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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 5/2020
Der Inhalt:

Pro und Contra
Franziskus – noch Hoffnungsträger?

vom 10.03.2020
Als der Papst 2013 gewählt wurde, machte sich Aufbruchstimmung breit. Doch je länger er im Amt ist, desto mehr Kritik erfährt er. Zuletzt enttäuschte sein Schlusswort zur Amazonas-Synode.Ist sein Reformkurs am Ende? Oder bewirkt Papst Franziskus mehr als gedacht?
Ist Papst Franziskus gescheitert? Ein weithin leuchtendes Pontifikat sieht anders aus (pa/Stefano Spazi)
Ist Papst Franziskus gescheitert? Ein weithin leuchtendes Pontifikat sieht anders aus (pa/Stefano Spazi)

Britta Baas:

Ja, er reißt noch was!

Kein Mensch kann alles sein, was man sich wünscht. Papst Franziskus ist herzlich, witzig und herrlich unkonventionell. Er ist das soziale Gewissen der Kirche, ein politisches Schwergewicht. Und spätestens seit seiner Enzyklika »Laudato si’« kann man ihn auch einen erfolgreichen Umweltaktivisten nennen. Der Mann ist ein Superpapst. Leider ist er auch ein Macho, ein Sturkopf und der Chef einer Institution, die in vormodernen Denk- und Verhaltensmustern erstarrt.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 05/2020 vom 13.03.2020, Seite 8
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Kann man auf so einen seine Hoffnung setzen? Ich kann. Das hat drei Gründe. Der erste liegt in der Erkenntnis, dass er vielen Menschen auf der Welt aus christlicher Überzeugung effektiv zur Seite steht. Er kämpft für ihre Lebensgrundlagen im Amazonasgebiet, für ihre Religionsfreiheit in diktatorischen Staaten, für ihr Recht auf ein neues, gutes Leben nach Flucht und Vertreibung. Dass er das kann, liegt daran, dass er politisch ernst genommen wird. Das ist mein zweiter Grund, warum ich auf ihn setze. Franziskus münzt seine Macht als Papst erfolgreich in Weltverantwortung um. Einer, der in dieser Liga spielt, wird von der Liga auch gehört. Das Papstamt ist nicht nur dafür da, in die Kirche hineinzuwirken, sondern auch nach außen. Wie das Versagen von Päpsten vor dieser Aufgabe aussehen kann, lässt sich am 19. und 20. Jahrhundert ablesen. Franziskus macht diese Art von Fehler nicht. Mein dritter Grund liegt in seiner Menschlichkeit. Ich ärgere mich zwar wahnsinnig, dass er die in die Jahre gekommene Naturrechtslehre der katholischen Kirche nicht endlich reformiert und viele Menschen – darunter Frauen und Schwule – an den kirchlichen Katzentisch setzt. Aber wenn er ihnen begegnet, zeigt er, dass er sie respektiert. Für seine Fehler bittet er um Entschuldigung, schafft den Turnaround im Verhalten. Vielleicht wird dereinst sein Wort mehr gelten als alles Papier? Im 21. Jahrhundert punktet das Mündliche, die Emotion, der Mensch. Gut für Franziskus!

Alexander Schwabe:

Nein, es ist vorbei!

Was war das für ein Anfang! Als ob das Wort Fleisch geworden wäre. Ein Papst, der erst mal guten Appetit wünscht zu Mittag. Der bodenständig ist, einfache Straßenschuhe trägt und die Rokokowelt des Höfischen verlässt. Ein Seelsorger, dem die Tragik des Menschseins näher ist als rabulistisch getriebene Dogmatik. Einer, der Verständnis für die Grauzonen des Lebens hat. Der geradezu jesuanisch menschenzugewandt ist: »Wer bin ich, zu urteilen …?«

Es war ein Papst, dem Konvention gleichgültig war. Der auf die Kniffe des motivationsorientierten Managements pfiff und seinem Bodenpersonal, der Kurie, die Krankheit einer mentalen und spirituellen Erstarrung attestierte. Einer, der Debatten anstieß, Entscheidungen dezentralisieren wollte. Wo ist dieser befreiende Geist geblieben, der frische Wind?

