Pro und Contra
Die Bahncard nur noch digital?
Hans-Joachim Luhm: Ja!
Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Die »digitale Transformation« erlebt mittlerweile jeder hautnah im Alltag. Ob Kontoauszüge, Arzneimittelrezepte oder Termine beim Amt: in vielen Bereichen ist die Nutzung digitaler Services heute selbstverständlich. Ein Flug ohne digitale Bordkarte ist die Ausnahme. Und an der Supermarktkasse wird immer häufiger mit dem Handy gezahlt.
Das merken auch wir bei der Deutschen Bahn. Im Fernverkehr werden mittlerweile rund 85 Prozent aller Tickets digital über bahn.de oder die App DB Navigator gekauft – mit stark steigender Tendenz. Darum bauen wir unsere digitalen Angebote weiter aus. Unsere Website bahn.de und die App DB Navigator haben wir gerade grundlegend überarbeitet und verbessert. Für unsere Reisezentren haben wir ein neues Konzept entwickelt. Wenn die meisten Kundinnen und Kunden ihre Tickets digital buchen, können wir den Fokus dort mehr und mehr auf die persönliche Beratung legen.
Mit der Umstellung der Bahncards gehen wir nun bei der Digitalisierung einen Schritt weiter. Gerade hier hat das digitale Angebot für unsere Reisenden große Vorteile: einmal in der App DB Navigator hochgeladen, ist die digitale Bahncard immer dabei und kann nicht verloren gehen. Vor allem leistet die digitale Bahncard auch einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Allein durch den Verzicht auf die analogen Karten sparen wir 30 Tonnen Plastik pro Jahr ein.
Wir wissen, dass das für einige Menschen eine große Umstellung ist und sie sich Sorgen machen. Was ist, wenn der Akku vom Handy leer ist? Abgesehen davon, dass das in der Praxis kaum häufiger vorkommt als eine zu Hause vergessene Plastikkarte: passiert das tatsächlich, ist das kein Problem. Man kann während der Fahrt mit unserem Bordpersonal und nach der Fahrt mit unserem Kundenservice Kontakt aufnehmen und die Bahncard nachträglich vorlegen. Allen, die noch Berührungsängste mit Apps haben, können wir nur empfehlen: einfach mal ausprobieren! Und unsere Beratungsangebote nutzen. Bei Fragen rund um die digitale Bahncard und den DB Navigator stehen unsere Beraterinnen und Berater in den Reisezentren und beim telefonischen Bahncard-Service helfend zur Seite. Unsere Kundinnen und Kunden möchte ich ganz herzlich um Vertrauen bitten. Wir werden niemanden auf dem Weg zur Digitalisierung alleinlassen.
Und wer zunächst noch gar nicht auf eine analoge Alternative verzichten möchte, der kann auch in Zukunft statt der App einen Papierausdruck seiner Bahncard im Zug vorzeigen. Aber ich bin mir sicher: Wer einmal die digitale Bahncard ausprobiert hat, wird auf ihre Vorteile nicht mehr verzichten wollen.
Marion Jungbluth: Nein!
Es hat den Anschein, dass ohne digitales Kundenkonto bei der Deutschen Bahn (DB) bald nichts mehr geht. Ab 9. Juni 2024 werden die Bahncard 25 und 50 nur noch digital angeboten. Nur mit einem Kundenkonto bei bahn.de beziehungsweise in der App DB Navigator kann dann die Rabattkarte weiter genutzt werden.
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Auch die angebotene Alternative, der Ausdruck einer PDF-Datei, ist nur möglich, wenn ein Kundenkonto besteht. Familien, die bisher ein gemeinsames Kundenkonto genutzt haben, werden gezwungen, nur für die Bahncard für jedes Familienmitglied ein eigenes Konto anzulegen.
Viele Fahrgäste haben damit kein Problem, denn sie nutzen schon heute die Bahn-Tools und verzichten gerne auf die Plastikkarte. Aber das gilt nicht für alle. Die Ankündigung der DB, die Bahncard nur noch digital auszugeben, hat zu zahlreichen Beschwerden auch bei uns geführt. Viele Menschen berichten, dass ohne Bahncard Zugfahrten doppelt so teuer für sie werden. Mitunter seien sie so gezwungen, auf Bahnfahrten zu verzichten.
Mit dieser Digitalisierungsstrategie verdrängt die DB unter Umständen Teile der Bevölkerung aus ihren Zügen. Insbesondere vulnerable Gruppen werden so vom klimaverträglichen Reisen mit der Bahn abgehalten: ältere Menschen und eingeschränkte Personen sowie Menschen, die kein Smartphone oder Internetzugang besitzen oder sich leisten können.
Aber auch die, die Wert auf Datensparsamkeit legen und nicht überall ein Kundenkonto eröffnen wollen, müssen auf die Rabattmöglichkeit verzichten. Sie können dann nur die teuren Preise zahlen oder auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Klimaschutz würde so eine Frage des Online-Zugangs. Nach einer aktuellen Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands sieht eine Mehrheit der Befragten den ausschließlich digitalen Ticketverkauf kritisch.
Auch Menschen ohne Smartphone müssen weiter klimaverträglich und möglichst günstig Bahnfahren können. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern sollte Verbraucherinnen und Verbrauchern den Alltag und das Reisen vereinfachen – und nicht verunmöglichen. Die Deutsche Bahn muss ein Verkehrsangebot bieten, das alle Menschen mitnimmt und niemanden zurücklässt. Sie muss ihrer Verantwortung gerecht werden, insbesondere als Unternehmen im Besitz des Bundes. Jede Digitalisierungsmaßnahme bei der DB muss eine analoge und anonyme Alternative einschließen. Die Bahncard muss weiter für alle verfügbar sein. Der ersatzweise gültige Papierausdruck muss daher auch für Menschen ohne digitales Kundenkonto zugänglich sein, etwa, indem er im Reisezentrum kostenlos ausgehändigt wird.
