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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 7/2020
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft
Religion & Kirchen

Pro und Contra
Ostergottesdienste ohne Gemeinde?

vom 07.04.2020
Viele Kirchen sind geschlossen, Gottesdienste dürfen derzeit nicht stattfinden. Manche Pfarrer halten sie nun für ihre Gemeinde per Livestream. Das ist umstritten: Ist es tröstlich, wenn Gottesdienste an Ostern von Pfarrern und Priestern allein, ohne Gemeinde gefeiert werden?
Messe oder Wortgottesdienst ohne Gemeinde? (Foto: epd/Zöllner)
Messe oder Wortgottesdienst ohne Gemeinde? (Foto: epd/Zöllner)

Winfried Haunerland:

Ja, das ist legitim!

Liturgie ist ein zeichenhaftes Geschehen. Daher muss auch mit den Sinnen erfahrbar sein, dass die Feier der Liturgie eine Feier der Kirche ist, zu der alle Getauften gehören. Deshalb ist die Feier der Liturgie in Gemeinschaft der vom Einzelnen allein vollzogenen vorzuziehen, wie es in der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Liturgie heißt. Da allerdings derzeit nicht alle, die wollen, an den Ostergottesdiensten teilnehmen können, ist es gut, dass es – etwa in Klöstern – Gemeinschaften gibt, die miteinander und zugleich stellvertretend für viele feiern.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 07/2020 vom 10.04.2020, Seite 8
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Wenn in der außergewöhnlichen Situation, in der wir gerade leben, Priester auch am Gründonnerstag und am Osterfest allein die Messe feiern, dann darf dies nicht ein Akt individualistischer Frömmigkeit sein. Aber sie können stellvertretend das tun, was eigentlich alle Getauften miteinander feiern sollen, jetzt aber nur wenigen möglich ist. Natürlich soll das ganze Volk Gottes in der Messfeier sichtbar werden. Aber wir feiern nicht Eucharistie, um die Kirche darzustellen, sondern um den Auftrag Christi zu erfüllen: »Tut dies zu meinem Gedächtnis.« (1. Korintherbrief 11,24) Dieser Auftrag zählt, auch wenn er nur von Einzelnen erfüllt werden kann, denn so bleibt die sakramentale Mitte der Kirche lebendig. In ähnlicher Weise verpflichtet die katholische Kirche die Kleriker »mit dem Stundengebet, damit diese Aufgabe der ganzen Gemeinschaft wenigstens durch sie sicher und beständig erfüllt wird« (Allgemeine Einführung in das Stundengebet) – und das vielfach auch allein.

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Problematischer ist, wenn Gottesdienste, die nur in dieser eingeschränkten Form gefeiert werden, medial verbreitet werden. Gute Fernsehgottesdienste, an denen zumindest wenige liturgische Dienste mitwirken, lassen sinnenfälliger erfahren, dass nicht einzelnen, sondern allen Getauften aufgetragen ist, Tod und Auferstehung des Herrn zu feiern.

Maria Hagenschneider:

Nein, das ist zynisch!

Ich finde es schlimm, Mahlfeiern anzusehen, an denen Menschen nicht teilnehmen dürfen. Ich weiß, dass für manche Menschen der sonntägliche Fernsehgottesdienst eine Notlösung ist, wenn sie nicht in die Kirche gehen können – aber das geht auch ohne Eucharistie. Ich fühle mich im Stich gelassen, wenn Gottesdienste als Ein-Mann-Shows aus Kirchen gestreamt werden und der Priester in Personalunion als Geweihter und Volk Gottes allein feiern kann – oder Techniker als antwortende Gemeinde gelten und vielleicht auch ein oder zwei Hauptamtliche dabei sind. Die Priester, die mit mir geschwisterlich verbunden hungern könnten, werden zu »Liturgen alter Ordnung«. Die Eucharistie ist so nicht mehr Mahlfeier, sie gewinnt den alten »Opfercharakter« zurück. Ich lerne: Wenn die Gemeinde nicht da ist, geht es ohne sie, während der Priester unverzichtbar ist. Statt an den Ostertagen diese reale Fasten- und Passionszeit zu begehen und auf die österliche Liturgie zu verzichten, die nun wirklich mehr noch als jede andere Liturgie auf das Volk angewiesen ist, spielen Priester das eigentlich »Heilige Spiel« – an Orten, die ich nicht betreten darf. Für uns tun sie es, heißt es. Nein! Sie verlassen ihren solidarischen Ort, der bei den Menschen ist, und gehen in die Tempel, um Mittler zwischen Gott und den Menschen zu sein. Ich liebe die österliche Liturgie. Die große Tafel am Gründonnerstag. Die Auferstehungsfeiern. Sie »gehören« auch mir. Ich bin enttäuscht. Stück für Stück verabschiede ich mich aus meiner Kirche. Das zu erkennen gehört zu meiner Passionszeit. Es wird trotzdem Ostern werden. Aber ich werde keinen dieser »Geistergottesdienste« anschauen, denn ich bin Leib. Ich hungere weiter! Ich träume davon, wie wir unsere verwaiste Kirche zusammen wieder zum Feierort machen. Ich weiß nicht, ob der Traum ausgeträumt ist, denn es geht ja ohne mich.