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Sehr schnell stand Franziskus im Gegenwind. Gegen sein Schreiben Amoris laetitia über die Ehe und Familie liefen ein paar Kardinäle Sturm, darunter deutsche. Sie verdächtigten den Papst der Häresie und stellten den Pontifex maximus als Spalter dar. Ein Vatikankenner wähnt ihn »unter Wölfen«, er scheint waidwund zu sein.

Als er eine Kommission beauftragte, über ein Diakonat der Frau zu forschen, als sich am Ende der Amazonas-Synode eine Mehrheit dafür aussprach, dem Priestermangel mit der Weihe von viri probati zu begegnen, da waren Hoffnungen geweckt, die bitter enttäuscht wurden. Stattdessen will er Frauen, die er schon mal als »Erdbeeren auf einem Kuchen« sieht, vor der Gefahr schützen, klerikalistisch zu werden. Auch der Kinderschutzgipfel im Vatikan zeigte, dass Franziskus konservativ ist, unfähig, nachhaltig zu reformieren. Kinderschänder macht er zu »Werkzeugen Satans«, projiziert kriminelle Akte auf eine externe Instanz, die Untaten seien gelenkt von der »Hand des Bösen« – nicht mitverursacht vom System der Kirche.

Sieben Jahre nach seiner Wahl zeigt Franziskus jene Erstarrung, die er als Malaise diagnostiziert hatte.

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Franziskus – noch Hoffnungsträger?

Als der Papst 2013 gewählt wurde, machte sich Aufbruchstimmung breit. Doch je länger er im Amt ist, desto mehr Kritik erfährt er. Zuletzt enttäuschte sein Schlusswort zur Amazonas-Synode.Ist sein Reformkurs am Ende? Oder bewirkt Papst Franziskus mehr als gedacht?
102 x Ja, er reißt noch was!
43 x Nein, es ist vorbei!
insgesamt abgegebene Stimmen: 145
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Ludger Harhues 21.03.2020, 14:37 Uhr:
Die notwendige Reform der Kirche nur vom Papst zu erwarten, ist meiner Ansicht eine zu hohe Anforderung. Wir, die wir mündige Christen sind, müssen diese Reformen einfordern. Dies kann auf sehr unterschiedliche Weise geschehen (Maria 2.0, synodaler Weg, aber auch persönliche Kontakte zur Amtskirche). Nur wenn unsere Forderungen laut genug sind und auch von der deutschen Bischofskonferenz mitgetragen werden, hat auch Papst Franziskus die nötige Rückendeckung.

Thomas Kornek 21.03.2020, 02:07 Uhr:
Als Franziskus das schwere Erbe des durch den deutschen Papst Ratzinger hinterlassenen Scherbenhaufen antrat, verbanden sich damit große Hoffnungen auf eine echte Reform der römisch-katholischen Kirche. Noch ist dieser Weg nicht gescheitert, auch wenn Papst Franziskus aktuell Umwege nehmen muss, weil die Widerstände in beträchtlichen Teilen der Kurie und in machtvollen Bischofskonferenzen - auch der Deutschen - ihm das reformatorische Handeln erschweren.

Marco Politi geht auch in seinem neuesten Buch über das Pontifikat Franziskus` davon aus, dass die erste Halbzeit seines Pontifikates vorüber ist und eine zweite Halbzeit folgt. Gesundheit und weiterhin gegen den Wind zu stehen, ist zu wünschen. Die Reformen, welche bisher durch ihn auf den Weg gebracht wurden, sind immens und historisch; es sei nur an die Kontrolle der Vaticanbank, an die Neubesetzung diverser Dikasterien und an die Entlassung von Bischöfen erinnert. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich hoffe.

