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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 16/2022
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft

Pro und Contra
Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben?

vom 23.08.2022
Ende August läuft das Neun-Euro-Ticket aus. Viel mehr Menschen fuhren Bahn, die erhoffte Auswirkung auf den Klimaschutz blieb aber aus. Sollte das bundesweite Angebot dennoch verlängert werden? Stimmen Sie hier ab!
Nach dem Experiment: Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben oder ist es zu billig? (Foto: PA/Chromeorange/Christian Ohde)
Nach dem Experiment: Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben oder ist es zu billig? (Foto: PA/Chromeorange/Christian Ohde)

Nana Gerritzen:

Ja, ÖPNV muss für alle bezahlbar sein!

Das Neun-Euro-Ticket ist ein voller Erfolg, bis Anfang August wurden 38 Millionen Tickets verkauft. Nun zeigen Untersuchungen, dass der Nahverkehr zwar deutlich mehr genutzt wurde als sonst, die Menschen aber deshalb nicht seltener mit dem Auto gefahren sind. Der Nutzen fürs Klima hält sich also in Grenzen. Das lässt zwei Schlüsse zu: Erstens: Die meisten Neun-Euro-Nutzer sind Menschen, die kein Auto besitzen und schon vorher den öffentlichen Nahverkehr genutzt haben – oder aus finanziellen Gründen komplett auf Mobilität verzichtet haben. Zweitens: Auch Autofahrer nutzen das Neun-Euro-Ticket, ersetzen damit aber kaum oder selten Fahrten mit dem eigenen Pkw. Wie man daraus aber schlussfolgern kann, das Neun-Euro-Ticket sei deshalb gescheitert, erschließt sich mir nicht. Eine sozial- und verkehrspolitische Maßnahme mit potenziell positiven Nebeneffekten im Sinne des Klimaschutzes wird von fast der Hälfte der Bevölkerung angenommen. Menschen, die seit jeher den ÖPNV nutzen, um das Klima zu schützen oder weil sie sich kein eigenes Auto leisten können, werden im Alltag entlastet und Armutsbetroffene sind erstmals überhaupt mobil. Die Annahme, Mobilität sei für Menschen mit geringem Einkommen nicht wichtig oder auch nur verhandelbar, erscheint mir menschenfeindlich.

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Eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets wird auch von Kommunen und Verkehrsunternehmen gefordert und könnte etwa durch eine Übergewinnsteuer gegenfinanziert werden – wie jüngst von Spanien vorgemacht, ab September ist der ÖPNV dort sogar kostenlos. Das wäre sozial- und klimapolitisch ein mutiger Schritt in die richtige Richtung. Weitergehende Investitionen in die Infrastruktur, den Netzausbau und die Aufstockung des Bus- und Bahn-Personals könnten in einem zweiten Schritt dafür sorgen, dass der Umstieg vom eigenen Pkw auf den Zug auch für Autofahrer attraktiver wird.

Constantin Wißmann:

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Nein, die Bahn muss besser werden!

Subventioniertes Benzin im Tank und das Neun-Euro-Ticket in der Tasche, so war auch ich die vergangenen Monate unterwegs. Warum auch nicht, solche Angebote nimmt man eben mit. Bin ich deswegen weniger Auto gefahren? Ich denke nicht. Und ich bin in der Mehrheit. Nur drei Prozent der Befragten einer Studie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen ließen in diesem Sommer das Auto stehen zugunsten von Bus und Bahn. Ein magerer Ertrag für eine 2,5 Milliarden-Investition, zumal wenn man bedenkt, dass Benzin ja trotz Rabatt deutlich teurer war als vor dem Ukrainekrieg. Teuer ist ohnehin relativ, denn die Rabatte bezahlen auch steuerzahlende Radfahrerinnen und Fußgänger.

Wer mit dem Ticket zum ersten Mal seit Langem mit der Bahn unterwegs war, mag sich über die Zustände dort erschreckt haben. Nur mal ein erzähltes Beispiel: Weil zwischen Nürnberg und München ein Stellwerk kaputtging, fielen auch alle ICEs aus. Die Regionalzüge dort mussten deren Passagiere also auch noch aufnehmen, zusätzlich zu den Neun-Euro-Leuten. In einem dieser völlig überfüllten Züge waren sämtliche Toiletten entweder defekt oder überflutet. Gute Fahrt dann auch. Und da liegt die Crux. Ein schlechtes Angebot wird nicht besser, indem man es billiger macht, dann wird es zu Ramsch. Ihre Kernaufgabe, die Menschen zuverlässig von A nach B zu bringen, erfüllt die Bahn nicht. Brücken und Gleise sind marode, die Fläche ist von der Infrastruktur abgehängt. Anstatt das zu verbessern, hat die Bahn Milliarden Euro in Schnellfahrstrecken und andere Prestige-Objekte, auch im Ausland, versenkt. So überzeugt man keine Autofahrer. Dabei vereinigt das Neun-Euro-Ticket gute Ansätze: Bahnfahren muss günstiger werden und einheitliche Preise helfen allen. Aber neun Euro sind zu billig.

