Nachruf
Gläubig in der Moderne
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»Als geschichtsbewusster Mensch finde ich es beeindruckend, dass die Lehren eines jüdischen Wanderrabiners durch seine größtenteils ungebildeten Jünger so glaubhaft weitergegeben werden konnten, dass sie drei Jahrhunderte später zur vorherrschenden Religion im römischen Reich wurden. Und es trägt zu meinem Glauben bei, dass die Botschaft Jesu vom Zusammenhang von Gottes- und Nächstenliebe trotz aller Skandale in der Kirchengeschichte ... bis heute ihre motivierende Kraft nicht eingebüßt hat.« Mit diesen Sätzen hat der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann sein persönliches und wissenschaftliches Interesse an Religion und Kirche umschrieben, das ihn zeitlebens begleitet hat. Der gebürtige Schweizer gehörte zu den Gründern der soziologischen Fakultät der Universität Bielefeld, war einer der Pioniere der Religionssoziologie und ein herausragender katholischer Intellektueller. Er verstand es, Religion ins Gespräch zu bringen und das Interesse an ihr wachzuhalten, ohne dabei aufdringlich oder unkritisch zu sein. Immer wieder befasste er sich mit dem Verhältnis der Kirche zur Moderne, mit der Rolle der Frau und mit dem Zusammenhang von Sexualmoral, Tabuisierung und Missbrauch. Er spielte nicht die »Kirchenkrise« gegen die »Gotteskrise« aus, weil er beides aufs Engste verknüpft sah. Deshalb verweigerte er sich einfachen Lösungen und Parolen, die er als unterkomplex empfand. Seine Kirchenkritik und seine Religionssoziologie waren von dem Wunsch eines besseren Verstehens getragen. Dabei verstand er sich nicht als neutraler Beobachter, sondern als gläubiger Katholik. Am 7. Januar starb Franz-Xaver Kaufmann in Bonn.