Robert Tremmel 16.03.2020, 19:45 Uhr:
Wer ist nicht schon selbst einmal mit großen Ideen an etwas herangegangen – und konnte doch nur frustrierend kleine Ansätze davon verwirklichen. Deswegen zu sagen „Der bringt’s nicht mehr. Mit dem ist es aus.“ ist ein hartes, ein karfreitägliches Urteil.

Auch ein Papst ist nicht allmächtig. Franziskus kann die Kirche nicht bewegen, während wir in passiver Zuschauerrolle verharren. Ihn als Hoffnungsträger oder als Gescheiterten anzusehen, wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung: Der Wandel zu Beginn seines Pontifikats beruhte weniger auf seinen Anordnungen als darauf, dass aufgeschlossene Kirchenleute sich ermutigt sahen, endlich auszusprechen, was sie dachten. Wenn die Katholiken ihren Papst jetzt verloren geben, dann können sie nicht erwarten, dass er noch etwas bewirkt.

Axel Stark 14.03.2020, 14:56 Uhr:
Es ist naiv zu glauben, dass der lange Reformstau der kath. Kirche
- nach Kardinal Martini ca. 200 Jahre, seit der frz. Revolution/Gegenrevolution- von einem Papst schnell gelöst werden kann. Schon unter Paul VI. (unter dem Einfluß von Kardinal Ottaviani), dann unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI., also seit ca. 1965, wurden die Reformansätze des 2. Vat. Konzils "abgewürgt".
So wurden u.a. pädophile Marienverehrer zum Kardinal-Erzbischof ernannt und der hl.Erzbischof Oscar A. Romero seinen Mördern ausgeliefert.
Wer jetzt aufgibt, hat schon verloren. Wem an der Nachfolge Jesu gelegen ist, der macht weiter. Man darf auch nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren und die Reformen nur vom Papst erwarten. "Wir sind selber groß."

Hanna Leinemann 13.03.2020, 19:23 Uhr:
Nein, es ist nicht vorbei. - Alexander Schwabe beschreibt so schön den Anfang - und es ist immer noch so, aber, so scheint es mir, es ist nicht mehr so spektakulär, auch nicht, daß er einen Teil der Archive aufschloß. - Wie soll sich denn ein Lamm unter Wölfen verhalten, wenn es überleben und weiter wirken will, obwohl der vorherige Leitwolf immer noch knurrt? Dann wirkt man "im Stillen wie ein Stein: sie wachsen in der Tiefe, und niemand weiß von ihnen, aber einmal werden die großen Dome aus ihnen gebaut (Ernst Wiechert)". -

Ulrich Willers 13.03.2020, 18:23 Uhr:
Ein Mensch mit Ecken und Kanten, bleibt er doch immer erkennbar in der Spur Jesu - bei bleibender Liebe zur Kirche als ganzer, wie es ihm aufgetragen ist. Eben dies trägt ihm selbst bei katholischen Gläubigen Hass ein... Papst Franziskus ist Realist, der seine Vision von gelebtem Glauben und Christsein in der Gegenwart nicht aufgibt, aber um der Gemeinschaft der Kirche (die kein Verein und keine Gewerkschaft ist, sondern Sakrament für die Welt - siehe Vat. II: LG) willen auch nicht einfach durchsetzt. Fordern oder Wünschen ist das Eine, Durchsetzen ist etwas Anderes - und oft Gewaltsames. Das weiß er sehr genau, meine ich.

Michael Kaltenbach 13.03.2020, 16:22 Uhr:
Der Papst ist erstarrt, unfähig noch etwas zu bewegen. Ich bn enttäuscht und traurig.

Gerd Schäffer 12.03.2020, 14:13 Uhr:
Ja, er war Hoffnungsträger..
Jetzt .. müde .. und, alles hat seine Zeit

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