Pro und Contra
Braucht es ein Handyverbot an Schulen?

Armin Schwarz: Ja!
Die Gesellschaft von morgen entscheidet sich auch in den Klassenzimmern von heute. Damit Kinder und Jugendliche ihre Potenziale entfalten können, müssen unsere Schulen geschützte Räume sein, in denen sie frei von Ablenkung und Ängsten mit Freude lernen können.
In Hessen haben wir per Gesetz Smartphone-Schutzzonen für die private Nutzung der Geräte an allen Schulen eingeführt. Private Handynutzung ist dort verboten. Von Schulleitungen und Lehrkräften erhalten wir viele positive Rückmeldungen, genauso von Eltern sowie von Schülerinnen und Schülern.
Ein entschlossenes Vorgehen ist gerade mit Blick auf die jüngeren Schulkinder geboten. Sie sollen in den Pausen wieder gemeinsam spielen und nicht alleine in der Ecke vor sich hin chatten. In der Schule lernt man nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern auch das soziale Miteinander. Das kann nicht durch den Blick auf den Bildschirm ersetzt werden. Die ständige Online-Präsenz schadet den Beziehungen und verhindert echte Begegnungen.
Die Faktenlage ist eindeutig: Die Hälfte der Elf- bis Siebzehnjährigen bekommt über ihre digitalen Geräte pro Tag rund 230 Benachrichtigungen. Die Ablenkung zieht sich mitten in den Unterricht. Die Folgen: geringe Aufmerksamkeitsspanne, Druck durch das Gefühl dauernder Erreichbarkeit. Kinder und Jugendliche sehen in den Pausen, wenn sie in die mobilen Geräte schauen, Bilder, die sie noch nicht einordnen können oder die verstören: Krieg, Gewalt, Erniedrigung oder Fake News. Cybermobbing hat gefährliche Auswirkungen. Die Folgen sind psychische Belastungen, Depression, Angstzustände, Schulangst.
Erfahrungen aus Ländern wie Kanada oder Australien und der Austausch mit dort verantwortlichen Bildungspolitikern haben uns aufgezeigt, dass Smartphone-Schutzzonen an Schulen positive Effekte auf das soziale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler sowie deren schulische Leistungen haben.
Der eingeschlagene Weg hat nichts mit Technikskepsis oder Rückwärtsgewandtheit zu tun. Im Gegenteil. Wir brauchen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und investieren dafür an unseren Schulen. Der Umgang muss aber kontrolliert und altersangemessen sein. Umso wichtiger ist es, den Schülerinnen und Schülern einen bewussten und kompetenten Umgang damit beizubringen und diesen zu fördern. Es geht um den klugen Umgang mit digitalen Geräten, die Vorbereitung auf ein digitales Leben. Deshalb setzen wir in Hessen zugleich auf verstärkte Medienbildung. So wird die Schule ihrer gesellschaftlichen Aufgabe gerecht – als Ort der Bildung, der Chancen, der Orientierung und Haltung, als prägender Raum für ein gutes und friedliches Miteinander.
Quentin Gärtner: Nein!
Statt darüber zu sprechen, wie wir Schülerinnen und Schüler verantwortungsbewusst mit unseren Smartphones umgehen können, setzen viele Kultusminister auf den Holzhammer. Ihnen fällt meist nichts Besseres ein, als stumpfe Verbote auszusprechen, die ohnehin umgangen werden. Das ist der falsche Weg!
Bildungspolitik fängt dort an, wo Kinder und Jugendliche stark gemacht werden, wo sie ausgebildet werden, mit den Herausforderungen der Zeit umzugehen. Smartphones gehören für junge Menschen zum Lebensalltag. Spätestens mit Unterrichtsschluss werden sie wieder mit all dem konfrontiert, was auf den Bildschirmen passiert. Dann jedoch ohne pädagogische Begleitung und ohne kritische Reflexion.
Wir sollten Schülerinnen und Schüler schlau machen für die Welt digitaler Medien, den gesunden Umgang damit erproben und ihnen beibringen, all das zu hinterfragen, was auf ihren Geräten durchrauscht. Wie sollen wir zu verantwortungsbewussten, medienkompetenten Erwachsenen werden, wenn wir es in der Schule nicht gelernt haben?
Mit Pauschal-Verboten kaschieren Kultusminister nur die eigene Ideenlosigkeit. Wir brauchen Medienpädagogen an Schulen, Unterrichtskonzepte zur Medienbildung sowie gute Fortbildungsangebote für Lehrkräfte. Mir hat in der Schule kein Lehrer erklärt, wie ich meinen Smartphonekonsum reguliere oder nachts um 3 Uhr aufhöre Clash Royale zu spielen, wenn am nächsten Tag wieder Unterricht ist.
Außerdem kommt das Verbot direkt aus dem Elfenbeinturm. Ich erinnere mich gut an die Debatte über das Handyverbot im Hessischen Landtag. Ein Blick in die Reihen der Abgeordneten. Womit waren sie beschäftigt? Genau: mit ihrem Handy. Ein Teil der Wahrheit ist: Uns fehlen die Vorbilder – besonders in der Politik.
Die meisten Schulen haben längst schon Regeln für die Handynutzung aufgestellt. In vielen Fällen sind diese sogar sehr restriktiv. Ich verstehe nicht, warum Kultusminister in ihren Landeshauptstädten meinen, sie wüssten es besser als ihre Lehrkräfte in den Klassenzimmern. Die Schülerschaft ist so heterogen, dass es individuelle und passgenaue Ansätze braucht, um Kinder und Jugendliche altersgerecht auf die digitale Welt vorzubereiten. Vor Ort erlässt zum Beispiel die Schulkonferenz die Schul- und Hausordnung. Das heißt, dass auch Eltern und Schüler an der Ausgestaltung der Handynutzung mitwirken. Warum wehrt man sich gegen solche demokratischen Prozesse? Handyverbote sind falsch. Macht uns stark! Wir wollen lernen, wie wir besser mit unseren digitalen Geräten umgehen. Es ist die Aufgabe der Schulen, uns das zu vermitteln.
Armin Schwarz (CDU) ist hessischer Minister für Kultus, Bildung und Chancen.
Quentin Gärtner ist Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz und vertritt die Interessen von 7,5 Millionen Schülerinnen und Schülern.
Braucht es ein Handyverbot an Schulen?
