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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 11/2020
Der Inhalt:

Pro und Contra
Minderjährige in der Bundeswehr?

vom 09.06.2020
Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr rund 1700 Minderjährige rekrutiert, obwohl Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat, die das ablehnt. 150 Länder verzichten inzwischen auf minderjährige Soldaten. Soll die Bundeswehr sie dennoch in ihre Reihen aufnehmen?
Soldaten der Bundeswehr in der Grundausbildung(Foto:pa/Sauer)
Soldaten der Bundeswehr in der Grundausbildung(Foto:pa/Sauer)

Annegret Kramp-Karrenbauer:

Ja, sie werden dort gut geschützt!

Die Bundeswehr steht seit Aussetzen der Wehrpflicht mit anderen Arbeitgebern im stetigen Wettbewerb um junge qualifizierte Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Dabei wird eine Entscheidung für den beruflichen Werdegang gewöhnlich zum Ende der Schulzeit getroffen, zu der die Mehrheit der Schulabgängerinnen und Schulabgänger noch unter 18 Jahre alt ist. Für sie darf es bei der Berufswahl keine Nachteile geben, wenn sie eine militärische Karriere anstreben. Es muss Chancengerechtigkeit mit der zivilen Wirtschaft herrschen.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 11/2020 vom 12.06.2020, Seite 8
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Die Gesamtzahl der Einstellungen Minderjähriger im Soldatenstatus belief sich im Jahr 2019 auf 1706 Personen, dies entspricht einem Anteil von 8,5 Prozent aller Diensteintritte. Nach einer zunächst kontinuierlichen Steigerung seit Aussetzung der Einberufung zum Grundwehrdienst ist die Zahl der eingestellten Minderjährigen seit dem Jahr 2017 rückläufig beziehungsweise hat im Jahr 2019 den Jahreswert des Vorjahres erreicht.

Die Bundeswehr stellt Bewerberinnen und Bewerber mit frühestens 17 Jahren ein, und dies nur mit Zustimmung der Eltern. Sie durchlaufen – wie alle anderen auch – ihre militärische Ausbildung. Dabei unterliegen sie bis zur Volljährigkeit einem besonderen Schutz. So nehmen sie nicht an Wachdiensten oder Auslandseinsätzen teil.

Zudem hat Deutschland erklärt, dass für den Beginn des freiwilligen Dienstes als Soldatin oder Soldat in den Streitkräften ein Mindestalter von 17 Jahren als verbindlich angesehen wird. Diese Einstellungspraxis steht also vollständig im Einklang mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

Ralf Willinger:

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Nein, das gefährdet die Jugendlichen!

Die Bundeswehr rekrutiert weiter 17-jährige Jungen und Mädchen als Soldatinnen und Soldaten – 1706 waren es in 2019. Sie müssen dasselbe militärische Kampftraining durchlaufen wie Erwachsene und werden zusammen mit diesen untergebracht. Dies führt zu gravierenden Kindesschutzproblemen.

An die Öffentlichkeit kamen Fälle, bei denen Minderjährige zum Oralsex aufgefordert wurden, mit ins Bordell genommen wurden oder von demütigenden Aufnahmeritualen betroffen waren, bei denen Soldatinnen nackt an der Stange tanzen mussten. 345 strafbare sexuelle Vergehen wurden 2019 bei der Bundeswehr gemeldet – viermal mehr als 2015. Wie viele Minderjährige davon betroffen waren, veröffentlicht die Bundeswehr lieber nicht. Zudem mussten nach sogenannten »Gewaltmärschen« infolge von Überlastung und Fehlverhalten von Vorgesetzten mehrfach Soldaten schwer verletzt in Intensivstationen eingeliefert werden, ein Soldat verstarb.

Die Bundesregierung nimmt solche Gefährdungen von Jugendlichen bei der Bundeswehr weiter in Kauf – obwohl sie durch die UN-Kinderrechtskonvention und durch nationale Gesetze wie das Jugendschutzgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz (das in der Bundeswehr nicht gilt) zu besonderem Schutz von Minderjährigen verpflichtet ist. Diesem könnte sie durch eine simple Gesetzesänderung mit der Erhöhung des Rekrutierungsalters von 17 auf 18 Jahre gerecht werden, die der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Bundestages seit Langem fordern, ebenso die aktuelle Petition »Unter 18 Nie«. Eine Armee ist kein Platz für Kinder und Jugendliche – diese Erkenntnis beherzigen über 150 Staaten weltweit. Es wird höchste Zeit, dass sie sich auch bei der Bundesregierung durchsetzt.

