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Pro und Contra
Ist die elektronische Patientenakte in ihrer jetzigen Form hilfreich?

Die elektronische Patientenakte gilt nun bundesweit. Ist das begrüßenswert?
vom 13.05.2025
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Alle Behandlungen auf einen Blick: Ist das hilfreich oder gefährlich? (Foto: PA / epd-Bild / Tim Wegner)
Alle Behandlungen auf einen Blick: Ist das hilfreich oder gefährlich? (Foto: PA / epd-Bild / Tim Wegner)

Boris Augurzky: Ja!

(Foto: www.rhoen-stiftung.de)Wer kennt das nicht: Man gibt in der Arztpraxis eine Urinprobe ab. Es soll eine Bakterienkultur angelegt werden, um mehr Erkenntnisse zu gewinnen. Zwei Tage später liegen sie vor, aber telefonisch ist die Praxis nicht erreichbar. Also gilt es, den Weg zur Praxis zu gehen, sich in die Schlange mit zehn anderen Patienten einzureihen, um vor Ort das Laborergebnis zu erfahren. Das ist nicht selten die Realität in deutschen Arztpraxen. Technologisch befinden wir uns also im 20. Jahrhundert

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 10/2025 vom 16.05.2025, Seite 8
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Wer hingegen ein Paket bestellt, kann auf dem Handy nachverfolgen, wo es sich gerade befindet und wann es ungefähr zu Hause ankommt. Selbst die Deutsche Bahn hat eine App, die über den Status ihrer Zugverbindungen informiert. Und Geldgeschäfte tätigen die meisten Menschen online.

Als Patient wünsche ich mir, dass ich all meine Gesundheitsdaten immer bei mir hätte. Ich möchte keinen Impfausweis suchen und Ergebnisse von Allergietests in Ordnern herauskramen müssen, Röntgenbilder auf einer CD, die mein Computer nicht mehr lesen kann, extrahieren oder erraten müssen, wie das Arzneimittel, das ich vor einem Jahr bekam, hieß und wie die Diagnose damals lautete.

Ich möchte, dass all diese für mich so wichtigen Daten digital und gut organisiert in einer App zugänglich sind, dass ich jederzeit Zugriff auf sie habe. Auch möchte ich, dass eine künstliche Intelligenz sie sogar irgendwann aufbereitet und auswertet, dass ich entscheiden kann, wer die Daten einsehen darf und wer nicht. Ich würde mich freuen, wenn im Notfall der Rettungsdienst darauf zugreifen könnte. All dies ist bereits technisch möglich und existiert in der einen oder anderen Form in anderen Ländern. In Deutschland aber nicht, obwohl wir seit 20 Jahren daran arbeiten. Es wurde Zeit, dass nun die ersten sichtbaren Schritte in diese Richtung unternommen wurden.

Dabei möchte ich natürlich, dass meine Daten vor dem Zugriff unbefugter Personen in höchstem Maße geschützt sind. Hacker müssen draußen bleiben. Das sollte machbar sein. Im Onlinebanking, hinter dem ebenso vertrauliche Daten stehen, geht es auch. Und wer der Sache noch nicht traut, kann noch abwarten. Für mich ist jedenfalls klar: Die elektronische Patientenakte würde Ordnung in meine Gesundheitsdaten bringen, würde Zusammenhänge in den Daten erkennen, die kein Arzt erkennen kann, weil er nie alle Daten auf dem Tisch liegen hat und auf einmal verarbeiten kann. Sie würde mich deshalb irgendwann auch unabhängig beraten können. Gerade in einer Welt, in der viele Arztpraxen mangels Nachwuchses keine Nachfolger finden und schon heute nicht mehr ans Telefon gehen können, ist das Gold wert.

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Eugen Brysch: Nein!

(Foto: Deutsche Stiftung Patientenschutz /Tatiana Kurda)Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ist richtig und wichtig. Angesichts 20-jähriger Vorlaufzeit und Milliarden Kosten war der Start längst überfällig. Allerdings ist die Marktreife dieses Produkts anzuzweifeln. Für chronisch kranke, pflegebedürftige und alte Menschen bietet die E-Akte kaum einen Mehrwert. Denn Altbefunde fehlen und die zu erwartende Informationsfülle wird Ärzte im Praxisalltag überfordern. Schließlich besteht die ePA nur aus gescannten Dokumenten. Jede Datei ist zu sichten, um behandlungsrelevante Fakten herauszufinden. Die Hinterlegung einer künstlichen Intelligenz fehlt. Doch erst die Filterung, Verknüpfung und Analyse der Datenmengen bringen den entscheidenden Vorteil.

