Der Gott von gestern

Die Kirchen haben in der Corona-Krise versagt. Dieser Vorwurf, den unter anderem die ehemalige thüringische Ministerpräsidentin Christiane Lieberknecht formulierte, hat in den vergangenen Wochen großes Aufsehen erregt (vgl. Publik-Forum 12/20, S. 8). Doch die eigentliche Frage lautet nicht, ob die Kirchenführer zu staatstreu oder zu ängstlich waren, ob sie zu schnell auf die Feier von Gottesdiensten verzichtet haben oder ob die Pfarrerinnen, Gemeindeleiter, Priester und Pastoralreferentinnen vor Ort kreativ genug waren, um unter den gegebenen Bedingungen gute Seelsorge zu leisten. Die wirklich spannende und beunruhigende Frage lautet: Was trägt der christliche Glaube inhaltlich zum Aushalten der gegenwärtigen Krise bei? Was hat er an religiösen Bewältigungsstrategien zu bieten?
Kennzeichen einer Krise ist es ja, dass die bisherigen Denkmuster und Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichen, um angemessen handeln zu können. Vor diesem Hintergrund wird derzeit alles infrage gestellt: die Politik, die globalisierte kapitalistische Wirtschaftsweise oder unser Lebensstil. Immer geht es darum: Was ist geeignet oder ungeeignet, um aus der Krise wieder herauszukommen? Analog darf diese Frage auch an die Religion gestellt werden.
Meine These lautet, dass die religiösen Bewältigungsstrategien, die der christliche Glaube aktuell zur Verfügung stellt, nicht mehr ausreichen, um die Krise persönlich auszuhalten oder systemisch zu bewältigen. Das liegt daran, dass er theologische Antworten gibt, die keine mehr sind oder zumindest den allermeisten nicht mehr plausibel erscheinen.
Es ist beispielsweise nicht glaubwürdig zu behaupten, dass im Himmel der Kampf gegen d

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Johannes Schleicher, Nürnberg