Pro und Contra
Personalausweis ohne Fingerabdruck?

Rena Tangens:
Ja, der Staat verdächtigt alle!
Haben Sie bei Ihrem letzten Besuch im Einwohnermeldeamt Ihre Fingerabdrücke hinterlassen? Noch haben Sie die Wahl. Noch können Sie es ablehnen, dass auf Ihrem Personalausweis Ihre Fingerabdrücke gespeichert werden. Doch bald ist es mit der Freiwilligkeit vorbei: Von August 2021 an soll für neue Ausweise eine Speicherpflicht gelten. Im Herbst kommt das Gesetz zur Fingerabdruckpflicht in den Bundestag.
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Fingerabdrücke abgeben – das verbinden wir zunächst mit Verbrechen. Wenn in Zukunft alle ihren Fingerabdruck im Personalausweis speichern lassen müssen, dann fühlen wir uns behandelt, als wären wir tatverdächtig. Das geplante Gesetz hat einen starken symbolischen Charakter. Es steht für einen Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich misstraut. Das passt zu autoritären Staaten, die ihre Bevölkerung kontrollieren wollen. Zu einer Demokratie, in der die Würde jedes Menschen geachtet wird, passt diese Einstellung nicht.
Die zwei Diktaturen in der jüngeren deutschen Geschichte haben in großem Umfang Informationen gesammelt und gegen ihre Bevölkerung genutzt. Auch wenn ich dem Rechtsstaat in Deutschland Vertrauen entgegenbringe, frage ich mich: Gilt das auch für alle zukünftigen Regierungen? Und was ist mit den Ländern, die ich besuchen möchte, wenn diese Länder bei meiner Einreise meine Dokumente in die Hände bekommen? Sind meine Daten da noch sicher? Biometrische Daten sind besonders sensibel. Anders als unseren Namen oder Wohnort können wir sie niemals ändern.
Selbst wenn Politikerinnen und Politiker die besten Absichten verfolgen, sind sie in diesem Fall Wegbereiter für eine gefährliche Massenüberwachung.
Josef Oster:
Nein, der Ausweis wird sicherer!
Im vergangenen Jahr haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat beschlossen, dass künftig biometrische Daten in Form von zwei Fingerabdrücken im Chip des Personalausweises gespeichert werden sollen. Vom 2. August 2021 an gilt eine entsprechende Verordnung in jedem Mitgliedstaat der EU. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Sicherheit von Ausweisdokumenten zu erhöhen.
Europäische Behörden registrieren eine zunehmende Zahl von Verdachtsfällen, in denen echte Dokumente illegal genutzt werden. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass wir Identitätsmissbrauch verhindern. Indem Fingerabdrücke in Personalausweisen gespeichert werden, ist es möglich, einen Identitätsmissbrauch schnell und sicher vor Ort festzustellen. Mittels dieser Neuerung könnten bei zukünftigen Verdachtsfällen auch zeitaufwendige Nachfragen bei anderen Behörden entfallen, da es unmittelbar möglich wäre, die Identität festzustellen.
Die Fingerabdrücke sollen in Deutschland künftig, wie bereits bei den Reisepässen der Fall, ausschließlich im Chip des Personalausweises gespeichert werden. Zugriffsrechte erhalten die für die Identitätsfeststellung berechtigten deutschen Behörden sowie die Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten.
Aufgrund des technischen Fortschritts sind Fälschungen oder Manipulationen im Pass- und Ausweiswesen ein großes Problem. Die Speicherung der Fingerabdrücke im Personalausweis ist daher von großer Wichtigkeit, um Ausweisdokumente sicherer zu machen. Zudem stärkt die Verordnung das Vertrauen innerhalb der EU und trägt damit ganz wesentlich dazu bei, dass die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft weiterhin überzeugt gelebt werden kann.
Personalausweis ohne Fingerabdruck?
Josef Oster ist direktgewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Koblenz (CDU). Er ist Mitglied im Innenausschuss und im Petitionsausschuss.
Personalausweis ohne Fingerabdruck?
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Ich brauchte für meine Dienstreisen zu Schulungszwecken 2011 einen Pass und musste dafür Fingerabdrücke abnehmen lassen. Privat hätte ich sonst auf den Pass unter diesen Umständen verzichtet.