Pro und Contra
Braucht es eine Migranten-Quote im Öffentlichen Dienst?
Elke Breitenbach:
Ja, denn sonst passiert nichts!
Seit zehn Jahren gilt in Berlin das Partizipations- und Integrationsgesetz. Darin steht: »Der Senat strebt die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung an.« Doch in all den Jahren wurde dieses Ziel nicht umgesetzt.
Als Reaktion auf meinen Vorschlag, jetzt verbindlichere Regelungen einzuführen, um die Einstellung von Beschäftigten mit Migrationshintergrund und Migrationsgeschichte zu erhöhen, gab es viele rassistische Kommentare. Auch deswegen hatte ich ein Déjà-vu-Erlebnis: dass wir im Jahr 2021 noch immer mit den gleichen Argumentationsmustern konfrontiert sind wie vor zehn Jahren. Es gibt sofort diesen Reflex, dass Menschen mit Migrationshintergrund per se die Qualifikation abgesprochen wird, in den öffentlichen Dienst zu gehen. Es ist ein zutiefst rassistisches Denken in dieser Gesellschaft verankert.
Ich möchte, dass die Vielfalt dieser Gesellschaft auch im öffentlichen Dienst abgebildet wird. Wir brauchen Menschen mit Einwanderungsgeschichte in den Behörden. Wir brauchen sie als Fachkräfte und als Vorbilder.
Im Grundgesetz ist festgeschrieben, dass alle Menschen gleich sind. Da gibt es keinen Unterschied. Wir erleben aber, dass es eine strukturelle Diskriminierung einer Gruppe von Menschen gibt – und dagegen muss die Politik vorgehen und Strukturen entwickeln, die einen gleichberechtigten Zugang für alle Menschen sicherstellen. So eine Regelung ist möglich und alle geltenden Gesetze werden dabei beachtet.
Mir geht es darum, dass wir zusammen eine diverse Stadtgesellschaft gestalten. Wir wollen nicht weitermachen wie bisher und festlegen, dass »die anderen« sich anpassen müssen. Es geht heute um Partizipation – also um das Einbeziehen aller Menschen.
Serap Güler:
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Nein, wir müssen besser werben!
Deutschland ist ein weltoffenes Land. Unsere gesellschaftliche Vielfalt macht uns stark. Genau deswegen sollte sich unsere vielfältige Gesellschaft auch im öffentlichen Dienst widerspiegeln, aber den Anteil der Beschäftigten mit Einwanderungsgeschichte über eine Quote regeln zu wollen ist nicht der richtige Weg.
Zum einen ist eine solche Quote verfassungsrechtlich meines Erachtens kaum durchsetzbar. Das wurde bereits in verschiedenen Gutachten und Publikationen hinlänglich beleuchtet. Das Grundgesetz steht dagegen (beispielsweise Artikel 33, Absatz 2, oder Artikel 3, Absatz 2). Auch stellt sich die Frage, wie das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein einer Einwanderungsgeschichte rechtssicher erfasst werden kann, wenn das bestenfalls freiwillig abgefragt werden kann?
Ich bin überzeugt davon, dass wir aktiver für den öffentlichen Dienst werben müssen, anstatt Kolleginnen und Kollegen über feste Quoten zu gewinnen. Gerade in der Pandemie zeigt sich, wie wichtig die Verwaltung für das Allgemeinwohl ist. Hier sollen Menschen mit Einwanderungsgeschichte mitgestalten, wie wir in diesem Land leben, denn es ist unsere gemeinsame Heimat.
Muss der öffentliche Dienst attraktiver werden? Natürlich. Kann er dadurch auch diverser werden? Absolut. Deswegen informieren wir in Nordrhein-Westfalen einerseits intensiv über die vielfältigen Berufe in der Verwaltung, sensibilisieren aber gleichzeitig auch die Personalabteilungen und Entscheider, denn wir wollen diskriminierungsfreie Bewerbungsverfahren sicherstellen. Klar ist: Der Wandel hin zu einem öffentlichen Dienst, der unsere Gesellschaft besser widerspiegelt, kann nur gemeinsam in einem offenen und wertschätzenden Prozess gelingen.
Elke Breitenbach, geboren 1961, ist Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. Zuvor war sie für die Partei Die Linke Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus.
Serap Güler, geboren 1980, ist seit 2017 Staatssekretärin für Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie ist Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und Co-Vorsitzende des Netzwerks Integration der CDU Deutschlands.
Heiner Macher 16.02.2021, 18:49 Uhr:
Ich habe den Eindruck, daß schon jetzt in vielen öffentlichen Stellen Personen mit Migrationshintergrund arbeiten. Das sieht man ja einfach am Namen, der nicht gerade "urdeutsch" ist, was immer das genau ist. Es sollte eigentlich allen Ämtern und deren Leitungen klar sein, daß eine gute Mischung sinnvoll und nützlich ist. Wenn auf der anderen Seite des Schreibtischs, Tresens oder am Telefon jemand ist, der die gleiche Sprache spricht - die nicht deutsch ist - kann man die Bearbeitung des Anliegens beschleunigen und vereinfachen. Dann sind doch alle froh.
Helene Tschacher 16.02.2021, 09:45 Uhr:
Die Bezeichnung „Migrationshintergrund“ ist diskriminierend da er impliziert dass jemand ursprünglich nicht hierher gehört. Hat ein Bayer in Berlin einen Migrationshintergrund oder nur jemand der nicht in Deutschland geboren oder in Europa oder dem Rest der Welt? Und bis in welche Generation gilt dann ein Migrationshintergrund?
Bildung und Entfaltungsmöglichkeiten für alle ist die Voraussetzung dass sich Bürger mit dem Land identifizieren in dem sie leben und für das sie sich engagieren wollen. Aus diesem Potenzial muss der öffentliche Dienst schöpfen und nicht aus einer undefinierbaren Migranten-Quote.