Die Statuen wollen nicht mehr angegafft werden

Graphic Novel. Die Ausgangsidee ist ebenso absurd wie genial: Die weiblichen Akte im Louvre verschwinden plötzlich von den Gemälden und Sockeln und werden unsichtbar – sie wollen nicht länger den lüsternen Blicken und grabschenden Händen der Besucher ausgesetzt sein. Die Museumsleitung steht vor einem Rätsel, auch der Medienrummel ist groß: Was tun? Um die weiblichen Akte zur Rückkehr zu bewegen, entschließt sich die Direktion zu einem drastischen Schritt, indem sie die Machtverhältnisse einfach umdreht: Männer dürfen das Museum nur noch nackt betreten. Das führt zu grotesken, aber entlarvenden Szenen – etwa, wenn sich eine Gruppe verunsicherter Männer zögerlich durch die Marmorsäle schiebt.
»Der große Zwischenfall« ist eine satirische Kunstkritik der Illustratorin Zelba. Mit ihrer Graphic Novel rückt sie das Verhältnis von Kunst, Geschlecht und gesellschaftlicher Wahrnehmung in den Fokus. Besonders eindrucksvoll ist ein fiktives Interview mit einer Kunsthistorikerin, die mit trockenem Humor und viel Sachverstand die Ereignisse historisch einordnet und auf die lange Geschichte weiblicher Nacktheit in der Kunst verweist. Hier deckt Zelba äußerst unterhaltsam die gesellschaftliche Doppelmoral auf und spielt, unterstützt von ihrem karikaturesken Zeichenstil, pointiert mit der Umkehr von Betrachter und Betrachteter. Ihre feministische Fabel, eine gelungene Mischung aus Burleske und gesellschaftlicher Reflexion, zeigt, dass sich auch ernste Themen wie das Nachdenken über gesellschaftliche Normen mit Leichtigkeit und Ironie erzählen lassen. In Frankreich wurde Zelba, die mit bürgerlichem Namen Wiebke Petersen heißt und aus Aachen stammt, für ihr Werk mit dem Prix Artemisia in der Kategorie Humor ausgezeichnet.
Zelba: Der große Zwischenfall. Übersetzt von Silv Bannenberg. Helvetiq Verlag. 128 Seiten. 25 €
