Wolfgang Thierse über die Wahlen in Sachsen und Thüringen
Woher kommt diese unfassbare Wut?
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Der 1. September 2024 ist ein Einschnitt in der deutschen Demokratiegeschichte seit 1945. Vor fünf Jahren erhielt die AfD bei ostdeutschen Landtagswahlen bereits 25 Prozent der Stimmen. Sie erreichte aber keinen Einfluss auf die Regierungsbildung. Da konnte man meinen, wie es in einem Kommentar hieß: »Noch einmal davongekommen.« Diesmal sind wir nicht davongekommen. Wir stehen vor einem Ergebnis, das mich nicht überrascht, aber traurig und wütend macht. Und das ich als persönliche Niederlage empfinde.
Ich bin in Thüringen aufgewachsen, habe lange dort gelebt, war auch als Politiker in den ostdeutschen Ländern immer wieder unterwegs. Ich bilde mir ein, Land und Leute zu verstehen. Als Bundestagspräsident bin ich Hilferufen von demokratischen Initiativen in thüringischen und sächsischen Kleinstädt
wolfgang zopora 17.09.2024, 07:31 Uhr:
Sehr geehrter Herr Thierse,
die Demokratie ist nicht in Gefahr!!!!!
Das lese und höre ich vor allem aus der Ampelregierung!!!
Ich habe zwar nicht DEN Kontakt und den Einblick in den neuen Ländern wie Sie, aber ich erfahre fast jedes Mal etwas ganz Anderes von den Bürgern im Osten.
Ich schreibe Ihnen einige Aussagen:
"Wir werden nach wie vor als Menschen zweiter Klasse von denen da im westen behandelt!"
"Der westen hat nicht die friedliche Revolution fertig gebracht, das waren bei uns die Minderheit der Christen, die mit den Montagsgebeten den Grundstock gelegt haben; das hören wir von keinem aus dem Westen!"
"Uns lässt man bis heute wissen, dass wir durch den DDR-Staat ja nicht ganz so richtige Menschen sind!"
Es ist mir fast gar nichts von der AFD oder der Wagenknechtspartei erzählt worden.
Es ist schlichtweg die Wertschätzung und der Respekt auch und gerade auch die Lebensleistung aus der Zeit der DDR, dass D E R Westen ihnen vorenthält!
Gruß Wolfgang Zopora
Peter Theisen 17.09.2024, 06:13 Uhr:
Lieber Herr Thierse,
ich hoffe, Sie verstehen diese Frage nicht nur als rhetorischen Kunstgriff, sondern sind wirklich an Antworten interessiert:
Ich denke, es liegt zum Einen daran, dass weder ich noch viele Menschen im Osten mit Ihrem Unmutspotential eine direkte Zielgruppe der Vertreter*Innen der aktuell etablierten Politik sind.
Bei mir als friedens- und umweltbewegtem Wessi, Jahrgang 1963, erfolgte ein massiver Bruch, als mich dieselben Leute, die mich jahrzehntelang davon überzeugen wollten, dass Genmais gefährliches Teufelszeug ist, als rechten Spinner titulierten, weil ich nicht der Ansicht bin, dass die einzige adäquate Reaktion auf die Entdeckung eines mutierten Erkältungsvirus nur der massive Einsatz der RNA-Technologie sein kann.
Leider kein angstgesteuerter Ausrutscher:
Dieselben Leute, die ich wegen Ihres Wahlkampfslogans „Frieden schaffen ohne Waffen“ schweren Herzens nochmal gewählt hatte, waren die Ersten, die nach mehr Waffen riefen...
Thomas Linke 15.09.2024, 10:36 Uhr:
Lieber Herr Thierse!
Bei all Ihren genauen Analysen von ostdeutscher Befindlichkeit fehlt der entscheidende Faktor. Und nicht nur bei Ihnen, sondern bei allen, die diesem Phänomen erklärend beikommen wollen. Dabei gibt es den Shift nach Rechts durchaus auch im Westen und gab ihn immer. Nur weil die wirtschaftliche Wohlhabenheit im Westen größer ist, wirkt sie noch als Beruhigung. Das Hauptproblem ist die Unehrlichkeit dieser wirtschaftsliberalen Demokratie. Die soziale Frage und ihre Bearbeitung durch Umverteilung verschleiert die menschliche Bedürfnisse missachtende Wirtschaftsart die wenige, meist völlig anonyme Akteure dermaßen bereichert, dass Wut entsteht ohne je adäquate Lösungen daraus entstehen zu lassen. Das AFD und Co nichts daran ändern werden im Gegenteil ist völlig klar. Sie, als ein Verfechter der Demokratie sprechen diesen zentralen Punkt nicht an und haben deswegen Mitschuld (SPD CDU FDP GRÜNE alle zusammen) an dieser Entwicklung. Stichwort: z. B. Lobbyismus. MfG
Norbert Eilinghoff 13.09.2024, 17:44 Uhr:
In vielen seiner Einschätzungen kann ich Wolfgang Thierse zustimmen. Zugleich ist er in vielen Bereichen unbestimmt und etwas schwammig und vage.