Die Umfrage ist vorbei: so haben unsere Leser abgestimmt!

Ostergottesdienste ohne Gemeinde?

Viele Kirchen sind geschlossen, Gottesdienste dürfen derzeit nicht stattfinden. Manche Pfarrer halten sie nun für ihre Gemeinde per Livestream. Das ist umstritten: Ist es tröstlich, wenn Gottesdienste an Ostern von Pfarrern und Priestern allein, ohne Gemeinde gefeiert werden?
91 x Ja, das ist legitim!
52 x Nein, das ist zynisch!
insgesamt abgegebene Stimmen: 143
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Günther Hoffmann 20.04.2020, 16:50 Uhr:
Solo-Zelebrationen sind (seit Jahrhunderten und besonders in der Frühe im Petersdom ) üblich, aber normalerweise nicht mehr sinnvoll. Doch spricht in Not- und Ausnahmefällen, wenn die körperliche Anwesenheit anderer nicht möglich ist, nichts dagegen. Auch im Normalfall gehören die krankheitsbedingt Fehlenden mit dazu - es wäre vielmehr zynisch, das Ja Gottes zu uns und seine Feier von der körperlichen Anwesenheit aller (oder vieler) abhängig zu machen. Und übrigens: Ist es so sinnlos, in Gedanken bei jemandem zu sein, wenn es körperlich nicht möglich ist? Von daher: Verständnis für Hagenschneiders liturgische Verzichts-Schmerzen, ich habe sie auch. Aber es ist schön zu wissen, dass Priester stellvertretend die Eucharistie aufrecht erhalten: Wir sind – wenn auch nicht körperlich - irgendwie dabei und so miteinander verbunden.
Ob und wie man die Eucharistie medial vermitteln kann oder soll, ist eine andere Frage; doch auch da stimme ich Haunerland zu.

Richard Hadas 20.04.2020, 10:20 Uhr:
Ich habe ganz eindeutig mit ja gestimmt, wobei ich dabei aber speziell die im Fernsehen oder Livestream übertragenen Gottesdienste meine. Über Gottesdienste, die ein Priester ganz für sich alleine feiert, habe ich keine dezidierte Meinung, aber auch diese finde ich auf keinen Fall zynisch. Auf die guten, über die Medien übertragenen Gottesdienste zur Osterzeit hätte ich aber auf keinen Fall verzichten wollen. Als besonders gelungen habe ich dabei die Gottesdienste mit Kardinal Schönborn aus dem Stephansdom in Wien empfunden. Ich habe sie auch aktiv mit Antworten und Gesang mitgefeiert und sie haben mir geholfen, dass auch in mir wieder Ostern passieren konnte, die Hoffnung auf den Auferstandenen gerade in dieser schwierigen Zeit. In einem weiteren "Gottesdienst-Fasten", wie es Frau Hagenschneider vorgeschlagen hat, kann ich keinen Sinn erkennen. Das war vielleicht für die Fastenzeit passend, aber jetzt ist Ostern und da halte ich es mit Kohelet: Alles hat seine Zeit.

Helene Tschacher 16.04.2020, 10:27 Uhr:
Zusammenkommen im Kirchenraum ist Ostern 2020 nicht möglich. Ich finde es zynisch von Frau Hagenschneider digitale Möglichkeiten Ostern zu feiern lapidar als „Geistergottesdienste“ abzutun. Mein Hunger hängt nicht an Äusserlichkeiten sondern an der Gewissheit dass geistiges Zusammen sein auch auf anderen Wegen möglich ist. „Der Geist weht wo er will …“ auch über das Internet!

Hans-Wilhelm Ubbelohde 15.04.2020, 18:58 Uhr:
Ich bin evangelisch und kann darum mit der stellvertretenen Liturgie nicht viel anfangen. Wie konnten die Kirchen das Osterfest, den Beginn ihres Glaubens so unterordnen?,Es hätte praktische Möglichkeiten für Gottesdienste in kleinen Zahlen in den Häusern verteilt geben können. Der Priester ist nicht entscheidend, der Glaube und damit das Vertrauen zu dem der Quelle des Lebens ist.
Ich bin traurig und habe wenig Hoffnung, dass das Pfingstfest bei den Kirchen die große Begegnung wird, wenn wir uns bei der Auferstehung so klein machen. Die digitalen Möglichkeiten können darüber nicht hinwegtäuschen.

Joerg.R.Rod 14.04.2020, 19:43 Uhr:
Wie angekreuzt neige ich eher zur Meinung von Fr. Hagenschneider.
Aber: die "Gottesdienste" das ganze Jahr über sind weder echte Gemeinschaften noch Mahl-Feiern - beides ist bis auf abstrakte Reste reduziert. Und um am letzten Satz anzuknüpfen: dass ich schon seit einiger Zeit diese "Abstraktionen" nicht mehr mitmache, interessiert offensichtlich keinen - es "geht also auch ohne mich".

