EDITORIAL: Der Synodale Weg. Jetzt ist Mut gefragt

auch wenn man es kaum glauben mag: Veränderung und Reformen gehören zur Kirche wie das Amen nach dem Gebet. Dass es trotzdem fast fünfzig Jahre gedauert hat, bis nach der »Würzburger Synode« wieder ein nennenswerter groß angelegter innerkatholischer Gesprächsprozess zwischen Laien und Bischöfen in Deutschland zustande kommt, zeigt vor allem, welche Macht die kirchlichen Reformverweigerer haben. Auch beim Synodalen Weg, der Ende Januar in Frankfurt am Main beginnt, ist nicht auszuschließen, dass am Ende wieder diejenigen obsiegen, die sagen, dass Jesus Christus die Kirche genau so gewollt hat, wie sie heute ist: mit dem Papst als absolutem Monarchen, mit den Bischöfen als Statthaltern, mit dem Zölibat für die Priester und mit der »klassischen« Rollenverteilung von Mann und Frau. Der emeritierte Papst Benedikt XVI., der eigentlich schweigen und beten wollte, hat sich – wieder einmal – zu Wort gemeldet und Papst Franziskus öffentlich vor einschneidenden Reformen gewarnt.
Das aber zeigt uns, wie notwendig es ist, dass in Publik-Forum all jene zu Wort kommen können, die sich mit dem selbstgefälligen Immer-Weiter-So und den vermeintlich ewigen Wahrheiten nicht abfinden wollen. Wir fühlen uns den kirchlichen Reformkräften von »unten« und von »oben« verbunden. Nicht nur, weil Publik-Forum selbst aus einer geistigen Protestbewegung heraus entstanden ist, sondern auch aus einem theologischen Grund: Wenn Gott sich in Jesus Christus auf die Geschichte eingelassen hat, dann gilt das Prinzip der Geschichtlichkeit auch für die Kirche.
In diesem Dossier vertiefen wir die Themen der vier synodalen Gesprächsforen: Die Kirchenrechtlerin Sabine Demel zeigt, wie leicht sich das Machtgefälle zwischen Klerikern und Laien verringern ließe, wenn man nur wollte (Seite 10). Die Essener Theologin Andrea Qualbrink, die ein Aufstiegsprogramm für Frauen in der Kirche mitverantwortet, erklärt im Interview, wie sich Frauen in kirchlichen Leitungsämtern fühlen und was sie berücksichtigen müssen, wenn sie ein solches anstreben (Seite 8). Die Philosophin Anne Weber beschreibt, welchen Fragen sich eine christliche Sexualethik zuwenden müsste, um relevant zu werden (Seite 11). Und der Dortmunder Theologe Thomas Ruster unterbreitet einen revolutionären, aber biblisch fundierten Vorschlag für ein neues Amtsverständnis des Priesters (Seite 12).
Unsere Bitte: Vernetzen Sie sich mit jenen, die sich für eine Erneuerung in der Kirche einsetzen. Das Dossier bietet eine gute Grundlage für Diskussionsrunden in der Pfarrei, an der Universität oder in der Erwachsenenbildung. So kann der Synodale Weg Dynamik entwickeln und in die Tiefe wirken. Eine anregende Lektüre wünscht
Leopold Glaser 10.02.2023:
Hermann Häring verdient ganz großes Lob für seine Ratzinger-Analyse, die sich wohltuend unterscheidet von den zahlreichen Lobeshymnen auf den großen Denker und Glaubenslehrer. Ein scharfer Denker war er gewiss, aber ein guter »Glaubenslehrer«? Härings Text ist fundamental und ohne Polemik, eine sehr kompetente, ruhige und sachliche, meines Erachtens die hilfreichste Erklärung und Bewertung der Leistung Ratzingers – von den Anfängen des Konzilstheologen und Reformers bis zu den reaktionären Irrungen und Verwirrungen schließlich als Papst, der eine desaströse Kirche hinterlassen hat: mit einer Theologie, die der Theologe Oliver Wintzek auf diesen Nenner brachte: »Eine solche vor der Wirklichkeit beschützte Theologie ist [...] nicht nur aus der Zeit, sondern gewissermaßen auch aus der Welt gefallen.« Dennoch sollten wir die Hoffnung auf eine jesuanische Erneuerung der Kirche nicht verloren geben. Ausgerechnet Immanuel Kant, der Aufklärer, spendet Trost: »Drei Dinge helfen, die Mühsal des Lebens zu ertragen: die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.« Vielleicht kommt der Heilige Geist einmal in den Vatikan zu Besuch.
Veit Wagner 10.02.2023:
Matthias Katsch stellt fest: »Diese ›freiwillige Ehelosigkeit‹ im Austausch für lebenslange Versorgung und Zugang zu Leitungsaufgaben stellt für uns heute eine Instrumentalisierung von materieller Not zum Zwecke der Nachwuchsrekrutierung dar, trägt aber zugleich auch zur besonderen Aura der katholischen Kirche bei.« Was unterstellt der Autor dem jungen Joseph Ratzinger, was unterstellt er all jenen, die Priester wurden und werden? Das Motiv der lebenslangen Versorgung? Die Gier nach Aufstieg und Leitungsfunktionen? Und der Kirche die Ausnutzung der materiellen Not, damit Nachwuchs rekrutiert wird? Muss man diese polemische Stellungnahme noch kommentieren? Natürlich mag es immer wieder solche Motive auf Seiten aller Beteiligten geben oder in der Geschichte gegeben haben. Es aber hier mit solcher Ausschließlichkeit zu behaupten, ist schon eine recht reduzierte Betrachtung der Lebensentscheidung all derer, die die Ehelosigkeit gewählt haben.