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Ein Buch fürs Leben …
»Kommen Sie, kommen Sie«

SerhiJ Zhadan: Chronik des eigenen Atems.
von Norbert Copray vom 18.03.2025
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Das Schicksal der Ukraine bedrückt mich, wie auch das Schicksal anderer Nationen und Ethnien, die Opfer von Gewalt und Krieg sind. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist mitten in Serhij Zhadans neuem Buch gegenwärtig. Zhadan ist 1974 in Starobilsk, Oblast Luhansk, geboren und lebt heute in Charkiw, einem der Hauptangriffsziele des russischen Militärs. Zhadan hat vor dem Krieg zahlreiche Preise bekommen, so 2022 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Hannah-Arendt-Preis. Manche meinen, zu Unrecht. Aber wie halte ich Humanität durch, wenn Krieg ins eigene Leben eindringt? Zhadan hat die russischen Soldaten Unrat, Schweine, Ratten genannt. Das ist eine inhumane Ausdrucksweise, die ich mir als Wutausbruch und aus der Not der Bedrohung angesichts eines Feindes erkläre, aber nicht gutheiße. Wie würde ich mich zivilisiert ausdrücken, wenn ein Staat den Staat, in dem ich lebe, überfällt mit dem mehrfach erklärten Ziel, ihn als souveränen Staat auszulöschen? Ich bin hin- und hergerissen, wie ich Zhadans Buch einordne, halte es jedoch für ein wichtiges Dokument der ukrainischen Literatur. Nach etlichen Romanen und Gedichten spiegelt diese »Chronik des eigenen Atems« (Suhrkamp Taschenbuch 2840) den Einbruch der Gewalt und Vernichtung durch die russische Armee. Bis zur Mitte des Buches finden sich Gedichte zur ukrainischen Landschaft, Geschichte und Gesellschaft, zu den »von der Stadt begrabenen Dichtern«, als »Attraktion für Touristen neben Einkaufszentren« bestattet, sodass »ein Dichter auch nach seinem Tod noch Nutzen bringt«. »Kommen Sie, kommen Sie«, schreibt Zhadan in seinem Gedicht vom 7. 6. 2021, »in den Schatten der Bäume, lassen Sie uns das Reich Gottes bedenken, daran glauben, dass die Dichter die Wahrheit sagen«. Das klingt für mich wie eine mutige Selbstverpflichtung Zhadans, als die kriegerische Bedrohung an der Grenze der Ukraine schon sichtbar ist. Als Soldat tritt er im April 2024 in das Chartia-Bataillon der ukrainischen Nationalgarde ein, um seine Heimat zu verteidigen. Wäre ich diesen Schritt in gleicher Situation auch gegangen? Als Kriegsdienstverweigerer Anfang der 1970er-Jahre sicher nicht. Die zweite Buchhälfte beginnt mit einem Gedicht vom 23. 6. 2022; da ringt er noch mit seiner Sprachlosigkeit: »Vielleicht ist es das – unsere Angst, unser Kleinmut, die das unheimliche Schweigen der bitteren Augenzeugen erklären, die alles gesehen haben, Zeugnis ablegen müssen, mit ihrem Gesang die Mörder enttarnen, mit ihrer Stimme das Recht anrufen.« Bisweilen stockt mir beim Lesen der Atem, etwa wenn es am 20. 8. 2022 heißt: »Wir brauchen Wunder, brauchen Drops der Hoffnung. Berührungen der Freude, Strahlen, die das Dunkel durchbrechen.« Oder am 21. 1. 2023: »Die Sternsinger streifen durch den Schnee. In jedem Haus ein eigener Kummer.« Was für ein Satz! In seinem Psalm vom 14. 3. 2023 schreibt Zhadan: »Geknetet aus Lehm, sollen wir da schweigen, wo du absichtlich keine Worte findest? Vergessen von dir, sollen wir rechtfertigen deine fatale mörderische Unachtsamkeit?« Dichtung kann nicht heilen, »aber sie kann die Hoffnung zurückgeben«, schreibt Zhadan im Nachwort. »Genommen von der Ewigkeit, erfüllt mit Erinnerung und Liebe.«

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