Zudem muss auch technikunerfahrenen Menschen die uneingeschränkte Nutzung ihrer ePA ermöglicht werden. Dazu zählen mehr als 20 Prozent der über 65-Jährigen. Außerdem ist es fahrlässig, dass bestimmte Patientengruppen wie etwa psychisch erkrankte Patienten keine höhere Datenschutzstufe haben.

Auch ist das Verbergen von Informationen für einzelne Leistungserbringer nun nicht mehr möglich. So erhält auch ein Orthopäde Einblick, dass der Patient in jahrelanger psychotherapeutischer Behandlung ist, selbst wenn der Patient diese Information nur für neurologische Fachärzte zur Verfügung stellen will. Wird diese Auskunft aber für den Orthopäden gesperrt, wird sie für alle Ärzte geblockt. Will der Versicherte jedoch den Orthopäden von einem bestimmten Dokument ausschließen, bleibt nur die Möglichkeit, diesem Facharzt den kompletten Zugriff zu verweigern. Damit hätte der Orthopäde auch keine Chance, für ihn relevante Ergebnisse anderer Fachärzte einzusehen.

Für Versicherte wird die Steuerung ihrer Daten somit zu einer Herausforderung. Die Gefahr ist groß, dass so die gesamte Gesundheitswirtschaft den kompletten Zugriff auf die eigenen Gesundheitsdaten erhält. Grundsätzlich können Leistungsanbieter 90 Tage darauf zugreifen. Nur bei Rettungssanitätern und Werksärzten ist das auf drei Tage begrenzt. Auch die Apotheken haben Einsicht in die kompletten Krankendaten. Doch nicht jeder Patient möchte den Suizidversuch vom Beschäftigten in der Apotheke gelesen wissen. Es wurde die Chance verpasst, echte Differenzierungsmöglichkeiten zu etablieren.

Ein Problem bleibt die Datensicherheit. Die sensiblen Daten dürfen nicht leichtfertig in falsche Hände geraten. Die neue Bundesregierung ist daher aufgefordert, die ePA so lange zu stoppen, bis Differenzierungsmöglichkeiten sichergestellt und weitere Schwachstellen behoben sind.

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Personalaudioinformationstext:   Boris Augurzky ist Gesundheitsökonom und Vorsitzender der Rhön-Stiftung, die Forschung in der Gesundheitswirtschaft fördert.

Eugen Brysch ist Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.
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Ist die elektronische Patientenakte in ihrer jetzigen Form hilfreich?

Die elektronische Patientenakte gilt nun bundesweit. Ist das begrüßenswert?
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Robert Tremmel 20.06.2025:
Zwei Dinge machen mich misstrauisch gegenüber der elektronischen Patientenakte (ePA): erstens, dass man sie verpasst bekommt, sofern man sich nicht ausdrücklich wehrt – was viele überfordert. Die Krankenkassen klären nicht wirklich auf, sondern bejubeln nur angebliche Vorteile. Zweitens die Fixierung aufs Smartphone: Zugriffsrechte lassen sich nur per »App« einrichten. Es sieht also ganz danach aus, als sei gar nicht gewollt, dass die Bürger ihre Rechte rund um die elektronische Patientenakte wahrnehmen. Schwer zu glauben, dass es hier um das Wohl des Einzelnen gehen soll und nicht um den Profit einer Medizinindustrie.

Sylvio Engert 20.06.2025:
Die elektronische Patientenakte ist absolut notwendig! Ich war dieses Jahr zweimal in der Notaufnahme und habe fast alle Fachärzte durch. Jeder nimmt die Berichte in Papierform, scannt alles ein. Untersuchungsergebnisse bekommt man vielleicht telefonisch mitgeteilt – aber sicher ist das nicht. Als Patient braucht man einfach Zugriff auf die Daten, damit man prüfen kann, dass zu jeder Analyse auch ein Ergebnis vorliegt! Mit der Datenaufnahme in die elektronische Patientenakte muss endlich begonnen werden. Das Argument, für Alte hätte das keinen Mehrwert, wird noch Jahrhunderte zutreffen – Alte können doch kein genereller Ablehnungsgrund sein.

Friederike Leuthe 20.06.2025:
Grundsätzlich finde ich die elektronische Patientenakte sinnvoll. Was mich wenig zufriedenstellt, sind die Möglichkeiten für Betreuer und Bevollmächtigte, an die wichtigen Daten der Betreuten über die Patientenakte zu kommen. Zudem frage ich mich, wie Seniorenheime an die relevanten Daten aus Arztbriefen und Medikamentenplänen kommen werden. Das wird weiter in Papierform gehen. Leider ist das nur bedingt sinnvoll, da genau dort viele zum Wohle einer Person zusammenarbeiten müssen. Ich würde mir gerade da die Patientenakte und gute Zugangsmöglichkeiten wünschen.