Viviane 14.04.2020, 11:17 Uhr:
Wir haben am Gründonnerstag und Ostersonntag die Gottesdienste aus der Schlosskirche in Lützschena zuhause am Laptop mitgefeiert. Zu Gründonnerstag feierte Pfarrerin Führer das Abendmahl. Während der Abendmahlsliturgie bereiteten wir zuhause unser Abendmahl vor und teilten es uns dann gegenseitig aus. Auch wenn es nur Backoblaten waren - die Abendmahlsgemeinschaft in Brot und Wein innerhalb der Familie im direkten Kontakt und innerhalb der Gemeinde per Lifestream war uns wichtig und hat uns gestärkt. Eine Soloveranstaltung eines einzelnen Pfarrers möchte ich allerdings auch nicht erleben. Wie es gehen kann, macht die Sophienkirchgemeinde in Leipzig vor!

Mabu 13.04.2020, 12:32 Uhr:
Frau Hagenschneider spricht mir aus der Seele. Mit-Leiden (im Sinne von jetzt-nicht-miteinander-feiern-können) könnte das viel stärkere Symbol sein. Gerade weil es uns wichtig ist.
Ich warte noch auf den Priester/Bischof/Kirchenoffiziellen (leider bisher nur Männer), der sich filmen lässt beim "jetzt nicht". Ist halt nicht medienwirksam...
Eigentlich könnten wir einen mehrwöchigen Karsamstag feiern. Der Tag (ist zu Wochen erweitert), an dem keine Liturgie sein kann. Nix neues eigentlich. Aber schon als normaler Karsamstag oft übersehen. Schade.

Arnold Plesse Lunestedt  12.04.2020, 12:13 Uhr:
Die Abstimmung scheint mir nur auf katholische Gottesdienste anhand der beiden Meinungen anwendbar zu sein. Deshalb stimme ich nicht ab. Ich bin kein Freumd von gestreamten örtlichen Gottesdiensten,aber "zynisch" finde ich sie deswegen noch lange nicht. Ich feiere lieber in Corona-Zeiten einen Gottesdienst im Fernsehen mit. Unsere Kirche hat Osterkerzen und gedruckte Predigten an der Kirchentür bereit gelegt. Das finde ich gut.
Ihre Frage ist mir zu sehr verkürzt!!

Parzer, Bonn 10.04.2020, 12:04 Uhr:
Ich unterschreibe mit "Punkt und Komma" die Aussagen von Maria Hagenschneider. Die individualisierten "Privat"-Messen kennzeichnen für mich ein immer noch relevantes vorkonzilares Selbstverständnis von "Kirche" und Gemeindegottesdienst.
Unter Einhaltung der geforderten Schutzbestimmungen gegen Coronar sind - wie inzwischen verschiedene online-Beispiele zeigen - auch Gottesdienstfeiern mit tatsächlich "repräsentem" Volk Gottes möglich. Gefragt ist statt nur eingeschliffener Rituale pastoral/liturgischer Einfallsreichtum.

Doris Wiese-Gutheil 10.04.2020, 08:08 Uhr:
Legitim mögen die gestreamten Gottesdienste ohne Volk sein, aber darum geht es ja nicht. Es geht um Trost in dieser schweren Zeit. Und da wünsche ich mir, dass die Argumente von Maria Hagenschneider ernst genommen werden. Wir alle hungern gerade, dem sollten Priester sich nicht auf diese Weise entziehen. Andererseits spiegeln diese ‚Geistermessen‘ auch die Situation von Kirche heute: echte Männer feiern echte Messen, ganz ohne Volk! Fast wie im richtigen Leben, aber: Chance vertan…

Waldemar Hirsch 09.04.2020, 19:41 Uhr:
Für mich bedeutet Gottesdienst Verkündigung und gemeindliches Erleben. Verkündigung durch biblische Texte und Predigt, Gemeinschaft durch Liturgie, Gesang und Gebet. Ich bin Teil meiner christlichen Gemeinde und nicht Konsument eiens erbaulichen Rituals. Ich begegne im Gottesdienst meinen mit mir lebenden Gemeindegliedern. Diese Gemeinschaft wird in besonderer Weise beim Heiligen Abendmahl erlebt. Das alles kann nicht durch Television und die digitale Kommunikationstechnik des Internets ersetzt werden.

Heinz Burkhardt 09.04.2020, 14:05 Uhr:
Ich bin jetzt 80 Jahre alt geworden und habe den Wandel in der Kirche seit etwa 1958 bewusst miterlebt und mich über die steigende Wertschätzung von uns Laien gefreut. Am Beginn waren wir Subjekte und wurden immer zu Agierenden, Mitverantwortung tragernden Subjekten. Als Ministranten ware es uns gerade mal vergönnt, das Messbuch von der einen auf die andere Seite zu tragen, dann durften wir die Lesung vortragen oder sogar Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung leiten. Und jetzt genügt es wieder, ein Bild von uns an die Bank zu heften, und der Priester feiert allein das Herrenmahl. Mit etwas Zynismus gesagt, diese Feiern kommen mit vor wie das alljährliche "Dinner for One".

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