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Pro und Contra
Gehören Zoos abgeschafft?

Im Nürnberger Zoo wurden zwölf gesunde Paviane erschossen – aus Platzmangel. Ist es nicht an der Zeit,die Zurschaustellung exotischer Tiere zu beenden?
vom 05.08.2025
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Über den Kopf gewachsen: Der Nürnberger Zoo ließ Paviane töten, weil es dort zu viele gab (Foto: IMAGO/Harald Deubert)
Über den Kopf gewachsen: Der Nürnberger Zoo ließ Paviane töten, weil es dort zu viele gab (Foto: IMAGO/Harald Deubert)

Anne Strotmann: Ja!

(Foto: Ute Victor)Zoos müssen heute einiges für ihr Image tun und geben sich Mühe. Die Gehege werden größer, das Wohl der Tiere wird wichtiger, Zoos werben mit Artenschutz und Bildung.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 15/2025 vom 08.08.2025, Seite 8
Geschafft?
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Doch was als Artenschutz präsentiert wird, bedeutet großes Leid für die betroffenen Tiere. Zur Zucht werden sie zwischen Zoos transportiert, ihre Nachkommen sind nicht selten krank oder die Eltern können nicht für sie sorgen. Überschüssige Tiere werden entsorgt. Die Tötung der gesunden Paviane im Nürnberger Zoo hat den Irrsinn dieser Politik gezeigt. Das Gehege war zu klein geworden. Der Zoo hätte die Tiere kastrieren können, doch auch dieser Eingriff hätte negative Konsequenzen aufs Sozialgefüge gehabt. Außerdem will der Zoo die Tiere ja grundsätzlich weiter züchten.

Einen ähnlichen Fall gab es kürzlich im Kölner Zoo: Dort wurden zwei Löwenjunge von der Mutter nicht angenommen, weil diese noch an ihren Kindern aus dem vorigen Wurf hing. Verhütung birgt für den Zoo allerdings das Risiko, dass Löwinnen länger unfruchtbar bleiben als geplant. Aufzucht mit der Flasche? Geht nicht: Die Prägung auf Menschen würde die Kinder wertlos für die Zucht machen. Auch die Löwenbabys wurden getötet.

Fragte man die Tiere, würden sie wohl dafür stimmen, dass ihre natürliche Umwelt erhalten bliebe, anstatt dass sie den Preis dafür zahlen, dass der Mensch ihre Art erhalten will. Der irre finanzielle Aufwand, mit dem versucht wird, Tieren hinter Gittern ein beschauliches Leben zu ermöglichen, wäre besser eingesetzt, wenn er auf Schutzprojekte verwendet würde. Darauf verwenden Zoos aber nur einen Bruchteil ihrer Einnahmen – und werden selbst subventioniert.

Zoos versuchen den unmöglichen Spagat, einerseits den Tieren genügend Raum und Rückzug zu bieten – und andererseits die Zoobesucher nicht zu vergraulen, die Tiere sehen wollen. Oft wird das als Bildung verkauft: Kinder und Erwachsene würden etwas über Tiere lernen und dazu motiviert, deren Lebensräume zu schützen. Studien zufolge ist der Effekt jedoch nur von kurzer Dauer. Kinder lernen im Zoo kaum etwas darüber, wie Tiere sich wirklich verhalten. Da eignen sich Dokumentationen, Bücher und Besuche von Lebenshöfen besser. Was Kinder in Zoos lernen ist, Tiere hinter Gittern zur Unterhaltung zu konsumieren.

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Gottes Schöpfung, nach unserem Willen in ein paar Hektar eingehegt? Der Zoo ist ein Überbleibsel kolonialer Fantasien, die uns das Gefühl geben, als Herren der Welt über unsere Mitgeschöpfe verfügen zu können. Es wird Zeit, sich davon zu verabschieden.

Matthias Drobinski: Nein!

(Foto: Ute Victor)Ich erinnere mich gut, wie meine Kinder und ich im Münchner Tierpark Hellabrunn standen und hinüberschauten zu diesen seltsamen Pferden, klein, stämmig, struppig, mit Bürstenmähne. Die Przewalski-Pferde wären ohne die Zucht im Tierpark Hellabrunn heute ausgestorben. So, wie es ohne Zoos das Wisent nicht mehr gäbe. Oder das Goldene Löwenäffchen. Und viele andere Arten. Was meine Kinder damals dachten, weiß ich nicht. Mir jedenfalls war der Gedanke, dass wir die verdammte Pflicht haben, die Welt auch um der Tiere willen zu erhalten, näher, als wenn ich ein Buch gelesen oder einen Tierfilm geschaut hätte – auf Safari gehen möchte ich sowieso nicht.

Nein, die Artenschutzprogramme der Zoos stoppen das Artensterben nicht. Und ja, es wäre gut, wenn die Tiere in ihren natürlichen Räumen leben könnten. Aber kommt das Paradies zurück, in dem Mensch und Tier in Frieden leben, wenn die Zoos schließen und ihre Tiere verkaufen, töten, nach und nach sterben lassen? Ist das ein Grund, die Zuchterfolge zu verachten? Zoos sind ein Sinnbild für das ambivalente Verhältnis von Mensch und Tier. Doch die Ambivalenz verschwindet nicht, wenn die Zoos verschwinden.

Die getöteten Affen in Nürnberg, der verhaltensgestörte und früh gestorbene Eisbär Knut im Berliner Zoo, sie und viele andere Tiere stehen für das, was immer noch falsch läuft in vielen Zoos, in denen Tiere und vor allem Tierbabys als Ausstellungsstücke und Publikumsmagneten herhalten müssen, als Profitcenter ihrer selbst. Dieses Denken muss enden, so schwer das mancher Zoodirektion fallen mag. Sonst bleiben die Bekenntnisse zu Artenschutz und Umweltpädagogik Fassade. Aber viele Zoos denken um und arbeiten mit Tierschutzorganisationen wie dem WWF zusammen. Der Zoo der Zukunft sollte keine Eisbären, Tiger, Elefanten mehr zeigen, die in keinem noch so weitläufigen Gehege artgerecht leben können. Die Menschen sollen leise Gäste sein, die aushalten müssen, dass Tiere Verstecke haben und auch in ihnen bleiben. So kann, so darf es ihn geben, den Zoo der Zukunft.

Wünschen sich Tiere Freiheit? Vielleicht ist dies das größte Missverständnis der Zoo-Gegner, dass abends, wenn die letzten Menschen gegangen sind, ein großer Schrei nach Freiheit aus den Gehegen steigt. Das aber vermenschlicht die Tiere und wird ihnen nicht gerecht. Sie sollen ihrer Art gemäß leben können, das ist Verantwortung und Aufgabe der Menschen, denen sie anvertraut sind. Und das ist möglich. Wobei ich mich manchmal doch frage, ob die Affen angesichts der Menschen vor ihrem Gehege sich nicht zuflüstern: Gut, dass die alle hinter Gittern sind.

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Personalaudioinformationstext:   Anne Strotmann ist Redakteurin bei Publik-Forum. Sie leitet das Ressort Leben & Kultur.

Matthias Drobinski ist Chefredakteur vonPublik-Forum.
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