Pro und Contra
Franziskus – noch Hoffnungsträger?

Britta Baas:
Ja, er reißt noch was!
Kein Mensch kann alles sein, was man sich wünscht. Papst Franziskus ist herzlich, witzig und herrlich unkonventionell. Er ist das soziale Gewissen der Kirche, ein politisches Schwergewicht. Und spätestens seit seiner Enzyklika »Laudato si’« kann man ihn auch einen erfolgreichen Umweltaktivisten nennen. Der Mann ist ein Superpapst. Leider ist er auch ein Macho, ein Sturkopf und der Chef einer Institution, die in vormodernen Denk- und Verhaltensmustern erstarrt.
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Kann man auf so einen seine Hoffnung setzen? Ich kann. Das hat drei Gründe. Der erste liegt in der Erkenntnis, dass er vielen Menschen auf der Welt aus christlicher Überzeugung effektiv zur Seite steht. Er kämpft für ihre Lebensgrundlagen im Amazonasgebiet, für ihre Religionsfreiheit in diktatorischen Staaten, für ihr Recht auf ein neues, gutes Leben nach Flucht und Vertreibung. Dass er das kann, liegt daran, dass er politisch ernst genommen wird. Das ist mein zweiter Grund, warum ich auf ihn setze. Franziskus münzt seine Macht als Papst erfolgreich in Weltverantwortung um. Einer, der in dieser Liga spielt, wird von der Liga auch gehört. Das Papstamt ist nicht nur dafür da, in die Kirche hineinzuwirken, sondern auch nach außen. Wie das Versagen von Päpsten vor dieser Aufgabe aussehen kann, lässt sich am 19. und 20. Jahrhundert ablesen. Franziskus macht diese Art von Fehler nicht. Mein dritter Grund liegt in seiner Menschlichkeit. Ich ärgere mich zwar wahnsinnig, dass er die in die Jahre gekommene Naturrechtslehre der katholischen Kirche nicht endlich reformiert und viele Menschen – darunter Frauen und Schwule – an den kirchlichen Katzentisch setzt. Aber wenn er ihnen begegnet, zeigt er, dass er sie respektiert. Für seine Fehler bittet er um Entschuldigung, schafft den Turnaround im Verhalten. Vielleicht wird dereinst sein Wort mehr gelten als alles Papier? Im 21. Jahrhundert punktet das Mündliche, die Emotion, der Mensch. Gut für Franziskus!
Alexander Schwabe:
Nein, es ist vorbei!
Was war das für ein Anfang! Als ob das Wort Fleisch geworden wäre. Ein Papst, der erst mal guten Appetit wünscht zu Mittag. Der bodenständig ist, einfache Straßenschuhe trägt und die Rokokowelt des Höfischen verlässt. Ein Seelsorger, dem die Tragik des Menschseins näher ist als rabulistisch getriebene Dogmatik. Einer, der Verständnis für die Grauzonen des Lebens hat. Der geradezu jesuanisch menschenzugewandt ist: »Wer bin ich, zu urteilen …?«
Es war ein Papst, dem Konvention gleichgültig war. Der auf die Kniffe des motivationsorientierten Managements pfiff und seinem Bodenpersonal, der Kurie, die Krankheit einer mentalen und spirituellen Erstarrung attestierte. Einer, der Debatten anstieß, Entscheidungen dezentralisieren wollte. Wo ist dieser befreiende Geist geblieben, der frische Wind?
Sehr schnell stand Franziskus im Gegenwind. Gegen sein Schreiben Amoris laetitia über die Ehe und Familie liefen ein paar Kardinäle Sturm, darunter deutsche. Sie verdächtigten den Papst der Häresie und stellten den Pontifex maximus als Spalter dar. Ein Vatikankenner wähnt ihn »unter Wölfen«, er scheint waidwund zu sein.
Als er eine Kommission beauftragte, über ein Diakonat der Frau zu forschen, als sich am Ende der Amazonas-Synode eine Mehrheit dafür aussprach, dem Priestermangel mit der Weihe von viri probati zu begegnen, da waren Hoffnungen geweckt, die bitter enttäuscht wurden. Stattdessen will er Frauen, die er schon mal als »Erdbeeren auf einem Kuchen« sieht, vor der Gefahr schützen, klerikalistisch zu werden. Auch der Kinderschutzgipfel im Vatikan zeigte, dass Franziskus konservativ ist, unfähig, nachhaltig zu reformieren. Kinderschänder macht er zu »Werkzeugen Satans«, projiziert kriminelle Akte auf eine externe Instanz, die Untaten seien gelenkt von der »Hand des Bösen« – nicht mitverursacht vom System der Kirche.
Sieben Jahre nach seiner Wahl zeigt Franziskus jene Erstarrung, die er als Malaise diagnostiziert hatte.
Franziskus – noch Hoffnungsträger?
Alexander Schwabe, geboren 1964, ist evangelischer Theologe und Chefredakteur bei Publik-Forum.
Franziskus – noch Hoffnungsträger?
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Marco Politi geht auch in seinem neuesten Buch über das Pontifikat Franziskus` davon aus, dass die erste Halbzeit seines Pontifikates vorüber ist und eine zweite Halbzeit folgt. Gesundheit und weiterhin gegen den Wind zu stehen, ist zu wünschen. Die Reformen, welche bisher durch ihn auf den Weg gebracht wurden, sind immens und historisch; es sei nur an die Kontrolle der Vaticanbank, an die Neubesetzung diverser Dikasterien und an die Entlassung von Bischöfen erinnert. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich hoffe.
Auch ein Papst ist nicht allmächtig. Franziskus kann die Kirche nicht bewegen, während wir in passiver Zuschauerrolle verharren. Ihn als Hoffnungsträger oder als Gescheiterten anzusehen, wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung: Der Wandel zu Beginn seines Pontifikats beruhte weniger auf seinen Anordnungen als darauf, dass aufgeschlossene Kirchenleute sich ermutigt sahen, endlich auszusprechen, was sie dachten. Wenn die Katholiken ihren Papst jetzt verloren geben, dann können sie nicht erwarten, dass er noch etwas bewirkt.
- nach Kardinal Martini ca. 200 Jahre, seit der frz. Revolution/Gegenrevolution- von einem Papst schnell gelöst werden kann. Schon unter Paul VI. (unter dem Einfluß von Kardinal Ottaviani), dann unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI., also seit ca. 1965, wurden die Reformansätze des 2. Vat. Konzils "abgewürgt".
So wurden u.a. pädophile Marienverehrer zum Kardinal-Erzbischof ernannt und der hl.Erzbischof Oscar A. Romero seinen Mördern ausgeliefert.
Wer jetzt aufgibt, hat schon verloren. Wem an der Nachfolge Jesu gelegen ist, der macht weiter. Man darf auch nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren und die Reformen nur vom Papst erwarten. "Wir sind selber groß."
Jetzt .. müde .. und, alles hat seine Zeit