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Pro und Contra
Sollten Kinderrechte explizit ins Grundgesetz?

Kinder haben Rechte – doch im Grundgesetz stehen sie bis heute nicht. Eine Petition will das jetzt ändern. Sollte der Schutz junger Menschen verfassungsrechtlich verankert sein?
vom 05.11.2025
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Kinder haben Rechte. Doch müssen sie explizit ins Grundgesetz? (Foto: istock by Getty / Jacob Wackerhausen)
Kinder haben Rechte. Doch müssen sie explizit ins Grundgesetz? (Foto: istock by Getty / Jacob Wackerhausen)

Anne Lütkes: Ja!

(Foto: Bezirksregierung Düsseldorf) Es braucht endlich eine rechtliche Normierung im Grundgesetz: Das Kindeswohl ist vorrangig zu beachten. Kinder haben außerdem das Recht auf Entwicklung, Schutz, auf Förderung und Beteiligung. Junge Menschen wachsen in Deutschland unter dem Druck multipler Krisen und Unsicherheiten auf. Vor diesem Hintergrund kommen ihre Belange deutlich zu kurz. Viel zu oft denkt die Politik Kinder nicht mit. Das zeigt auch der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, der die Interessen der jungen Generation an vielen Stellen systematisch ausblendet. Es ist sicherlich kein Zufall, dass das Wort Kinderrechte im Koalitionsvertrag nicht einmal vorkommt. Kinder sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Grundrechtsträger. Dennoch sollten besondere Rechte für Kinder in der Verfassung verankert werden. Aus demselben Grund, wie die Vereinten Nationen 1989 eine eigene Konvention für Kinder verabschiedeten, obwohl es bereits internationale menschenrechtliche Verträge gab.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 21/2025 vom 07.11.2025, Seite 8
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Langfristig würde so eine tragfähige Grundlage für ein kinder- und familienfreundlicheres Land geschaffen. Die Rechte von Kindern würden quer durch die Rechtsgebiete gestärkt. Vom Jugendhilferecht, über das Straßenverkehrsrecht bis hin zum Baurecht und selbstverständlich auch im Bildungsbereich und der Haushaltsgesetzgebung.

Deshalb kritisiert das Deutsche Kinderhilfswerk, dass der Koalitionsvertrag die verfassungsrechtliche Verankerung der Kinderrechte entlang der Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention nicht vorsieht. Aufgrund der Hürden, die es bei einer Änderung des Grundgesetzes im Bundestag und Bundesrat gibt, braucht es für wirksame Kindergrundrechte jetzt eine ganz große Koalition von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken.

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Ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren muss unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft stattfinden, damit neben politischen Erwägungen auch die in den letzten Jahren erarbeiteten fachlichen Standards angemessen berücksichtigt werden. Zwar sind Kinder Grundrechtsträger, aber ihre speziellen Kinderrechte müssen über eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes kompliziert hergeleitet werden. Da ist es nicht verwunderlich, dass diese in zu vielen Fällen bei Entscheidungen von Politik und Verwaltung oder auch in der Rechtsprechung schlichtweg übergangen werden.

Deshalb braucht es im Grundgesetz einen eigenen Passus für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten und ohne mit ihnen in Konflikt zu geraten, gegenüber dem Staat gelten.

Günter Krings: Nein!

(Foto: Bundeswahlkreis Mönchengladbach / Tobias Koch)Grundrechte für Kinder müssen nicht erst ins Grundgesetz aufgenommen werden, sondern existieren bereits. Umso unverständlicher, dass manche Debattenbeiträge der letzten Jahre suggerierten, Kinder hätten keine Grundrechte. Artikel 6 des Grundgesetzes beinhaltet eine kluge Schutzarchitektur: Pflege und Erziehung sind zuerst Aufgabe der Eltern. Der Staat wacht über das elterliche Erziehungsrecht, aber er ersetzt es nicht. Eine Ergänzung der Verfassung darf diese Balance nicht verwischen und die Eltern aus dem Schutzdreieck Staat/Eltern/Kinder nicht herausdrängen. Deshalb hat die CDU/CSU eine Formulierung befürwortet, die die Rechte von Kindern sichtbar macht und zugleich ausdrücklich festhält, dass das Elternrecht unberührt bleibt. Dieser Vorschlag hat damals die Unterstützung von Union und SPD gefunden, aber keine verfassungsändernde Mehrheit. Die immer wieder geäußerte Idee, Kinderrechte als Staatsziel zu definieren, wäre eine denkbare Alternative, die aber nach der Erfahrung mit anderen Staatszielbestimmungen unkalkulierbare Folgen haben kann. Die Politik als Verfassungsgeberin sät Verfassungsrecht – und erntet Verfassungsrechtsprechung. Auch hierdurch ist nicht auszuschließen, dass sich das Verhältnis von Staat, Eltern und Kindern verschiebt. Schon 2021 hat die Unionsfraktion deutlich gemacht: Gute Absichten dürfen nicht in ein staatliches »Miterziehen per Verfassung« umschlagen. Es geht nicht um Symbolpolitik, sondern um gelebte Alltagsrealität. Kinder gewinnen nichts, wenn die Verfassung mehrdeutig wird. Kinder gewinnen viel, wenn wir ihre Lebenslagen konkret verbessern: verlässliche Kitas und Schulen, Sprachförderung, wirksamer Kinderschutz, starke Jugendhilfe, niedrigschwellige Familienberatung, einen vernetzten Schutz vor Gewalt – offline und online. Vor allem die schwächsten und schutzbedürftigen Kinder brauchen unsere Hilfe. Deshalb kämpfen wir seit Jahren für eine Speicherpflicht von Computer-IP-Adressen, um Kinderpornografie und Kindesmissbrauch endlich wirksamer zu bekämpfen. Das lässt sich heute alles schon rechtssicher gestalten und stärken. Viele Protagonisten von besonderen Kinderrechten im Grundgesetz haben gerade diese Maßnahme jedoch vehement abgelehnt. Gefragt ist ganz konkrete Gesetzgebung. Dazu braucht es keine Verfassungsprosa, sondern gesetzgeberisches Handeln und konsequente Umsetzung. Kinder brauchen starke Eltern – und einen Staat, der schützt, wo es nötig ist – im Extremfall auch einen Staat, der gegen elterlichen Missbrauch vorgeht. Aber wir stehen zu einer Rechtsordnung, die sich zum Primat der Familie bekennt.

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Personalaudioinformationstext:   Anne Lütkes ist Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes, Rechtsanwältin, Landesministerin a.D. und Regierungspräsidentin a.D.

Günter Krings ist Mitglied des Deutschen Bundestages, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und Vorsitzender der CDU-Landesgruppe NRW.
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