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Pro und Contra
Hohe Geldstrafen für Klimaaktive?

Weil sie ein Flugfeld blockiert haben, sollen Mitglieder der »Letzten Generation« 400 000 Euro zahlen. Ist das gerecht?
vom 04.12.2025
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Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation hatten sich im Juli 2023 auf einem Rollfeld des Hamburger Flughafens festgeklebt. (Foto: pa/dpa/Bodo Marks)
Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation hatten sich im Juli 2023 auf einem Rollfeld des Hamburger Flughafens festgeklebt. (Foto: pa/dpa/Bodo Marks)

Constantin Wißmann: Ja!

Viele mögen die Strafe für die Aktivisten der Letzten Generation als übermäßig hart empfinden, weil sie grundsätzlich Sympathie für deren Ziele hegen. Gerade da liegt der Fehler. Denn Menschen, die so argumentieren, sollten sich ernsthaft fragen, ob sie bei dieser Beurteilung blieben, hätte sich eine andere Gruppe auf dem Flughafen festgeklebt. Zum Beispiel junge AfD-Sympathisanten aus Protest gegen eine zu laxe Abschiebepolitik. Wir leben nämlich in einem demokratischen Rechtsstaat, in dem niemand über dem Gesetz steht, nicht einmal der Kanzler. Die Gesetze macht das Parlament, Polizei und Justiz setzen sie durch. Und wer Gesetze bricht, muss damit rechnen, verfolgt und bestraft zu werden. Und dabei zählt eben nicht die Gesinnung, sondern allein die Tat.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 23/2025 vom 05.12.2025, Seite 8
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Gerichte haben also nicht zu prüfen, ob der Klimaschutz ein edles Ziel ist. Sie haben zu prüfen, ob Schaden entstanden ist und ob jemand dafür verantwortlich ist. Das Delikt der Mitglieder der Letzten Generation verliert seine Rechtswidrigkeit nicht dadurch, dass sie sich sich im Besitz der vermeintlich höheren Moral wähnen. Protest ist notwendig und legitim, dafür werden täglich Straßen stundenlang gesperrt. Wer aber Flughäfen lahmlegt oder Infrastruktur ungenehmigt blockiert, verursacht Kosten – und muss diese tragen. So funktioniert ein Rechtsstaat, der sich nicht dem moralischen Pathos einzelner Gruppen verschreibt, sondern dem Schutz aller.

Würde man politischen Motiven straf- oder zivilrechtliche Privilegien einräumen, öffnete dies Tür und Tor für jede Form der Selbstermächtigung. Die Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens wäre ausgehöhlt. Man denke an die Reichspogromnacht. Der Skandal bestand nicht nur darin, dass die Nazi-Schergen jüdische Einrichtungen zerstörten und Menschen verletzten, sondern auch darin, dass eine gleichgeschaltete Polizei und Justiz in der Verfolgung der Taten Gesetze nicht anwendete. Es war auch in Nazi-Deutschland illegal, Menschen zu verprügeln. Aber weil Politik, Polizei und Justiz die Gesinnung der Täter guthießen, kamen die ohne oder mit absurd milden Strafen davon.

Das Gericht in Hamburg hat genau mit dieser Unterscheidung zwischen Gesinnung und Tat das Urteil begründet. Es billigt den Aktivisten sogar zu, dass die Aktion Ausdruck des Protests für ein »nicht nur legitimes, sondern für den Fortbestand der menschlichen Gesellschaft (...) unabdingbares Ziel« sei. Aber die Beklagten hätten mit der Art des Protests nicht nur den Geschäftsbetrieb der Fluglinien beeinträchtigt, sondern unter bewusster Überschreitung strafrechtlicher Grenzen agiert. Weil wir in einem Rechtsstaat leben, steht den Verurteilten natürlich zu, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

Nana Gerritzen: Nein!

Was im Namen des Volkes rechtens ist, bestimmen in unserem Land Richterinnen und Richter und nicht Journalistinnen. Dennoch fällt es mir schwer, die Verurteilung von Mitgliedern der »Letzten Generation« wegen einer Blockadeaktion am Hamburger Flughafen zu einer Geldstrafe von mehr als 400 000 Euro für verhältnismäßig zu halten. Da haben Menschen im Rahmen eines zivilen Ungehorsams Gesetze gebrochen, um auf einen eklatanten Rechtsbruch hinzuweisen, den die aktuelle Bundesregierung begeht und ihre Vorgänger begangen haben, ohne dass deren Mitglieder je persönlich dafür haftbar gemacht wurden. Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind wissenschaftlich belegt. Dass sowohl die aktuelle als auch vorherige Bundesregierungen selbst gesetzte Klimaziele nicht einhält, ist durch Gerichte bestätigt worden.

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Ich habe mehrfach Mitglieder der Letzten Generation journalistisch begleitet: Bei Straßenblockaden, bei denen Menschen zwischen 16 und 70 sich – auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt – auf die Straße geklebt haben. Dabei wurden sie von Autofahrenden beschimpft und bedroht und bei Festnahmen durch die Polizei manchmal unter Anwendung von Schmerzgriffen weggezerrt. Für ihren Aktivismus haben sie finanzielle Einbußen in Kauf genommen, Arbeitsstunden reduziert, auf Freizeit verzichtet und sich auf die Möglichkeit von Haftstrafen eingestellt. Keiner hat einen persönlichen Vorteil aus dem Aktivismus gezogen. Es ging ihnen um das Sicherstellen einer lebenswerten Zukunft für kommende Generationen.

Klimaaktive erinnern uns daran, dass der Kampf gegen die Klimakrise unerlässlich ist. Man kann über die Sinnhaftigkeit der jeweiligen Protestform streiten, sie kritisieren und – wie vielfach geschehen – juristisch ahnden. An der Ausgangslage, der immer rasanteren Erderwärmung, ändert das nichts.

Im Rahmen der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém hat UN-Generalsekretär António Guterres jüngst erneut einen radikalen Kurswechsel im Kampf gegen die Klimakrise gefordert. Den anwesenden Spitzenpolitikern attestierte er »moralisches Versagen und tödliche Fahrlässigkeit«. Momentan steuert unser Planet den Vereinten Nationen zufolge auf 2,8 Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zu.

In ihren aktiven Jahren hat die inzwischen aufgelöste Letzte Generation es geschafft, dass viel mehr über das Klima gesprochen wurde als zuvor. Natürlich heiligt der Zweck nicht alle Mittel. Aber warum eigentlich gelten gewaltfreie Sitzblockaden unter Einsatz der eigenen Verletzlichkeit, bei der körperlich keine Dritten zu Schaden kommen, als Nötigung durch Gewalt?

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Personalaudioinformationstext:   Constantin Wißmann ist Redakteur im Ressort Politik und Gesellschaft bei Publik-Forum.

Nana Gerritzen ist Redakteurin im Ressort Politik und Gesellschaft bei Publik-Forum.
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