DDR-Kirchen
»Was hatte ich manchmal für eine Angst«

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Meine Erinnerungen und mein literarisches Gedächtnis vermischen sich, wenn ich den entscheidenden Augenblick für meine bis heute ungebrochene Loyalität zur Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens schildern soll.
Es sind die mittleren 1980er-Jahre der DDR. Wann genau, weiß ich nicht mehr. Es gibt dieses kleine 10 mal 15 Zentimeter große Lesezeichen mit dem Aufdruck des sowjetischen Denkmals vom Krieger, der mit mächtiger Pose das Schwert in einen Pflugschar schmiedet. Darum herum steht das Zitat aus dem Buch des Propheten Micha (Mi 4, 3): »Schwerter zu Pflugscharen«.
Die Bibel war mir ein Buch mit sieben Siegeln. Es gab sie als dünnblättrige Ausgabe mit rotem Blattschnitt in einem Schrank im Wohnzimmer unserer Familienwohnung. Es gab sie auf dem Büchertisch sonntag
Christiane Thiel,geboren 1968, ist Pfarrerin in Sachsen und unterrichtet an acht verschiedenen Schulen Religionsunterricht.




Elisabeth-Christine Heun 15.11.2025, 12:34 Uhr:
Nun, nach dem Lesen von Artikel und Kommentar möchte ich meine Geschichte auch erzählen. Ich bin um Einiges älter. Eines Tages, ich war in der 11. Klasse wurde ich hinters Lehrerzimmer gerufen, wo die Stasi auf mich wartete (ich vermute zumindest, dass sie es war), um mir klarzumachen, dass ich ja sowohl in der FDJ (ohne darin zu sein, wäre ich als Nicht-Pastorenkind nie auf die Oberschule gekommen) als auch in der Jungen Gemeinde sei, was sich ja ideologisch überhaupt nicht vertrüge und "man" solche Leute bei Aufbau des Sozialismus nicht gebrauchen könnte, das sollte ich mir mal gut überlegen. Ich tat sehr erstaunt und erbat mir Bedenkzeit. Nach 14 Tagen (?) trat ich wieder an, tat seeehr demütig und dankte Ihnen für die Aufklärung und das sei mir ja überhaupt nicht bewusst gewesen etc.pp., aber nun, ja nun, würde ich darum aus der FDJ austreten. Ich war mir der Konsequenzen bewusst und habe mich darum gar nicht erst zu einem Studium beworben und bin Krankenschwester geworden.
Bettina Hoy 07.11.2025:
Der Text von Christiane Thiel hat mich sehr berührt und bewegt! Ich konnte nicht anders, als mein eigenes Erleben daneben zu legen. Einige ihrer Erfahrungen teile ich. Es gehörte Mut dazu, sich in der DDR offen als Christin zu zeigen. Ich bin auch ein Kind der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, nur zwei Jahre jünger als die Autorin. Wie gern würde ich in die Liebeserklärung Thiels an diese Landeskirche einstimmen, jedoch: Ich kann es nicht. Ja, die Kirchen in der DDR waren unendlich wichtig! Es war ein großes Glück, dass es sie gab und ich ihnen angehören durfte. Sie waren der einzige Raum – abgesehen vom privaten –, wo man etwas anderes zu hören und zu lesen bekam, etwas anderes sagen konnte als die verordnete Ideologie. Ich bin den Kirchen (Plural!) in der DDR unendlich dankbar. Jedoch: Am Fuße des Erzgebirges war es »hardcore«. Der Sohn des Pfarrers trug den Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« selbstverständlich an seiner Jacke. Ich fühlte mich als Feigling, weil ich nach hitzigen Auseinandersetzungen im Elternhaus dem Verbot meiner Mutter folgte und den Aufnäher nicht auf meine Jacke nähte. Man wurde »unechte Konfirmandin« genannt, wenn man, um das Abitur machen zu können, zusätzlich zur Konfirmation auch zur Jugendweihe ging. Diese Verletzung wirkt bis heute. Die Bezeichnung »unechte Konfirmandin« geschah ohne Ansehen meiner Ernsthaftigkeit im Glauben und meines großen Engagements in der Kirchengemeinde. Trotz und wegen all dieser Erfahrungen habe ich Theologie studiert und bin heute Pfarrerin. Meine Liebe zur Kirche ist da, doch ambivalent. Lieber würde ich ohne diese Ambivalenzen leben, doch sie kommen von den Dingen, die mir geschehen sind.