Pro und Contra
War der diplomatische Stil von Andrij Melnyk angemessen?

Roderich Kiesewetter:
Ja, er musste laut sein!
Andrij Melnyk hat für sein Land wichtige Verdienste erbracht. Er war stets eine wahrnehmbare Stimme, die bereits im Vorfeld des 24. Februar auf die russische Bedrohung hinwies und seitdem für ihr Land um Unterstützung warb. Dass er nicht immer den gewohnten diplomatischen Ton traf, ist angesichts des unfassbaren Leids in der Ukraine mehr als verständlich. Vielmehr hat er in Deutschland auf die historische Verantwortung hingewiesen, die hierzulande oft weiterhin nicht erfasst wird. Nazi-Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg ebenfalls großes Leid über die Ukraine gebracht. Hier wird jedoch oft über eine besondere Beziehung zu Russland sinniert. Dies verkennt, dass die Ukraine, wie viele ost- und nordeuropäische Länder, Russland wie auch Deutschland (in vergangenen Formen) als imperiale Mächte erlebt hat. Gerade deshalb ruft das zögerliche Verhalten Deutschlands in vielen Ländern Misstrauen hervor. Melnyk hat hier den Finger zu Recht in die Wunde gelegt. Wir sollten aus einer historischen Verantwortung heraus deutlich entschlossener die Ukraine unterstützen. Ansonsten bestätigt sich der Eindruck, dass Deutschland die Beziehung zu Russland wichtiger ist. Hier hat ein Reputationsverlust Deutschlands eingesetzt, der nur durch entschiedenes Handeln aufgeholt werden kann. Mit seinen aufrüttelnden Worten hat Melnyk öffentlich klar auf die Verantwortung unseres Landes hingewiesen. Das musste laut sein, andernfalls wäre es von vielen weiter sträflich und überheblich ignoriert worden! Ich kenne Andrij Melnyk seit fast sieben Jahren und habe ihn als einen sehr nachdenklichen und feinen Geist schätzen gelernt, der für die Ukraine der richtige Fürsprecher in dieser Zeit war. Er kämpft in dieser schwierigen Zeit für sein Volk, ich wünsche ihm alles Gute für seine künftigen Aufgaben.
Joe Weingarten:
Nein, er hat seinem Land geschadet!
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Deutschland steht zur Ukraine: politisch, militärisch und durch privates, ehrenamtliches Engagement vieler für die hierher geflüchteten Menschen. Gerade aus deren Kreis habe ich viel Kritik an der Ruppigkeit und den ständigen Vorwürfen von Andrij Melnyk vernommen. Und das schadet dem angegriffenen Land, denn wir müssen die Bereitschaft zur Hilfe für die Ukraine noch lange, vielleicht über Jahrzehnte, aufrechterhalten. Wenn ich von einem Land etwas möchte, ist es wenig sinnvoll, dieses Land und seine Repräsentanten andauernd zu beleidigen. Das spricht nicht gegen emotionelle Appelle oder deutliche Worte. Die sind angesichts der Schreckensbilder, die wir aus der Ukraine sehen, sehr angebracht. Ein Diplomat muss die Interessen seines Landes vertreten. Aber er muss auch die Grenzen kennen, die ihm seine Aufgabe im öffentlichen Auftreten setzt. Freunde aufrütteln: ja, sie ständig angreifen: nein. Melnyk ist einer der schlimmsten Fehler unterlaufen, die einem Vertreter eines auf erfolgreiche Diplomatie angewiesenen Landes passieren können: Eitelkeit. Die Freude an der politischen Inszenierung, das hohe Interesse an seiner Person, die Gelegenheit, sich in innenpolitische Diskussionen des Gastlandes einzumischen – das alles hat am Ende mehr geschadet als genutzt und die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine belastet. Jemanden wie Stepan Bandera zu unterstützen, der mit Hitlers Regime zeitweise aktiv kooperiert hat, war die letzte Grenzüberschreitung, die Melnyk unhaltbar gemacht hat. Das haben mir ukrainische Parlamentskollegen bestätigt. Deutschland und die Ukraine stehen in der Verteidigung europäischer Werte zusammen. Es ist gut, wenn das künftig im öffentlichen Umgang miteinander mehr betont wird als unterschiedliche Bewertungen in Einzelfragen.
War der diplomatische Stil von Andrij Melnyk angemessen?
Roderich Kiesewetter ist CDU-Abgeordneter im Bundestag und Obmann im Auswärtigen Ausschuss.
Joe Weingarten ist SPD-Abgeordneter im Bundestag und Mitglied im Verteidigungsausschuss.
War der diplomatische Stil von Andrij Melnyk angemessen?
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Die Bundesregierung hätte ihn nie als Botschafter akzeptieren dürfen.
Er war ja nicht naiv. Ich zähle auch seine wiederholten Forderungen mit der Zahl 88 - z.B. 88 Panzer - zu den Signalen an die Nazis. Für die ist bekanntlich 88 das Symbpl für Heil H.
Ihn störte offensichtlich auch nicht, dass die Asows teilweise offen mit tätowierten Hakenkreuzen und SS-Symbolen in den Krieg gegen den russischsprachigen Donbass zogen.