Pro und Contra
Verbrennungsmotor nur bis 2035?

Andreas Knie:
Ja, er ist überholt!
Von Oscar Wilde ist der Satz überliefert: »Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.« Dies lässt sich wunderbar auf Aufstieg und Fall des Verbrennungsmotors übertragen. Ende des 19. Jahrhunderts, als die Pioniere Nicolaus Otto, Rudolf Diesel und viele andere Tüftler die Pferdekutschen zu Automobilen verwandelten, stellte dies einen Meilenstein in der Kulturgeschichte der Menschheit dar. Herrschaft über Raum und Zeit, losgelöst von den Restriktionen der Schienenstränge und Fahrpläne, unabhängig von menschlicher oder tierischer Kraft, katapultierte der Verbrennungsmotor die Welt in eine neue Freiheit. Was viele Jahre nur den Schönen und Reichen vorbehalten war, entwickelte sich seit den 1950er-Jahren zu einer weltweiten Massenmotorisierung.
Aber die Folgen dieser fossilen Energiebasis für Mensch und Umwelt sind verheerend: Der Preis der Freiheit ist eine hohe CO2-Emission, die mittlerweile den Löwenanteil der Klimakrise ausmacht, sowie eine hohe Konzentration von Schadstoffen. Die Idee hat ihre Macht verloren, die Zeit für den Verbrennungsmotor ist abgelaufen. Technologisch kann man den Motor nur noch verschlimmbessern, seine Funktionsprinzipien bleiben Kinder ihrer Zeit, er bleibt dreckig und Öl die Ursache für politische Destabilisierung, Kriege und Flucht. Der Klang eines V8-Motors, das Röhren der Maschinen, das war viele Jahre der Ausweis einer modernen Technik. Heute wirken sie wie Relikte einer untergegangenen Epoche. Die Zukunft fährt elektrisch, leise, mit starker Kraft und hoher Energieeffizienz, angetrieben mit der Kraft von Wind und Sonne. Elektrische Motoren tragen die Insignien der neuen Zeit, die Idee der Elektromobilität ist daher sehr mächtig, weil ihre Zeit jetzt gekommen ist. Ein Verbot für Verbrennungsmotoren ist daher seit Jahren überfällig.
Martin Härtl:
Nein, er soll bleiben!
Die Erreichung der Klimaziele hat Priorität, und der Weg dorthin führt über die global drastisch verminderte Nutzung von fossilen Rohstoffen. Diese enthalten Kohlenstoff, der bei der Verbrennung in Kraftwerken oder Fahrzeugen als CO2 in die Atmosphäre gelangt und den Klimawandel antreibt. Das spricht aber nicht generell gegen den Verbrennungsmotor, sondern gegen fossile Brennstoffe.
Der in Deutschland verbrauchte Strom war 2020 bereits zu über 45 Prozent erneuerbar. Der Stromsektor macht jedoch nur rund 20 Prozent des Energieverbrauchs aus, sodass noch immer mehr als 83 Prozent unserer Primärenergie aus fossilen Quellen stammen und weiter CO2 freisetzen. Klar ist: Wer CO2 vermeiden will, muss Energie einsparen. Sogar wer ein Elektrofahrzeug mit der heimischen Solaranlage auflädt, reduziert letztlich nur die Einspeisung von grünem Strom in das Stromnetz und erreicht, dass eben diese Strommenge von einem Kohle- oder Gaskraftwerk zusätzlich produziert werden muss. Um bis 2045 klimaneutral zu werden, ist es erforderlich, den gesamten Strom CO2-neutral zu erzeugen und die Kapazität im Stromsektor noch massiv auszubauen. Auch sonnen- und windreiche Regionen im Ausland sollten dann genutzt werden, da der Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland schon heute an seine Grenzen stößt.
Elektrische Energie lässt sich in Form synthetischer Kraftstoffe speichern, um Schwankungen zu überbrücken und fossile Energieträger im weltweiten Handel zu ersetzen. E-Wasserstoff, E-Kerosin, E-Methan oder E-Methanol sind Beispiele für solche nachhaltigen Energieträger, mit denen auch Verbrennungsmotoren klimaneutral laufen. Brauchen wir noch Verbrenner nach 2035? Wenn möglichst rasch ein angemessener CO2-Preis eingeführt wird, wird diese Frage von ganz alleine entschieden, und es setzt sich der klimafreundlichste Technologiemix durch – das ist effektiver als Subventionen oder Verbote.
Verbrennungsmotor nur bis 2035?
Andreas Knie,
geboren 1960, ist
Professor am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin und an der TU Berlin.
Martin Härtl,
geboren 1984, ist Oberingenieur am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der TU München. Er forscht an emissionsneutralen Kraftstoffen.
Verbrennungsmotor nur bis 2035?
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Außerdem wird man für bestimmte Anwendungen auch nach 2035 immer noch Verbrennungsmotoren benötigen. Beispiel: Planierraupen, Krane und Bergepanzer im Ahrtal bei ausgefallenem Stromnetz.
Mit der Fragestellung wird am eigentlichen Thema der fossilen Brennstoffe vorbeidiskutiert. Martin Härtel weißt zu Recht darauf hin, dass nicht der Verbrennungsmotor das Problem ist, sondern der verwendete Treibstoff! Eine einseitige Ausrichtung auf Elektroantriebe würde eine Überforderung der Umsetzungsmöglichkeiten nach sich ziehen. Ich persönlich würde vor allem eine verstärkte Forschung und technische Umsetzung in Richtung von Wasserstoff-Motoren bevorzugen.
Meine These: In der Wüste a la (beerdigtem) Desertec-Gedanken Energiegewinnung mit Öl in Glasröhren im Brennpunkt von Lichtsammelrinnen (Verfahren wurde einmal in der Tageszeitung geschildert; ist Ressourcen-schonender als Photovoltaik), Wirkungsgrad zunächst völlig irrelevant. Mit dieser gewonnenen Energie Hydrolyse. Der gewonnene Wasserstoff ließe sich evtl. polymerisieren (zu Butan, Propan; auch nur einmalig gelesen) und als komprimiertes Gas viel unproblematischer transportieren und speichern.
Alexander Ulbrich
Der Wirkungsgrad von Elektromotoren (ca 90 % mechanisch nutzbare Energie und 10 % Wärme ist ungleich höher als der von Verbrennungskraftmaschinen (ca 30 % mechanisch nutzbare Energie und 70 % Wärme).
großer Anteil unserer elektrischen Grundlast- und Spitzenenergie stammt aus Gas, Kohle oder Öl. Bei den Argumenten gegen den Verbrennermotor vermisse ich klare Zahlen und Fakten über die Mengen der erneuerbaren Stromerzeugung und die daraus entstehenden Lücken, die durch "schmutzigen" Strom geschlossen werden müssen, damit auch das Netz stabil bleibt (Blackout verhindern).
Fazit: Der zu tankende Strom wird weiterhin ein Mixstrom sein und wir haben zu wenig Strom, um den Verkehr mit elektrischer Energie zu betreiben. Altmeier plant Spitzenglättung. Und für die nächsten Jahre kann ich mir nicht vorstellen,dass die Blaulichtfahrzeuge im Winter und bei Hochwasser elektrisch betrieben werden.