Pro und Contra
Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben?

Nana Gerritzen:
Ja, ÖPNV muss für alle bezahlbar sein!
Das Neun-Euro-Ticket ist ein voller Erfolg, bis Anfang August wurden 38 Millionen Tickets verkauft. Nun zeigen Untersuchungen, dass der Nahverkehr zwar deutlich mehr genutzt wurde als sonst, die Menschen aber deshalb nicht seltener mit dem Auto gefahren sind. Der Nutzen fürs Klima hält sich also in Grenzen. Das lässt zwei Schlüsse zu: Erstens: Die meisten Neun-Euro-Nutzer sind Menschen, die kein Auto besitzen und schon vorher den öffentlichen Nahverkehr genutzt haben – oder aus finanziellen Gründen komplett auf Mobilität verzichtet haben. Zweitens: Auch Autofahrer nutzen das Neun-Euro-Ticket, ersetzen damit aber kaum oder selten Fahrten mit dem eigenen Pkw. Wie man daraus aber schlussfolgern kann, das Neun-Euro-Ticket sei deshalb gescheitert, erschließt sich mir nicht. Eine sozial- und verkehrspolitische Maßnahme mit potenziell positiven Nebeneffekten im Sinne des Klimaschutzes wird von fast der Hälfte der Bevölkerung angenommen. Menschen, die seit jeher den ÖPNV nutzen, um das Klima zu schützen oder weil sie sich kein eigenes Auto leisten können, werden im Alltag entlastet und Armutsbetroffene sind erstmals überhaupt mobil. Die Annahme, Mobilität sei für Menschen mit geringem Einkommen nicht wichtig oder auch nur verhandelbar, erscheint mir menschenfeindlich.
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Eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets wird auch von Kommunen und Verkehrsunternehmen gefordert und könnte etwa durch eine Übergewinnsteuer gegenfinanziert werden – wie jüngst von Spanien vorgemacht, ab September ist der ÖPNV dort sogar kostenlos. Das wäre sozial- und klimapolitisch ein mutiger Schritt in die richtige Richtung. Weitergehende Investitionen in die Infrastruktur, den Netzausbau und die Aufstockung des Bus- und Bahn-Personals könnten in einem zweiten Schritt dafür sorgen, dass der Umstieg vom eigenen Pkw auf den Zug auch für Autofahrer attraktiver wird.
Constantin Wißmann:
Nein, die Bahn muss besser werden!
Subventioniertes Benzin im Tank und das Neun-Euro-Ticket in der Tasche, so war auch ich die vergangenen Monate unterwegs. Warum auch nicht, solche Angebote nimmt man eben mit. Bin ich deswegen weniger Auto gefahren? Ich denke nicht. Und ich bin in der Mehrheit. Nur drei Prozent der Befragten einer Studie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen ließen in diesem Sommer das Auto stehen zugunsten von Bus und Bahn. Ein magerer Ertrag für eine 2,5 Milliarden-Investition, zumal wenn man bedenkt, dass Benzin ja trotz Rabatt deutlich teurer war als vor dem Ukrainekrieg. Teuer ist ohnehin relativ, denn die Rabatte bezahlen auch steuerzahlende Radfahrerinnen und Fußgänger.
Wer mit dem Ticket zum ersten Mal seit Langem mit der Bahn unterwegs war, mag sich über die Zustände dort erschreckt haben. Nur mal ein erzähltes Beispiel: Weil zwischen Nürnberg und München ein Stellwerk kaputtging, fielen auch alle ICEs aus. Die Regionalzüge dort mussten deren Passagiere also auch noch aufnehmen, zusätzlich zu den Neun-Euro-Leuten. In einem dieser völlig überfüllten Züge waren sämtliche Toiletten entweder defekt oder überflutet. Gute Fahrt dann auch. Und da liegt die Crux. Ein schlechtes Angebot wird nicht besser, indem man es billiger macht, dann wird es zu Ramsch. Ihre Kernaufgabe, die Menschen zuverlässig von A nach B zu bringen, erfüllt die Bahn nicht. Brücken und Gleise sind marode, die Fläche ist von der Infrastruktur abgehängt. Anstatt das zu verbessern, hat die Bahn Milliarden Euro in Schnellfahrstrecken und andere Prestige-Objekte, auch im Ausland, versenkt. So überzeugt man keine Autofahrer. Dabei vereinigt das Neun-Euro-Ticket gute Ansätze: Bahnfahren muss günstiger werden und einheitliche Preise helfen allen. Aber neun Euro sind zu billig.
Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben?
Nana Gerritzen ist Redakteurin für Politik und Gesellschaft bei Publik-Forum.
Constantin Wißmann ist Redakteur für Politik und Gesellschaft bei Publik-Forum.
Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben?
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Die Bahn muss endlich wieder zuverlässig fahren. Der Ausfall und die z.T. unzumutbaren Verspätungen der Züge müssen der Vergangenheit angehören. Das war zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn selbstverständlich. Inzwischen sind Fernreisen zu Abenteuern geworden. Fahrpläne sind praxisnah (Baustellen) aufzustellen.
Nach Abbruch des Versuchs, bin ich nun wieder so wie vorher seit über 10 Jahren erkältungsfrei.
Die Menschheit ist meiner Meinung noch lange nicht empatisch und sozial genug eingestellt für die gemeinsame Benutzung von Verkehrsmitteln. Die Grundlage fehlt: verantwortungsvolle, rücksichtsvolle und empatische Mitmenschen ...
1€ pro Tag, also 30€ im Monat.
Manche Städte bieten den Tarif an: 1€ pro Fahrt, Ticket aus dem Automat
auch das wird angenommen
Zuschüsse braucht es immer, zahlbar von Steuern für Amazon und Google, ….
die nur 0.3 % Steuern zahlen,
zahlbar über bessere BaFin, die sich nicht mehr von cum ex etc täuschen läßt.
Schaut euch auch hier mal um
https://www.facebook.com/groups/europaeischeenergiewende/?ref=share
Das Ziel sollte "bezahlbarer ÖPNV" heißen, gleichzeitig aber auch die Erweiterung ins Ländliche -, sowie Wartung und Ausbau des Bestehenden ermöglichen. 9€ pro Monat wird dem wohl nicht gerecht. 1€ pro Tag (30€ pro Monat/365€ pro Jahr) sollte für die Meisten machbar sein, Sozialticket könnten wie bisher allen Benachteiligten zur Verfügung stehen.
Aber, was noch wichtiger sind: es wurden Menschen mobil, die es nicht waren. Beispiel: wenn ich mit regulärem Ticket zu meiner Tochter von Krefeld nach Köln fahre, kostet es hin und zurück mehr als 40 Euro: viele können sich so etwas nicht leisten. Viele können sich nicht einmal die Fahrt in einen anderen Stadtteil zum Arzt leisten. Die brauchen das billige Ticket ebenfalls