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Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben?

Ende August läuft das Neun-Euro-Ticket aus. Viel mehr Menschen fuhren Bahn, die erhoffte Auswirkung auf den Klimaschutz blieb aber aus. Sollte das bundesweite Angebot dennoch verlängert werden? Stimmen Sie hier ab!
40 x Ja, ÖPNV soll für alle bezahlbar sein!
28 x Nein, die Bahn muss besser werden
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Helmut Kägi 04.09.2022, 16:39 Uhr:
Bei Fahrten mit Bus und S-Bahn in der näheren Umgebung habe ich mit dem 9-€-Ticket einige Euro gespart. Bei Fahrten aus dem Raum Stuttgart Richtung München und über Friedrichshafen nach Basel, mit Koffer und Rucksack, war es katastrophal - und das mitten in der Woche. Die Züge zu voll, ich konnte mich mehrmals gerade noch hineinquetschen; eine Frau mit Rollator hat es nicht geschafft. Ich bin 83 Jahre alt - ich war froh und dankbar, dass es Mitreisende gab, die mir mit dem Gepäck geholfen und die einen Sitzplatz angeboten haben. Fazit: das Reisen mit der Bahn sollte billiger werden, aber orientiert an der Leistungsfähigkeit der Bahn.

Georg Lechner 03.09.2022, 17:50 Uhr:
Herrn Wissmanns Forderungen (Investitionen in die Infrastruktur) sind bedeutsam, um den wünschenswerten Umstieg auf die Öffis dauerhaft zu erreichen. Hinsichtlich Preis kann man streiten. Wichtig wäre vor allem, EU-weit Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung via Briefkastenfirmen und Kryptowährungen einzuführen. Das wäre auch eine wirksame Maßnahme gegen Geldwäsche (die bisherigen haben kaum gegriffen) und Bilanzbetrug a la Wirecard. Transparenzregeln, wie sie von Obermayer/ Obermaier in "Panama Papers" aufgrund der gleichnamigen Enthüllungen vorgeschlagen wurden, würden jährlich EU-weit 800 bis 1000 Milliarden € bringen und damit viele Zukunftsinvestitionen ermöglichen.

Waldemar Hirsch 30.08.2022, 08:40 Uhr:
Das 9-Euro-Ticket war eine Ergänzung zum dreimonatigen Wegfall der besonderen steuerichen Belastung der Autofahererinnen und -fahrer. Wenn wir vom Massengebrauch des Autos herunterkommen wollen, bedarf es einer verkehrspolitischen Lösung für Stadt und Land. Bahn und Bus (Schiff) müssen miteinander im Fahrplan verzahnt werden und nicht nebeneinander herwursteln. Das Tarifsystem ist bundeseinheitlich und für normale Menschen nachvollziehbar zu gestalten. Die Finanzierung der nicht durch den Fahrpreis (Sozialtarife wären zu entwickeln) abgedeckten Kosten ist sicherzustellen - aus welchem der Haushalte, wäre politisch zu entscheiden.
Die Bahn muss endlich wieder zuverlässig fahren. Der Ausfall und die z.T. unzumutbaren Verspätungen der Züge müssen der Vergangenheit angehören. Das war zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn selbstverständlich. Inzwischen sind Fernreisen zu Abenteuern geworden. Fahrpläne sind praxisnah (Baustellen) aufzustellen.

someone 30.08.2022, 07:05 Uhr:
... so lange man sich öffentliche Verkehrsmittel mit Menschen teilen darf, die diese auch in gesundheitlich angeschlagenem und krankheits-ansteckendem Zustand benutzen, sind öffentliche Verkehrsmittel keine Alternative. Ich selber habe vor Jahren den Versuch unternommen für insgesamt vier Jahre auf Autos zu verzichten. Das waren vier Jahre mit latenten und im Winter nie ganz verschwindend HNO Infekten.
Nach Abbruch des Versuchs, bin ich nun wieder so wie vorher seit über 10 Jahren erkältungsfrei.
Die Menschheit ist meiner Meinung noch lange nicht empatisch und sozial genug eingestellt für die gemeinsame Benutzung von Verkehrsmitteln. Die Grundlage fehlt: verantwortungsvolle, rücksichtsvolle und empatische Mitmenschen ...

