufklärung der Bevölkerung und harten Lockdown-Maßnahmen die Situation einigermaßen in den Griff bekommen. Doch die tödliche Gefahr bleibt.
Für die Politik gibt es ein magisches Viereck: Es gilt, immer den richtigen Punkt in einem Trapez aus Gesundheit, sozialen Folgen, Ökonomie und Grundrechtseinschränkung zu treffen. Das ist im Frühjahr gelungen. Dabei waren wir so erfolgreich, dass die Falle des Präventionsparadoxon zuschnappte und Reaktionen wie diese provozierte: »Da war doch gar nichts gewesen, Krankenhäuser leer, nur relativ wenig Tote. Gibt es Corona überhaupt?« Ja, es gibt Corona, und es ist noch immer eine tödliche Bedrohung!
Inzwischen wissen wir mehr über Virus und Erkrankung. Wir können die Maßnahmen regionaler und zielgruppenbezogen steuern. Das ist ein Erfolg, der uns aber nicht unachtsam werden lassen darf. Die Menschen verlieren das Gefühl für die Gefahr, werden nachlässig im Schutz der eigenen und fremder Personen. Deshalb müssen wir weiter warnen. Und wenn das Virus dennoch massiv wieder zuschlägt, dann müssen wir dieselben Maßnahmen – wenn auch abgestuft und regionalisiert – anwenden, die uns schon einmal den Erfolg gebracht haben. Wir, alle Bürger, haben es selber in der Hand, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Aber wir dürfen uns auch nicht davor scheuen, ihn anzuwenden, wenn er nötig wird. Das sind wir dem Leben unserer Bürger schuldig.
erkrankt.
Frank Ulrich Montgomery ist Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes.
Ludger Harhues 20.10.2020, 10:05 Uhr:
Wir müssen zwischen einem allgemeinen und regionalen Lockdowns unterscheiden. Ein allgemeiner Lockdown für Deutschland ist meines Erachtens in nächster Zeit nicht notwendig und auch nicht hilfreich. Aber abgestufte Reaktionen bis zu einer Ausgangssperre für einzelne Orte bzw. Kreise können notwendig sein um eine unkontrollierte Ausbreitung zu verhindern bzw. die Nachverfollgung zu erleichtern.
Barbara falk 12.10.2020, 18:01 Uhr:
Da leider etliche Menschen sich unvernünftig verhalten, ist es nicht auszuschließen, dass ein erneuter Lockdown notwendig sein wird.
Der Hinweis, dass das Klinikpersonal überlastet sein könnte, etwa bei einer Verdoppelung der jetzigen Infektionszahlen, sollte ernst genommen werden.
Wunschdenken hilft da nicht weiter.
Beatrice Hinte 11.10.2020, 11:11 Uhr:
Solange kein Impfstoff da ist, werden wir, wenn wir keinen Lockdown vornehmen, unweigerlich so weit kommen, dass er sich nicht mehr umgehen lässt. Wollen wir es soweit kommen lassen? Die Bilder von Türmen von Särgen und Massengräbern anderswo sind offenbar nicht mehr präsent genug. Scheinbar geht bei etlichen Bürgern Egoismus vor Verantwortung. Daran ist diese Spaßgesellschaft schuld. Wenn Verantwortung in Elternhäusern und Schulen kein Thema mehr ist, wo soll es dann herkommen? Wir wissen doch: was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Georg Lechner 09.10.2020, 17:51 Uhr:
Derzeit sind die Infektionszahlen wieder deutlich angestiegen, aber solange mit den Tests die Kontaktpersonen rechtzeitig erfasst werden können, braucht es keinen erneuten Lockdown. Im wesentlichen stellt sich die Situation so dar, dass es via Freizeit und via Beruf zu Ansteckungen kommt, die im Haushalt dann zu Folgeinfektionen führen. Bei der ersten Welle, wo fast nur Personen mit Symptomen getestet wurden, war deutlich, dass mit zunehmendem Alter die Zahl der Erkrankten zunahm, mit dem Übergang zur Pension aber deutlich abfiel. Das werte ich als markantes Indiz, dass viele Infektionen mit dem Weg zum Arbeitsplatz oder mit Bedingungen dort zusammenhängen. Insbesondere sind Umluftanlagen zu hinterfragen, inwieweit dort eine wirksame Filterung stattfindet oder nicht. Denn durch die Luftbewegung werden infektiöse Tröpfchen länger in Schwebe und damit im Bereich gehalten, der eingeatmet werden kann.