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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 14/2022
Der Inhalt:

Pro und Contra
War der diplomatische Stil von Andrij Melnyk angemessen?

vom 19.07.2022
Der nun abberufene Botschafter der Ukraine hat sich in Berlin mit scharfer Kritik an der deutschen Politik nicht zurückgehalten. Hat er damit sein Land gut vertreten? Stimmen Sie ab!
Ein Diplomat polarisiert: Andrij Melnyk (Foto: pa / Jörg Carstensen)
Ein Diplomat polarisiert: Andrij Melnyk (Foto: pa / Jörg Carstensen)

Roderich Kiesewetter:

Ja, er musste laut sein!

Andrij Melnyk hat für sein Land wichtige Verdienste erbracht. Er war stets eine wahrnehmbare Stimme, die bereits im Vorfeld des 24. Februar auf die russische Bedrohung hinwies und seitdem für ihr Land um Unterstützung warb. Dass er nicht immer den gewohnten diplomatischen Ton traf, ist angesichts des unfassbaren Leids in der Ukraine mehr als verständlich. Vielmehr hat er in Deutschland auf die historische Verantwortung hingewiesen, die hierzulande oft weiterhin nicht erfasst wird. Nazi-Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg ebenfalls großes Leid über die Ukraine gebracht. Hier wird jedoch oft über eine besondere Beziehung zu Russland sinniert. Dies verkennt, dass die Ukraine, wie viele ost- und nordeuropäische Länder, Russland wie auch Deutschland (in vergangenen Formen) als imperiale Mächte erlebt hat. Gerade deshalb ruft das zögerliche Verhalten Deutschlands in vielen Ländern Misstrauen hervor. Melnyk hat hier den Finger zu Recht in die Wunde gelegt. Wir sollten aus einer historischen Verantwortung heraus deutlich entschlossener die Ukraine unterstützen. Ansonsten bestätigt sich der Eindruck, dass Deutschland die Beziehung zu Russland wichtiger ist. Hier hat ein Reputationsverlust Deutschlands eingesetzt, der nur durch entschiedenes Handeln aufgeholt werden kann. Mit seinen aufrüttelnden Worten hat Melnyk öffentlich klar auf die Verantwortung unseres Landes hingewiesen. Das musste laut sein, andernfalls wäre es von vielen weiter sträflich und überheblich ignoriert worden! Ich kenne Andrij Melnyk seit fast sieben Jahren und habe ihn als einen sehr nachdenklichen und feinen Geist schätzen gelernt, der für die Ukraine der richtige Fürsprecher in dieser Zeit war. Er kämpft in dieser schwierigen Zeit für sein Volk, ich wünsche ihm alles Gute für seine künftigen Aufgaben.

Joe Weingarten:

Nein, er hat seinem Land geschadet!

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 14/2022 vom 22.07.2022, Seite 8
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Deutschland steht zur Ukraine: politisch, militärisch und durch privates, ehrenamtliches Engagement vieler für die hierher geflüchteten Menschen. Gerade aus deren Kreis habe ich viel Kritik an der Ruppigkeit und den ständigen Vorwürfen von Andrij Melnyk vernommen. Und das schadet dem angegriffenen Land, denn wir müssen die Bereitschaft zur Hilfe für die Ukraine noch lange, vielleicht über Jahrzehnte, aufrechterhalten. Wenn ich von einem Land etwas möchte, ist es wenig sinnvoll, dieses Land und seine Repräsentanten andauernd zu beleidigen. Das spricht nicht gegen emotionelle Appelle oder deutliche Worte. Die sind angesichts der Schreckensbilder, die wir aus der Ukraine sehen, sehr angebracht. Ein Diplomat muss die Interessen seines Landes vertreten. Aber er muss auch die Grenzen kennen, die ihm seine Aufgabe im öffentlichen Auftreten setzt. Freunde aufrütteln: ja, sie ständig angreifen: nein. Melnyk ist einer der schlimmsten Fehler unterlaufen, die einem Vertreter eines auf erfolgreiche Diplomatie angewiesenen Landes passieren können: Eitelkeit. Die Freude an der politischen Inszenierung, das hohe Interesse an seiner Person, die Gelegenheit, sich in innenpolitische Diskussionen des Gastlandes einzumischen – das alles hat am Ende mehr geschadet als genutzt und die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine belastet. Jemanden wie Stepan Bandera zu unterstützen, der mit Hitlers Regime zeitweise aktiv kooperiert hat, war die letzte Grenzüberschreitung, die Melnyk unhaltbar gemacht hat. Das haben mir ukrainische Parlamentskollegen bestätigt. Deutschland und die Ukraine stehen in der Verteidigung europäischer Werte zusammen. Es ist gut, wenn das künftig im öffentlichen Umgang miteinander mehr betont wird als unterschiedliche Bewertungen in Einzelfragen.

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War der diplomatische Stil von Andrij Melnyk angemessen?

Der nun abberufene Botschafter der Ukraine hat sich in Berlin mit scharfer Kritik an der deutschen Politik nicht zurückgehalten. Hat er damit sein Land gut vertreten? Stimmen Sie ab!
17 x Ja, er musste so laut sein
98 x Nein, er hat seinem Land geschadet
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Heike 30.07.2022, 14:18 Uhr:
Ich kann mich Herrn Weingarten nur anschließen. Es wurde von Deutschen sehr viel Geld für die Ukraine gespendet (752 Millionen waren es Ende April), dazu kamen sehr viel Unterstützung imnerhalb Deutschlands für die Geflüchteten und Hilfslieferungen von privater Seite in die Ukraine. Auch in meiner Familie war es selbstverständlich die Ukraine mit einer Spende zu unterstützen. Die Auftritte in der deutschen Öffentlichkeit und Aussagen von Herrn Melnyk haben bewirkt, dass wir unsere Unterstützung erst einmal wieder anderen zukommen lassen, die sicher genauso bedürftig sind.

Alfred 29.07.2022, 09:02 Uhr:
Melnyk ist in meinen Augen ein bekennender Nazi. Spätestens seit er an Banderas Grab Blumen niederlegte und seine Verehrung bekundete.
Die Bundesregierung hätte ihn nie als Botschafter akzeptieren dürfen.

Er war ja nicht naiv. Ich zähle auch seine wiederholten Forderungen mit der Zahl 88 - z.B. 88 Panzer - zu den Signalen an die Nazis. Für die ist bekanntlich 88 das Symbpl für Heil H.

Ihn störte offensichtlich auch nicht, dass die Asows teilweise offen mit tätowierten Hakenkreuzen und SS-Symbolen in den Krieg gegen den russischsprachigen Donbass zogen.

Susanne 21.07.2022, 15:47 Uhr:
Die Kritik an einem Staatsoberhaupt und vorallem die Absage eines Besuches gegenüber Walter Steinmaier empfinde ich nach wie vor als diskreditierend. Es steht einem Diplomaten nicht an, solche Kritik zu äußern. Hätte dies in ähnlicher Weise der deutsche Botschafter umgekehrt getan, hätte es einen Eklat gegeben, der weltweit diskutiert worden wäre. Melnyk hat sich angemaßt sich als Richter aufzuspielen, was seiner Rolle als Botschafter nicht angemessen ist. Er hat seinem Land geschadet, da er nicht als Diplomat, der vermitteln möchte in Erscheinung getreten ist, sondern zu hoch gepokert hat und zuviel und zu schrill kritisiert hat.

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