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Ein Buch fürs Leben …
Leichter werden

Peter Härtling im Übergang zum Tode.
von Norbert Copray vom 23.01.2025
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Mit 13 Jahren hat er seine Mutter durch deren Suizid verloren. Ein Jahr zuvor war sein Vater 1945 in sowjetischer Gefangenschaft gestorben. Die Vergewaltigung der Mutter durch russische Soldaten musste der Sohn Peter 1945 mitansehen. Das ist für das Leben eines Kindes zu viel Leid und Schmerz. So wundert es mich nicht, dass Peter Härtling oft mit Schwermut und Depression zu kämpfen hatte. »Meine Toten wachsen in mich hinein«, schreibt er im Jahr 2000. Peter Härtling wurde 1933 geboren und starb 2017. Seine Gedichte berühren mich von jeher, doch war mir lange nicht klar, woher der Grundton seiner Texte kam. Die Gedichte, die er seit der Jahrtausendwende geschrieben hatte und die 2023 zu seinem 90. Geburtstag erschienen sind (»An den Ufern meiner Stadt«, Kiepenheuer und Witsch), spiegeln den Lebenskampf von Härtling wider, den psychischen, den physischen, den kulturellen. Ab Mitte der 1990er-Jahre hatte er Herzbeschwerden, Bluthochdruck, Diabetes. Die Krankheiten beeinträchtigten ihn erheblich. Ihm wurde bewusst, dass der letzte Abschnitt seines Lebens begonnen hatte. Und so notiert sein Verlagslektor und Literaturprofessor Klaus Siblewski: »Aus diesem Grundgefühl, konkret auf den eigenen Tod zuzuleben, sind die meisten von Härtlings Gedichten nach 2000 entstanden.« Sie könnten gut zu Menschen passen, die sich ihres vielleicht letzten Lebensabschnitts bewusst sind oder ihn mit anderen erleben. So ging es auch mir in den letzten zwei, drei Lebensjahren von Menschen, die mir wichtig waren und die gestorben sind. Mit 46 verstarb meine Mutter an Magen- und Darmkrebs, da war ich gerade mal 22 Jahre alt; meine Geschwister waren 10, 13 und 17 Jahre jung. Mit 97 verstarb mein Vater, lebenssatt und in Frieden. Das sind meine Erfahrungen, vor deren Hintergrund ich Härtlings Gedichte lese, der allerdings vom Gedichteschreiben nicht leben konnte. Zunächst arbeitete er als Redakteur, später als Cheflektor und von 1968 bis Ende 1973 in der Geschäftsleitung des S. Fischer Verlags in Frankfurt am Main. Seit 1974 war er ausschließlich freier Schriftsteller, dank der Honorare für seine Romane und Kinderbücher. Berühmt unter anderen sind seine Bücher »Eine Frau«, »Hölderlin«, »Oma« und »Ben liebt Anna«. An seine Söhne – Härtling hatte mit seiner Frau vier Kinder – schrieb er 1974 ein Gedicht: »Weil ich euch habe, meine Söhne, meine zwei Söhne, und ich habe euch nicht, meine Söhne, fürchte ich mich noch mehr vor denen, die Söhne brauchen, um Söhne zu töten, fürchte ich mich, dass ihr werdet wie die Söhne, die töten und sich töten lassen nach den Regeln der jeweils Mächtigen. Dass ich euch liebe, meine Söhne, vergesst es nicht«. Da denke ich sofort an die Söhne und Töchter in der Ukraine, in Russland, in Israel, in Gaza, im Libanon, im Sudan, in den Kriegen dieser Welt. Unerträglich viele Leiden. Im Übergang zum Tod schrieb Härtling: »Leichter werden. Die Seele will flüchtig sein. Du musst die Tage nicht mehr zählen. Dort, wo sie dich aufnehmen, wirst du den Gesang hören, nach dem du dich sehnst.«

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