Die Umfrage ist vorbei: so haben unsere Leser abgestimmt!

Minderjährige in der Bundeswehr?

Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr rund 1700 Minderjährige rekrutiert, obwohl Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat, die das ablehnt. 150 Länder verzichten inzwischen auf minderjährige Soldaten. Soll die Bundeswehr sie dennoch in ihre Reihen aufnehmen?
7 x Ja, sie werden dort gut geschützt!
275 x Nein, das gefährdet die Jugendlichen!
insgesamt abgegebene Stimmen: 282
98%
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Sabine Seebacher 21.06.2020, 19:16 Uhr:
Mein Sohn hat mit 16 Jahren die erste Werbeaktion von der Bundeswehr erhalten, im Winter kam dann ein richtige Broschüre mit einer Übersicht, was für tolle Ausbildungen man machen kann. Dieses Geld sollte man sinnvoller für Friedensbildung in den Schulen nutzen, und nicht nur hin und wieder mal dieses Thema im Unterricht einbringen. Und das sollte für alle Schularten verpflichtend sein.

Peter Hitzelberger  21.06.2020, 17:47 Uhr:
Minderjährige in der Bundeswehr. Ich würde meine Kinder dafür nie hergeben. Das muss verboten werden. Wie kann man die verheerende Praxis der Rekrutierung von Kindersoldaten anderswo kritisieren und selbst Jugendliche rekrutieren. Wenn die Bundeswehr nur so ihre Personalprobleme lösen kann, dann ist sie überflüssig.

Irmgard Winkelnkemper 21.06.2020, 15:28 Uhr:
Jugendliche in die Bundeswehr aufzunehmen ist unverantwortlich.
Die Härten der Ausbildung kenne ich von meinem Mann und Kindern (Wehrdienst).Dazu kommen noch die psychischen Unsicherheiten in diesem Alter. Als Kriegskind sehe ich die Auslandseinsätze sehr kritisch,da sie offenbar zu keiner friedlicheren Welt führen.
Die immensen militärischen Kosten wären viel erfolgreiche in Friedens/Konflicktlösungs-Projekte investiert.

Lotte Rodi 20.06.2020, 15:57 Uhr:
Die Meinung von Frau Kramp-Karrenbauer ist Wunschdenken und entspricht nicht den Tatsachen

Klaus Dick 19.06.2020, 09:29 Uhr:
Es ist regelrecht pervers, wie die Politik agiert, um junge Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen. Als ehemaliger Lehrer habe ich erlebt, wie geschickt die smarten Jugendoffiziere agieren. Unsummen von Steuergeldern werden dafür eingesetzt. Für Organisationen, die sich für Gewaltfreiheit und zivile Krisenprävention einsetzen, fallen dann ein paar Brosamen ab. - Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen. Wir sind auf keinem guten Weg. Feindbild und Kanonenfutter sind vorhanden, und die Rüstung sorgt für die Mittel.

Oliver Rettig 16.06.2020, 06:18 Uhr:
Soldat zu sein mit jedem anderen Beruf gleichzusetzen halte ich bereits für unzulässig. Eine Ausbildung zum Soldaten bedeutet systematisch die Persönlichkeit zu verändern, Hemmungen vorm Töten abzubauen, Befehl und Gehorsam. Als 17-Jähriger kann man sich nicht abschätzen was die Ausbildung mit einem machen wird und ob man das wirklich will. Schon allein darum halte ich es für unverantwortlich.

Doris Rüb 15.06.2020, 15:33 Uhr:
Wie kann man nur behaupten, die Ausbildung zum Soldaten "Mörder" nach Tucholsky schütze einen Jugendlichen. Wovor bitteschön? Davor, dass er körperlich angegriffen wird? Das kann ich nicht beurteilen, aber sicher nicht davor, dass er moralisch verrottet. Selbst mit 18 ist ein junger Mensch charakterlich noch nicht "fertig". Zumindest habe ich an mir, Gleichaltrigen und an der nächsten Generation beobachtet, dass jemand mindestens Mitte zwanzig werden muss um als charakterlich gefestigt zu gelten. Selbstverständlich sind auch Kinder und Jugendliche zu Großartigem fähig, aber sie sind halt auch leicht verführbar und können viel leichter als Erwachsene durch Gewalt verdorben werden.

