Interview mit Irme Stetter-Karp
»Das ist keine beliebige Frage«


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Publik-Forum: Frau Stetter-Karp, mit dem Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf als Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht findet ein unschönes politisches Drama ein vorläufiges Ende, an dem auch die katholische Kirche beteiligt war. Wie lautet Ihr Fazit der letzten Wochen?
Irme Stetter-Karp: Über die Form der öffentlichen Debatte und die Art der Auseinandersetzung bin ich sehr bestürzt. Das hat sowohl die Kandidatin beschädigt als auch der Demokratie geschadet. Es wäre eine dringende Aufgabe der Politik gewesen, frühzeitig eine tragfähige Lösung zu finden. Es ist offensichtlich, dass es eine mangelnde Vorbereitung dieser Richterwahl gab, dass inhaltliche Positionen nicht ausreichend geklärt wurden, dass Bedenken in den Fraktionen von CDU und CSU
Irme Stetter-Karp, geboren 1956, ist Sozialwissenschaftlerin und Medizinethikerin. Seit 2021 ist sie Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Vera Weiß 19.09.2025:
Frau Irme Stetter-Karp wies darauf hin, dass eine Entkriminalisierung von (in ihrer Wortwahl) Abtreibungen unmittelbar die Gefahr zur Folge hätte, dass die Menschenwürde in dem Fall allsituativ zur Debatte stünde und das Töten generell legalisiert werden könnte. Ich halte diese Wenn-Dann-Kausalkette für sehr absolut und abwürgend für jedes Gespräch. Es wird vorschnell ein Punkt gesetzt. Wir können es uns aber nicht so leicht machen. Schon in dem Wort: »Abtreibung« wird ein scheinbar indiskutables Urteil über den Schwangerschaftsabbruch gesprochen. In einer Schwangerschaft zeigen sich die Möglichkeit und der Beginn neuen Lebens. Die Mutter muss in Freiheit ihr Ja zum Kind und zur Mutterschaft sagen dürfen, nur dann, in der Annahme und Liebe zum Kind, bekommt dieses überhaupt die Chance, entsprechend seiner Würde zu leben und heranzuwachsen. Dem Staat und den Kirchen kommt allerdings die Aufgabe und Verantwortung zu, Frauen in Schwangerschaftskonfliktsituationen immer besser beizustehen und es an Fürsorge für Familien und Kinder nicht mangeln zu lassen.
Diethard Dahm 19.09.2025:
Frau Stetter-Karp zeigt achtenswerte Kenntnisse zum Problemfeld des Paragrafen 218. Ihr erklärter eigener Anspruch, aus der gegenwärtigen Polarisierung herauszufinden, indem Meinungen und Gegenargumente geprüft werden, ist akzeptabel. Doch erscheint mir ihre Prüfung zu knapp und nicht überzeugend. Warum soll der Schutz des Ungeborenen durch das Grundrecht auf Leben nicht ausreichen? Und reicht die Abwägung mit dem Menschenwürdegrundrecht der Frau nicht aus, um zu beantworten, ob sie in ureigenen, höchstpersönlichen Angelegenheiten die Mitwirkung fremder Personen zulassen muss? Muss sie ihre Gründe vor fremden Personen offenbaren und rechtfertigen?
Andreas Schiebe 19.09.2025:
Frau Stetter-Karp verteidigt ihre differenzierte, medizinethisch fundierte Haltung in der Auseinandersetzung um die Causa Brosius-Gersdorf und kritisiert zu Recht den durch den nachlässigen, von der CDU/CSU-Spitze zu verantwortenden Umgang mit der innerparteilichen Meinungsbildung entstandenen parlamentarischen Eklat. Wenn es um die Grundregeln unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens geht, können in einer Demokratie öffentlich ausgetragene Auseinandersetzungen (»Kulturkämpfe«) nicht ausbleiben. Dabei mag es auch systematisch organisierte Versuche geben, die öffentliche Meinung in die vermeintlich bessere Richtung zu beeinflussen. Die zutage getretenen kritischen Stimmen zur aktuellen Verfassungsrichterwahl lediglich als »rechte«, also verwerfliche Kampagne abzutun, wie es der Interviewer zu suggerieren versucht, reflektiert vielmehr mangelndes Verständnis demokratischer Vorgänge.
Georg Lechner 27.08.2025, 16:42 Uhr:
"Die FAZ schreibt, dass die Debatte um Abtreibung ein Kulturkampf sei, den die SPD mit den Grünen und den Linken angezettelt habe." Die FAZ gilt zwar als seriös, aber dieses Beispiel zeigt, dass sie es beileibe nicht immer ist. Ähnliches gilt auch für andere sogenannte Qualitätsmedien. Die "Welt" sehe ich etwa als mediale Wegbereiterin für den Aufstieg der AfD. Es ist ja nicht entscheidend, ob eine Partei lobend erwähnt wird, sondern vielmehr, ob ihre inhaltlichen Positionen vertreten werden. Das sieht mensch ganz deutlich an den Wahlergebnissen für die kapitalismusfreundlichen rechten Parteien, die (meisten) Printmedien und besonders die privaten TV- Anstalten sind im Besitz von Personen und Gesellschaften mit markant kapitalistischer Prägung.