Was die Ostdeutschen mit ihrer friedlichen Revolution auf die Beine gestellt haben, ist den Westdeutschen nie gelungen, musste es ja auch nicht. Angesichts des 35sten Jahres der sogenannten Wiedervereinigung haben manche - beispielsweise Markus Meckel, der letzte Außenminister der DDR - daran erinnert, dass eine Vereinigung auf Augenhöhe doch sehr viel besser gewesen wäre. Stattdessen mussten viele DDR-Bürger das "Raubrittertum" der Westdeutschen über sich ergehen lassen. Und von Michail Gorbatschow spricht ja heute kaum noch jemand.
Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen begann die Analyse des VVN-BdA mit dem bemerkenswerten Satz: „An dem Tag, an dem ein Faschist eine Wahl gewinnt, erklärt der Bundespräsident die Begrenzung der Migration zur Obersten Priorität. Nicht den Kampf gegen den Faschismus.“ Ich empfehle die Pressemitteilung.
Josef Grundner 13.09.2024, 10:26 Uhr:
Ich bin Herrn W. Thierse sehr dankbar für diesen Artikel. Als ein Mensch, der im Westen lebt, hat man sicher Defizite, um die Lage in Ostdeutschland beurteilen zu können. Ich stelle aber auch fest, dass eine Sahra Wagenknecht bis heute kein Verständnis für unsere Erfahrungen im Westen hat. Nach dem 2. Weltkrieg erlebten wir die Amerikaner als Befreier. Sie haben mitgeholfen, eine starke Demokratie bei uns aufzubauen und haben uns wirtschaftliche unterstützt, während im Osten die Russen alles abgebaut und mitgenommen haben, was sie brauchen konnten. Gleiches machen sie heute in der Ukraine. Sie werden nie lernen, dass man durch Klauen nicht wirklich einen wirtschaftlichen Fortschritt erzielt. Sahra Wagenknecht setzt immer wieder das demokratische Amerika mit dem autoritären Russland gleich und die Leute in den Ostländern glauben ihr. Ich denke, man sollte einen neuen Anlauf machen und verstärkte Kontakte zwischen Ost- und Westdeutschland auf allen Ebenen knüpfen.
Theodor Schönenberg 13.09.2024, 10:09 Uhr:
Herrn Thierses Analyse kann ich folgen. Ich bin 1961 in der BRD geboren, die Wiedervereinigung war für mich ein geschichtlich-emotionaler Lebenshöhepunkt.
Was dann jedoch folgte war m.E. sehr bald eine überhebliche Übernahme der östlichen Bundesländer durch die Politiker der"Marktwirtschaft". Bereicherung überwiegend im Westen, mit z.T. absichtlich betrügerischem Vorgehen Einzelner. Die historisch großartige, einzigartige Leistung der ostdeutschen, mutigen Menschen wurde lediglich mit einem kurzen, gesamtdeutschen Strohfeuer der Freude gefeiert. Das empfand ich ungerecht, fast entwürdigend. Heute fehlt den Herren Merz, Lindner, Habeck die Größe, Fehler der Vergangenheit reumütig zu bekennen. Während sie sich in ihrem oportunistischen Parteidenken gegenseitig verleumden, begehen sie Verat an der Demokratie. Die Wölfe im Schafspelz der Rudel AfD und BSW jaulen und heulen aussagefrei. Wie sagte es H. Heine? "Denk ich an Deutschland in der Nacht,dann bin ich um den Schlaf gebracht."
Kober Gerold 12.09.2024, 17:02 Uhr:
Es ist für mich, als konservativer Demokrat mit christlichen Wurzeln unbegreiflich, dass so viel Menschen in Thüringen und Sachsen für Rechtsradikale und Extremisten gestimmt haben. Entweder sind sie unwissend bezüglich unserer schrecklichen Vergangenheit, oder sie haben diese menschenverachtende Ideologie auch verinnerlicht.
Anfang der 1930er Jahre haben schon mal bürgerliche Parteien die Nazis verharmlost und was darauf 1945 folgte, sollte jeder Deutsche wissen. Wenn Putin Sympathiesanten von AfD und BWS je alleine die Macht erhalten, dann ist es vorbei mit Freiheit und Wohlstand. Es ist fünf vor 1933 und unsere Demokratie ist richtig in Gefahr. Ich möchte, dass meine Kinder und Enkel auch weiterhin in einem Rechtsstaat leben dürfen.