Friederike Leuthe  25.05.2025, 19:57 Uhr:
Grundsätzlich finde ich die Patientenakte sinnvoll.
Was mich wenig zufrieden stellt sind die Möglichkeiten für Betreuer und Bevollmächtigte an die wichtigen Daten der Betreuten über die Patientenakte zh kommen. Zu dem Frage ich mich wie Seniorenheime an die relevanten Daten aus Arztbriefen und Medikamentenplänen kommen. Das wird weiter in Papierform gehen. Leider ist das nur sehr bedingt sinnvoll, da genau dort viele zum Wohle einer Person zusammenarbeiten müssen. Ich würde mir da die Patientenakte und gute Zugangsmöglichkeiten wünschen.

Peter Heim 23.05.2025, 19:51 Uhr:
Ich denke, dass je älter ein Patient wird, desto hilfreicher ist die ePA. Außerdem ist die Kompetenz der Patienten unterschiedlich.
Bei jüngeren könnte die Medikamentenunverträglichkeit eine wichtige Information sein. Jede kann den Zugang zu seinen Daten regulieren: Meine Zahnarzt oder Augenarzt muss nicht alles wissen.Auf jeden Fall muss ich als Patient ohne großen Aufwand und Kosten wissen können, was gespeichert ist. Auf keinen Fall dürfen die Daten Pharmakonzernen etc. personalisiert zur Verfügung gestellt werden. Und wenn anonymisiert, dann nur zu einem hohen Preis, der der Allgemeinheit zugute kommen sollte.

Robert Tremmel 23.05.2025, 15:52 Uhr:
Zwei Dinge machen mich misstrauisch gegen die ePA:
Erstens, dass man sie verpasst kriegt, sofern man sich nicht ausdrücklich wehrt – was viele überfordert. Die Krankenkassen klären nicht wirklich auf, sondern bejubeln nur angebliche Vorteile. Zugleich verkomplizieren sie oft den Widerspruch, indem sie ihn nur per Internet anbieten.
Zweitens die Fixierung aufs Smartphone: Zugriffsrechte lassen sich nur per „Äpp“ einrichten. Ein winziges Display ist zum Verwalten von Daten aber völlig ungeeignet. Eine Spezialsoftware zum Zugang vom PC aus soll zwar mal kommen, aber man müsste eigens dafür ein Kartenlesegerät anschaffen.
Es sieht also ganz danach aus, als würde gar nicht gewollt, dass die Bürger ihre Rechte rund um die ePA wahrnehmen. Schwer zu glauben, dass es hier um das Wohl des Einzelnen gehen soll und nicht um den Profit einer Medizin-Industrie.

Sylvio Engert 22.05.2025, 10:25 Uhr:
Die ePA ist absolut notwendig! Ich war dieses Jahr 2 Mal in der Notaufnahme und habe fast alle Fachärzte durch. Jeder nimmt die Berichte in Papierform, scannt alles ein... Untersuchungsergebnisse bekommt man vielleicht telefonisch mitgeteilt - aber sicher ist das nicht.
Als Patient braucht man einfach Zugriff auf die Daten, damit man prüfen kann das zu jeder Analyse auch ein Ergebnis vorliegt!
Mit der Datenaufnahme in die ePA muss endlich begonnen werden. Das Argument, für Alte hätte das keinen Mehrwehrt, wird noch Jahrhunderte zutreffen - Alte können doch kein genereller Ablehnungsgrund sein.
Und Verbesserung bezüglich Datensicherheit und Sichtbarkeitsauswahl ergeben sich im laufenden Betrieb. Vorher ist alles nur teure theoretische Spekulation.

Christof Bretscher 17.05.2025, 09:01 Uhr:
Die ePa ist ein Entwicklungsvorgang und lange nicht „nützlich“ in der ärztlichen Praxis und Klinik. Erst wenn sie möglichst alle Behandlungsdaten und darüberhinaus relevanten Daten zum Versicherten enthält. Nicht alle Erkrankungen werden ja ärztlich behandelt, Anamnesen sind unerlässlich. Dennoch ist eine ePa sinnvoll. Es wird viele Jahre dauern zum praktischen Nutzen. Aber wenn alle Daten zur Verfügung stehen, wird die Menge unüberschaubar. Eine fortgeschriebene Inhaltsanzeige als Übersicht ist unerlässlich. Das gesamte Projekt ist für die Versicherten schlecht vorbereitet: der Zugang zur ePa und ihre Verwaltung ist von den KK lediglich für Smartphones konzipiert. Das ist ungenügend, denn relevante Daten sind am Computer oder im Datenspeicher. Und für eine erhebliche Anzahl an Versicherten ist dieses Kleinformat unbrauchbar. Die Übermittlung von aktuellen Labordaten aus der Praxis zum Versicherten geht eh einfacher mit sicheren Mails oder Abruf übers Netz.

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