Gerlinde Mauerhöfer 15.06.2020, 15:28 Uhr:
Wer dauerhaften Frieden in der Welt will muss Kinder zu Friedens-
aktivisten erziehen. Alle Kriegskosten dafür einsetzen, dass Kinder
im "sozialen Frieden" aufwachsen können.

Hanna Maier-Gschwend 15.06.2020, 09:36 Uhr:
Ich bin absolut gegen Minderjährige in der Bundeswehr.
Soldat*in-Sein ist kein Beruf wie jeder andere. Gerichtlich festgestellt ist: "Soldaten sind Mörder" darf gesagt werden, mindestens wird jede*r dazu ausgebildet. Der Umgang mit der Waffe erfordert eine besondere Reife, die Jugendliche schon gar nicht haben. Und die Gefahr, in einem Auslandseinsatz eingesetzt zu werden ist und traumatisiert zurückzukommen, ist riesengroß.

Gisa Luu 14.06.2020, 15:42 Uhr:
Umwandlung der Bundeswehr zu einem technischen Hilfs-Werk,
Konversion der Rüstungsproduktion,
Jugendlichen das Erlernen von ziviler Konflikt-Prävention und gewaltfreier Konflikt-Lösung schmackhaft machen - das brauchen wir für 17-, 18-, 19-Jährige und uns alle!

Michael Heinrich 14.06.2020, 08:57 Uhr:
Kinder werden in der Bundeswehr gut geschützt? Nur weil sie nicht an Wachdiensten oder Auslandseinsätzen teilnehmen? Wie gut informiert ist Frau Kramp-Karrenbauer darüber, was in ihrer Truppe vorgeht? Kinder haben in einer solchen Institution nichts verloren - schon gar nicht um dort eine Karriere(!) anzustreben. Da kann ich den bisherigen Kommentaren nur uneingeschränkt zustimmen!

Klaus Banholzer 13.06.2020, 13:32 Uhr:
Frau Kramp-Karrenbauer entlarvt sich selbst, wenn sie von "Chancengerechtigkeit", von "Arbeitsmarkt", ja sogar von "militärischer Karriere" spricht. Als ob der Einsatz von Waffen und ein püotentieller Kriegseinsatz mit Todesfolge oder PTBS mit dem zivilen Wirtschaftsleben vergleichbar wären. Sie hat - nicht zum ersten Mal (siehe Drohneneinsatz und Atomwaffenstationierung in der BRD - schlicht keinen ethisch-moralischen Kompass, sondern versteht sich als Sprachrohr rein militärisch orientierter Kreise. Unter dem Schutz der jungen Menschen und ihrer Entwicklung verstehe ich etwas grundsätzlich anderes.

Susanne Heuser 13.06.2020, 12:11 Uhr:
Wenn wir wahren Frieden in der Welt erlangen wollen, müssen wir bei den Kindern anfangen.
Mahatma Gandhi

Clemens Lippok 13.06.2020, 11:31 Uhr:
"Als ob das Töten irgend etwas gutmachen könnte!
als ob vergossenes Blut überhaupt etwas reinigen,
etwas Geschehenes ungeschehen machen könnte!
Oh, über den geheiligten Widersinn, unter dessen Herrschaft sich die blöde Welt gestellt hat."
Bertha von Suttner, (1843-1914)

Marie Battran-Berger 13.06.2020, 09:19 Uhr:
Minderjährige in die Ausbildung zu einem Beruf zu schicken, der Krieg und Gefahren für Leib und Seele beinhaltet, ist nicht akzeptabel. Mit Zustimmung der Eltern das Sicherheitsbedürfnis der Jugendlichen für diesen riskanten Beruf auszunutzen ist paradox. Wie noch zu Zeiten der Wehrpflicht leisten die Meldebehörden der Kommunen Amtshilfe, indem sie die Daten der Jugendlichen unter 18 an die Bundeswehr zur Anwerbung weitergeben.Das soll aufhören! SoldatIn ist kein Beruf wie jeder andere, auch wenn uns das die fortschreitende Militarisierung des Alltags suggerieren will.

