Pro und Contra
Schule im Regelbetrieb starten?

Ja, es braucht den Sozialraum Schule!
Auch wenn unsere Schulen, unsere Lehrkräfte, unsere Schülerinnen und Schüler und ihre Familien den Fernunterricht während der Schulschließungen mehrheitlich wirklich gut gemeistert haben, so sind wir uns doch auch alle grundsätzlich einig: Unsere Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf Bildung und dieses lässt sich am besten in der Schule verwirklichen.
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Kinder und Jugendliche brauchen den Sozialraum Schule. Sie brauchen ihre Freunde, den unmittelbaren Austausch mit ihren Lehrkräften, das Miteinander. Es ist deshalb unsere Aufgabe als Bildungsministerinnen und Bildungsminister der Länder, unseren Schülerinnen und Schülern die Wahrung ihres Rechts auf Bildung auch zu ermöglichen.
Gleichzeitig haben wir natürlich den Gesundheitsschutz immer im Blick, und so bereiten sich alle Länder in Abstimmung mit Gesundheitsexperten auch auf zwei weitere Szenarien vor – je nach Entwicklung des Infektionsgeschehens. Dazu gehören der Wechsel von Präsenz- und Fernunterricht oder aber auch wieder lokale oder regionale Schulschließungen. Und wir statten die Schülerinnen und Schüler, die es benötigen, digital aus. Die Frage der digitalen Ausstattung darf nicht zu einer Frage von Bildungsgerechtigkeit werden.
Jetzt geht es aber in erster Linie darum, den Regelbetrieb gut vorzubereiten. Das Schuljahr 2020/2021 wird allerdings noch immer anders sein, als Schüler, Eltern und Lehrer das gewohnt sind. Es wird weiterhin Hygieneregeln geben, es wird Einschränkungen geben, und es gilt die Maxime »Ich schütze dich und du schützt mich«. Das alles machen wir, damit das System Schule funktionieren kann. Damit Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Lehrkräften in den Schulen lernen können.
Nein, das ist viel zu riskant!
Die Kultusministerkonferenz hat für den Schulunterricht nach den Sommerferien ein Konzept vorgelegt, das von der Unterrichtung vollständiger Klassen ohne Einhaltung des Mindestabstands ausgeht. Lüften und Händewaschen allein sind jedoch keine tragfähige Grundlage zur gefahrlosen Öffnung der Schulen.
So gibt es in der Praxis zumindest in den weiterführenden Schulen keine konstanten Lerngruppen ohne Außenkontakte, sei es im Wahlpflichtunterricht, im Religions- und Ethikunterricht, in der Oberstufe und in den Ganztagsangeboten bei schulischen Veranstaltungen, in den Pausen oder auf dem Schulweg. Und wie sollen die Fächer Musik und Sport unterrichtet werden? Die aufgeführten Hygienemaßnahmen kollidieren in der Realität oft mit unzureichenden Lüftungsmöglichkeiten und dem beklagenswerten Zustand der Toilettenanlagen.
Die Kultusminister müssen deshalb rasch einen realistischen Plan B vorlegen, der einen geregelten Schulbetrieb unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Risiken für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte ermöglicht.
Statt auf volle Klassen zu setzen, müssen deshalb möglichst rasch die Bedingungen für eine optimale Kombination von Präsenzlernen und strukturiertem angeleitetem Lernen auf Distanz geschaffen werden. Klassen sollten zudem in feste Lerngruppen mit versetztem Unterricht aufgeteilt werden. Die schon seit Langem bestehenden Defizite bei der Schulsanierung, der ausreichenden Versorgung mit Lehrkräften und der Digitalausstattung der Schulen sowie der Schülerinnen, Schüler und der Lehrkräfte müssen sofort angegangen werden. So kann ein strukturierter Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler auch ohne Rückkehr zum Präsenzunterricht im vollständigen Klassenverband ermöglicht werden.
Schule im Regelbetrieb starten?
Stefanie Hubig ist Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz (SPD) und Präsidentin
der Kultusministerkonferenz
Birgit Koch ist Landesvorsitzende der GEW Hessen und Gymnasiallehrerin für Deutsch und evangelische Religion
Schule nach den Sommerferien im Regelbetrieb starten?
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Daher finde ich Schule ohne Abstandsregeln zu riskant.