PRO UND CONTRA
Ist die Ampel gut fürs Klima?
Claudia Kemfert:
Ja, das ist sie!
Aber nur, wenn die angekündigten Maßnahmen beherzt umgesetzt und verschärft werden. Der Koalitionsvertrag ist klimapolitisch progressiver zu bewerten als alle Pläne vorangegangener Bundesregierungen. Gegenüber den Vorgängerregierungen kann man von einer Zäsur sprechen. Der Koalitionsvertrag hat durchaus das Potenzial, Deutschland für das Erreichen der im Klimaschutzgesetz formulierten Ziele fit zu machen.
Für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels müsste die Bundesregierung in der Klimapolitik allerdings mithilfe eines festen CO2-Budgets planen, wie bereits vom Bundesverfassungsgericht angemahnt wurde. Das Ausbautempo der erneuerbaren Energien müsste stärker anziehen, damit die Erneuerbaren im Jahr 2030 ein Niveau von rund 95 Prozent erreichen. In allen Bundesländern müssten jeweils zwei Prozent der Fläche für Windenergie ausgewiesen und pauschale Abstandsregeln abgeschafft werden, außerdem müssten Genehmigungsverfahren beschleunigt und finanzielle Beteiligungen erweitert werden. Auch im Verkehrssektor verpasst es der Koalitionsvertrag, eine deutliche Verschärfung der CO2-Grenzwerte, ein Tempolimit und die konsequente Abschaffung umweltschädlicher Subventionen festzuschreiben. Noch spärlicher vertreten sind konkrete Umsetzungsvorhaben im Gebäudesektor.
Die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP festgelegte Klimapolitik ist das ambitionierteste Klimaschutzprogramm, das jemals eine Bundesregierung vorgelegt hat. Jetzt ist es an der neuen Bundesregierung, im angekündigten Klimaschutz-Sofortprogramm dafür zu sorgen, dass die vage formulierten Stellen des Koalitionsvertrags konkretisiert werden und Deutschland in den nächsten vier Jahren auf den Pfad zur Klimaneutralität gebracht wird.
Volker Quaschning:
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Leider nein!
Auf die Klimakanzlerin folgt der Klimakanzler, lauteten die Wahlkampfbotschaften. Doch die Klimaschutzbilanz Deutschlands ist ernüchternd. Rund die Hälfte des erreichten Rückgangs der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 gehen auf wirtschaftliche Zusammenbrüche nach der Wiedervereinigung und die Corona-Krise zurück. Die realen Einsparungen liegen im Mittel bei unter einem Prozent pro Jahr. Mit dem aktuellen Klimaschutztempo braucht Deutschland noch gut hundert Jahre bis zur Klimaneutralität. Willkommen in der Heißzeit.
Die Ampel will nun alles besser machen. Der Koalitionsvertrag enthält durchaus spürbare Verbesserungen beim Klimaschutz. Häuser sollen besser gedämmt, Heizungen klimafreundlicher und der Ausbau erneuerbarer Energien erheblich beschleunigt werden. Die Koalition verspricht sogar, Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Doch was auf dem Papier gut klingt, reicht für den Klimaschutz nicht aus. Um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, müssten wir schon im Jahr 2030 klimaneutral werden. Mit den versprochenen Maßnahmen im Koalitionsvertrag steht selbst die für das Jahr 2045 angekündigte Klimaneutralität infrage. Die dringend benötigte Verkehrswende findet erst gar nicht statt. Wird nicht bald kräftig nachgeschärft, dürfte Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen verfehlen. Die Ampelparteien sind beim Klimaschutz in die selbst gestellte Falle getappt. Sie haben im Wahlkampf ambitionierten Klimaschutz versprochen, ohne dass wir viel dafür ändern müssen. Für wirksamen Klimaschutz müssen wir aber überall unsere Lebensstile anpassen. Die Diskussion darüber wurde bislang versäumt und muss jetzt dringend nachgeholt werden. Mit der Ampel wird beim Klimaschutz einiges besser. Gut wird es dadurch aber noch lange nicht.
Claudia Kemfertleitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und ist Professorin für Energiewirtschaft an der Universität Lüneburg.
Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Mitinitiator von Scientists for Future.
Eberhard Wegner 25.12.2021, 18:41 Uhr:
Nein. Nach Stand der Technik heute ist Klimaneutralität unmöglich. Aufforstung wirkt nur mit riesigen Kohlenstoff-Endlagern.
Klaus Pfennigwerth 20.12.2021, 16:28 Uhr:
Jegliche Beteiligung von Wirtschaftsliberalität an einer Regierung ist dem Ziel des Klimaschutzes entgegengesetzt. Es wird negiert das die Illusion von ständigem Wachstum die Ressourcen unserer Erde verbraucht (hat). Wir sogenannten zivilisierten Menschen haben es geschafft innerhalb von gut zwei Jahrhunderten Ressourcen zu verballern die die Erde in Millionen, wenn nicht Milliarden von Jahren angespart hat. Das Ergebnis sehen wir im Klimawandel. In meinen Augen hilft nur eine radikale Abkehr von der Wachstumsideologie und Schonung der Ressourcen. Wir sind Verbraucher (Verschwender), sollten aber nur Entnehmer sein, die sich am nötigsten orientieren. Leitgedanke: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Dem steht aber die Individualität des Menschen verbunden mit seinem kruden Rechtsverständnis entgegen. Jedem Recht getan ist eine Kunst die keiner kann, wird leider vergessen.
Klaus Pfennigwerth
PS: Auch ich verstoße gegen meinen oben genannten Leitgedanken, vergesse ihn aber nicht.