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Pro und Contra
Extraprofite besteuern?

Sollen Rüstungsunternehmen, die im staatlichen Auftrag und mit Steuermitteln hohe Gewinne machen, eine Übergewinnsteuer zahlen?
vom 01.07.2025
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(Foto: PA / DPA / Philipp Schulze)
(Foto: PA / DPA / Philipp Schulze)

Hannah Neumann: Ja!

(Foto: Europaeische Union 2023 / Alexis Haulot) Es kann nicht sein, dass Einzelne auf Kosten eines Kriegs übermäßige Gewinne machen – allein weil die Nachfrage durch geopolitische Notlagen steigt. Wir brauchen neben mehr Geld für die Verteidigung auch eine ehrliche politische Debatte darüber, wie wir dieses Geld besser ausgeben.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 13/2025 vom 04.07.2025, Seite 8
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Es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diese Mittel dem Gemeinwohl dienen – also der Sicherheit der Menschen in Deutschland, Europa und der Ukraine – und nicht vorrangig den Renditeerwartungen privater Aktionärinnen und Aktionäre.

Noch nie seit Ende des Kalten Kriegs ist so viel öffentliches Geld in die Rüstungsindustrie geflossen wie heute. Das ist nachvollziehbar angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der zunehmenden sicherheitspolitischen Bedrohungen weltweit. Doch mit dem vielen Geld kommt Verantwortung – für die Politik und die Industrie. Und die wird in der Debatte um die Rekordgewinne mancher Rüstungskonzerne zu wenig eingefordert.

Denn dieser Markt funktioniert nicht wie andere. Es gibt kaum Wettbewerb, fast alle Aufträge kommen direkt vom Staat, finanziert werden sie durch Steuergelder – oft sogar über Sondervermögen und neue Schulden.

Und weil viele dieser Aufträge langfristig laufen, verstetigt sich die Ausgabensteigerung. Auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll der Verteidigungshaushalt in Deutschland bis 2029 steigen.

Ein Baustein zur Lösung wäre ein wirklich europäischer Binnenmarkt für Rüstungsgüter und dass die Mitgliedsstaaten gemeinsam Rüstungsgüter beschaffen. Das schafft mehr Wettbewerb und senkt die Stückkosten, aber das braucht Zeit und Vertrauen ineinander.

Ein weiterer ist eine Begrenzung der Gewinne von Rüstungskonzernen: Wie viel Gewinn ist legitim, wenn der Staat der einzige Kunde ist? Und wie sichern wir, dass mehr Geld auch wirklich zu mehr Sicherheit führt?

Diese Fragen sollten wir gemeinsam verantwortungsvoll erörtern: Regierungen, Parlamente, die Industrie. Wir sollten zu gemeinsamen Vereinbarungen mit der Industrie kommen: über Gewinnobergrenzen, Reinvestitionen in Forschung, Produktionsanlagen und die Sicherung von Lieferketten sowie über verbindliche Transparenz.

Aber wenn ein solches Gespräch nicht gelingt, bleibt die Übergewinnsteuer als letztes Mittel – aus Verantwortung gegenüber allen, die diesen Staat mit ihren Steuern tragen.

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Hans Christoph Atzpodien: Nein!

Manche fordern eine »Übergewinnsteuer« auf Rüstungsumsätze. Doch dafür gibt es keine Grundlage. Seit der teilweisen Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben durch den deutschen Bundestag im März 2025 wird in den Medien bisweilen von einer »Goldgräberstimmung« in der Rüstungsindustrie geredet. Besonders im Fokus stehen die gestiegenen Aktienkurse einiger börsennotierter Unternehmen unserer Branche.

Aus diesen gedanklichen Quellen speist sich wohl auch die Idee, Rüstungsgewinne müssten durch eine »Übergewinnsteuer« abgeschöpft werden. Doch dieser Gedanke entbehrt schon deshalb jeder Basis, weil es bei Beschaffungen für die Bundeswehr einen »Übergewinn« nicht gibt und aus rechtlichen Gründen gar nicht geben kann.

Seit 1953 gilt für solche Einkäufe das öffentliche Preisrecht. Es schreibt bestimmte Preistypen vor, verlangt die Offenlegung der Kalkulation und begrenzt den Gewinn nach der sogenannten »Bonner Formel«.

Das öffentliche Preisrecht folgt der Logik, zu jedem Zeitpunkt die preislichen Grundlagen sowie deren kalkulatorische Ableitung für den öffentlichen Auftraggeber transparent, nachvollziehbar und vor allem nachprüfbar zu halten. Rüstungsaufträge führen schon allein deshalb nicht zu »Übergewinnen«. Es gibt also keine Grundlage für eine »Übergewinnsteuer«.

International gilt das deutsche öffentliche Preisrecht allerdings nicht. Dafür ist unsere Branche dort jedoch einem harten globalen Wettbewerb ausgesetzt.

Überdies unterliegen deutsche Rüstungsunternehmen bei jedem einzelnen Auftrag über den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern der strengen Exportkontrolle der Bundesregierung und des ihr nachgeordneten Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

Diese Ausfuhrkontrollen sind so konstituiert, dass sie keine Rücksicht auf wirtschaftliche Belange der exportierenden Industrie nehmen. Sie orientieren sich ausschließlich an den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Überdies sind Waffen in den Händen unserer EU- und Nato-Streitkräfte ein Beitrag zur Friedenserhaltung und dienen damit der Erhaltung unserer Lebensgrundlagen.

Am Ende verdankt unsere Branche, die sich gegen so viele Widerstände behaupten muss, die Gewinne, die ihr verbleiben, unternehmerischem Weitblick und unternehmerischer Tüchtigkeit. Niemand sollte ihr diese Gewinne streitig machen.

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Personalaudioinformationstext:   Hannah Neumann ist Mitglied des Europäischen Parlaments als Teil der Fraktion Die Grünen/EFA und Sprecherin für Außen- und Sicherheitspolitik.

Hans Christoph Atzpodien ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
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