Markus Löble 13.06.2020, 08:33 Uhr:
Die Rekrutierung von immer jüngeren Menschen in die Armee ergänzt die Verkürzung der Schul- und Ausbildungszeiten und führt zu weniger Bildung, Verantwortung und Aufklärung.

Friedrich Gehring 12.06.2020, 15:59 Uhr:
Die Sorge der Ministerin um "Nachteile" für militärisch interessierte Schulabgänger ist vorgeschoben: Es geht um "Chancengerechtigkeit" für die Bundeswehr gegenüber der Wirtschaft ohne Rücksicht auf die Jugendlichen. Erfahrungsgemäß werden viele der 1706 Minderjährigen von 2019 die Bundeswehr bald wieder verlassen, weil ihre Entscheidung unreif war - eine Verschwendung von Ausbildungsressourcen. Junge Menschen können auch noch zum Militär, wenn sie bis 18 bei Tätigkeiten wie einem freiwilligen sozialen Jahr in ihrer Persönlichkeit gereift sind.

Martin Lempp 12.06.2020, 15:27 Uhr:
Ich habe als Soziaöpädagoge jahrelang einen Jungen betreut. Er wollte unbedingt nach der Schulausbildung zur Bundeswehr und sich für 12 Jahre verpflichten. All meine "Warnungen" schlug er in den Wind. Noch minderjährig trat er seinen Dienst an. Etwa 1 Woche später, war er wieder zu Hause, entsetzt über die Missachtung seiner Würde von Vorgesetzten.

Ludger Harhues 12.06.2020, 15:07 Uhr:
Es spricht nichts dagegen, dass die Bundeswehr als ziviler Ausbilder auftritt und dafür Schulabgänger einstellt. Aber die militärische Ausbildung könnte dann trotzdem erst mit Vollendung des 18ten Lebensjahrs beginnen. Ich glaube als ehemaliger Lehrer an einer Bundeswehrfachschule nicht, dass heute 17 jährige schon überblicken können, wie eine militärische Karriere wirklich aussieht, wenn diese mit einem Fach- oder Fachoberschulabschluss begonnen wird.

Hagen Battran 12.06.2020, 14:36 Uhr:
Brav plappert Frau Kramp-Karrenbauer nach, was seit Jahren aus dem "Verteidigungsministerium" tönt. Sie nimmt dankbar den Tunnelblick auf die unter 18 Jahre alten Rekrut*innen auf, der ihr mit der Frage "Minderjährige in der Bundeswehr?" ermöglicht wird.
So kann sie leicht jeden auch noch so schwachen Hinweis darauf vermeiden, dass Krieg immer ein Verbrechen ist, in dem zum Töten ausgebildete und trainierte Soldat*innen zu Mördern werden.

Yvonne Walden 10.06.2020, 12:31 Uhr:
Soldatin oder Soldat sollte jemand werden, der entweder die Hochschulreife absolviert hat (Abitur mit rund 19 Jahren) oder nach Vollendung seiner allgemeinen Schulpflicht (etwa 16 Jahre) eine berufliche Ausbildung (wenigstens 3 Jahre) absolvieren konnte.
Erst dann sollte es möglich sein, als Soldatin oder Soldat in die Bundeswehr einzutreten.
Psychologen gehen davon aus, daß mit 18 Jahren ein individueller Reifefaktor eintritt, der junge Menschen zu Entscheidungen dieser Art befähigt. Vorher nicht.

Renate Hans 10.06.2020, 07:27 Uhr:
Es ist nicht vereinbar mit dem Jugendschutzgesetz!!!Die Gesetze sollten eingehalten werden, dafür wurden diese gemacht!!!Warum setzen wir unsere Jugendlichen diesen nicht verhinderbaren Strapazen aus ????
Jugendliche werden durch dieses Gesetz geschützt!!darum muss das Gesetz auch für alle gelten!!! Keine Jugendlichen unter 18 Jahren in der Bundeswehr!!!!

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