Ingrid Boss 29.08.2022, 21:50 Uhr:
Zum 9€Ticket gibt es die Alternative:
1€ pro Tag, also 30€ im Monat.
Manche Städte bieten den Tarif an: 1€ pro Fahrt, Ticket aus dem Automat
auch das wird angenommen
Zuschüsse braucht es immer, zahlbar von Steuern für Amazon und Google, ….
die nur 0.3 % Steuern zahlen,
zahlbar über bessere BaFin, die sich nicht mehr von cum ex etc täuschen läßt.

Gerhard Poelmann  28.08.2022, 20:18 Uhr:
Ein einziges Ticket für alle Nahverkehrsunternehmen ist der richtige Weg. Vorschlag: ca. 5 Euro für einen Werktag oder Samstag plus Sonntag, ca. 20 Euro für einen Monat bei einer Gültigkeit wie bei den bisherigen Ländertickets.

Henning Kaufmann 28.08.2022, 19:39 Uhr:
Ja, ÖPNV muss für alle bezahlbar sein. Allerdings sind 9€ auf Dauer nicht realistisch. Mir wäre wichtig: 1) Gleiche Tarifstruktur in allen Bundesländern. 2) Kein Jahresabo (365€ o.ä.) sondern Monats-Ticket aus dem Automaten 3) Null-Tarif für Bedürftige 4) Halber Preis für Einschränkung auf 1 Bundesland (v.a.für Pendler interessant).

Alexandra Wagner  26.08.2022, 23:21 Uhr:
Ja bitte. Von mir aus auch 30 € im Monat und Öffis verbessern. Alles überfällig und verdammt wichtig

Schaut euch auch hier mal um
https://www.facebook.com/groups/europaeischeenergiewende/?ref=share

Patrick 25.08.2022, 09:04 Uhr:
Niemand verkauft das eigene Auto, wenn es über den Sommer für 3 Monate eine attraktive Alternative gibt. Von daher sind die 3% keine Überraschung. Man muss den Bürgern eine dauerhaft planbare Alternative zum Individualverkehr geben, damit aus dem 9€-Ausflugsticket eine nachwirkende Chance für den Klimawandel wird und Mobilität nicht vom Geldbeutel abhängig ist.

Das Ziel sollte "bezahlbarer ÖPNV" heißen, gleichzeitig aber auch die Erweiterung ins Ländliche -, sowie Wartung und Ausbau des Bestehenden ermöglichen. 9€ pro Monat wird dem wohl nicht gerecht. 1€ pro Tag (30€ pro Monat/365€ pro Jahr) sollte für die Meisten machbar sein, Sozialticket könnten wie bisher allen Benachteiligten zur Verfügung stehen.

Edith Furtmann 24.08.2022, 09:17 Uhr:
Beides muss passieren: billiges Ticket und Ausbau des ÖPNV. Die, die ihr Auto nicht ganz haben stehen lassen sind oft Menschen wie ich: mit dem Auto zum nächsten Bahnhof und ab da mit dem Zug weiter. Wenn man diese Fahrten wegrechnen würde, gäbe es deutlich mehr als 3 %, die ihr Auto haben stehen lassen, nicht alle ganz, aber viele sind halt weniger gefahren.
Aber, was noch wichtiger sind: es wurden Menschen mobil, die es nicht waren. Beispiel: wenn ich mit regulärem Ticket zu meiner Tochter von Krefeld nach Köln fahre, kostet es hin und zurück mehr als 40 Euro: viele können sich so etwas nicht leisten. Viele können sich nicht einmal die Fahrt in einen anderen Stadtteil zum Arzt leisten. Die brauchen das billige Ticket ebenfalls

Christel Heil 23.08.2022, 16:21 Uhr:
Zuerst muss die Bahn besser werden: Verspätungen, verstopfte Toiletten, Zugausfälle weil eine Weiche kaputt ist, das sind alles Dinge, die schnell und zuverlässig behoben werden sollten. Auch der Service in den Bahnhöfen kann an manchen Plätzen noch verbessert werden: Öffnungszeiten der Geschäfte auch an Sonn-und Feiertagen, Fahrkartenausgabe mindestens so lange wie Züge an- und abfahren ... Wenn das gelingt, dann längere Züge einsetzen oder Doppelstockzüge und dann 9-€-Tickets.

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