Hans-Joachim Luhm ist Leiter Preismanagement und Partnervertrieb bei der Deutschen Bahn.
Marion Jungbluth leitet das Team Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband.
Eberhard Klotz 18.08.2024, 10:14 Uhr:
Durch das digitale Bahnkundenkonto und über die Smartphones sollen auch die Kundenbewegungen und Bahnfahrten von der Bahn überwacht werden und dabei gezielt Werbung gesendet werden. Orwells Roman 1984 ist schon längst Realität geworden! Ich habe seit Jahrzehnten die Bahncard 50 - doch nun bestelle ich sie ab.
Albrecht Weil 31.05.2024:
Ich bin 82 Jahre alt und seit dem 14. Lebensjahr Bahnfahrer. Als VdK-Mitglied sage ich: einfach »unmöglich«. Wir haben viele ältere Menschen, für die mit einer sehr geringen Rente die Bahn das einzige Verkehrsmittel ist, das sie sich leisten können. Die Smartphone-Anschaffung ist für sie zu teuer und auch zu schwierig.
Marianne Mayland 31.05.2024:
Ich habe auf der Stelle vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht und meine Bahncard gekündigt.
Helga Gruber 31.05.2024:
Die Bahncard sollte jeder nach wie vor als Karte erwerben können. Alles zu digitalisieren und dazu noch ein Konto einrichten zu müssen, halte ich für den falschen Weg. Diese Menge an Daten muss gespeichert werden, ich muss mir Passwörter merken und immer das Handy dabei haben, aufgeladen.
Albrecht Weil 05.05.2024, 17:45 Uhr:
Guten Tag, ich bin 82 Jahre alt und seit dem 14. Lebensjahr Bahnfahrer. Als VdK-Mitglied sage ich einfach "unmöglich2. Wir haben haben viele ältere Menschen, für die mit einer sehr geringen Rente die Bahn das einzige Verkehrsmittel ist, das sie sich leisten können. Die Smartphone-Anschaffung ist für sie zu teuer und auch zu schwierig. Dazu habe ich auch an die VDK-Bundesvorsitzende geschrieben. Freundliche Grüße Albrecht Weil, Stromberg
Marianne Mayland 05.05.2024, 09:00 Uhr:
Ich habe auf der Stelle vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht und meine Bahn-Card gekündigt.
Alle auch für mich zutreffenden Argumente für diesen Schritt finden sich in den untenstehenden Kommentaren.
Helga Gruber 30.04.2024, 06:24 Uhr:
Die Bahncard sollte jeder nach wie vor als Card/Karte erwerben können. Alles zu digitalisieren und dazu noch ein Konto einrichten zu müssen halte ich für den falschen Weg.
Diese Menge an Daten muss gespeichert werden, ich muss mir Passwörter merken und immer das Handy dabei haben,aufgeladen. So viel Rechnerkapazitäten die durch die einfache Karte wegfallen können.
Auch das gehört zum Energiesparen!
Thomas Burger 27.04.2024, 08:10 Uhr:
Wir haben nach über 20 Jahren BahnCard-Besitzer vom Sonderkündigungsrecht gebrauch gemacht. Wir buchen die Fahrten immer vom PC aus, mit (nur) einem Zugang zu Bahn.de. Die Plastikkarte haben wir immer dabei. Unsere Handys nutzen wir viele Jahre, was dazu führt, dass manchmal unerwartet der Akku schlapp macht.
Wenn es der Bahn um Müllvrrmeidung geht (siehe Artikel "Ja"), dann wäre doch auch eine zeitlich unbegrenzte BahnCard die Lösung.
Georg Lechner 26.04.2024, 19:51 Uhr:
Die Berührungsängste gegenüber Öffis würden mit der Abschaffung der Plastikkarte sicher größer. Ich selbst nutze die Digitalvariante zumeist, außer ich habe übersehen, mein Handy rechtzeitig aufzuladen.
Die in Ö. verwendeten Systeme sind in einigen Punkten anders, vor allem ist kein eigenes Kundenkonto erforderlich, man kann vom Girokonto oder von der Kreditkarte abbuchen lassen. Ermäßigungen (wie Vorteilscard oder Vorteilscard senior sind in der App hinterlegt und werden bei der jährlich fälligen Gebühr nach deren Einzahlung automatisch in der App der Kunden freigeschaltet. Man kann entweder vor dem Fahrtantritt unter Angabe der Reisestrecke und Auswahl des Beginns buchen, man kann auch mit der Option Simply Go (für die man allerdings die Ortserfassung aktiviert haben muss) beim Einsteigen nach rechts wischen und beim Aussteigen nach links und den Rest erledigt die App.
Stefan Brückmann 26.04.2024, 06:42 Uhr:
Ich bestelle zwar meine Bahntickets am Computer, aber nicht mit dem Smartphone. Wenn es die Bahncard nur noch digital auf dem Smartphone gibt befürchte ich, dass es bei der Synchronisation hakt. Das heißt ich habe dann meine Bahncard auf dem Smartphone, mein Computer weiß das aber nicht und bei der Bestellung kann ich meinen Rabat nicht geltend machen. Zwar wird die Bahn versichern, dass das alles reibungslos klappen wird. Das stimmt vielleicht in 80% für den Mainstream. Da ich aber nicht zu diesem Mainstream gehöre habe ich wohl wieder das nachsehen.