Liebe Leserinnen, liebe Leser,

zugegeben: Ich habe gelauscht. Sie saßen direkt neben mir auf einer herrlichen Sonnenterrasse und schauten aufs Meer. »Beruhigend, diese Unendlichkeit«, schwärmte sie. »Was findest Du daran beruhigend?«, fragte er. »Dieses grenzenlose Aufgehoben sein«, sagte sie. »Und weiter?«, er schon leicht gereizt. »So stelle ich mir Sterben vor.« – »Ach so, meine Gattin philosophiert mal wieder«, er nun vollends genervt. »Müssen wir ausgerechnet im Urlaub darüber reden?«, schimpfte er, nahm seinen Hut und ging. Sie sah mich an und lachte: »Er hat Angst vorm Tod.« – »Na ja«, antwortete ich knapp, »verständlich.«
Vielleicht hätte die Ehefrau ihren Mann mit Epikur trösten sollen. Der griechische Philosoph vertrat die Ansicht, dass der Tod nicht gefürchtet werden sollte, denn: »Wenn wir existieren, ist der Tod nicht; und wenn der Tod existiert, sind wir nicht.« Hilft dieser Gedanke? Der berühmte Stadtneurotiker Woody Allen sagte dazu: »Es ist nicht so, dass ich Angst hätte vor dem Tod, ich möchte nur nicht dabei sein, wenn es passiert.«
Was geschieht mit uns, wenn wir sterben? Und was geschieht mit uns danach? Diese Fragen beschäftigen die Menschheit seit Anbeginn. Aber wie können wir über etwas sprechen, was uns todsicher allen einmal passieren wird und worüber doch niemand berichten kann, dem es passiert ist? Eine verzwickte Angelegenheit.
In diesem EXTRA erzählt der Wiener Psychologe und Philosoph Alexander Batthyány von einem interessanten Phänomen, für das es bisher keine wissenschaftliche Erklärung gibt. Er nennt es das »Leuchten am Ende des Lebens«, eine »terminale Geistesklarheit«, die er vorwiegend bei an Demenz erkrankten Menschen beobachtete. »Oft in den letzten Stunden vor dem Tode fielen alle krankhaften Hemmungen weg, und es offenbarte sich ein inneres Leben von solcher Schönheit, dass wir nur ganz erschüttert davorstehen konnten«, so Alexander Batthyány. Manche Angehörigen berichten, das Lächeln, die Liebe und das Verstehen seien plötzlich wieder da gewesen. Als sei die Erkrankung niemals eingetreten.
Auf die Frage, wie sie sich ihr Paradies vorstelle, antwortete die Schriftstellerin Gabriele Wohmann einst (wir erinnern uns an sie in diesem EXTRA-LEBEN): »Hinter der ersten Welle fing ich an zu schwimmen […] ich hab’s unbedingt machen müssen aus einem inneren Zwang heraus, vielleicht wegen der Vorfreude des Wiederherauskommens. Vorbei! Endlich angekommen: Im Strandhäuschen Genever trinken als Belohnung.«
Die Sterblichkeit, so sagen Theologen und Philosophen, lädt uns ein zu fragen, was wirklich wichtig ist. Wir können uns entscheiden, bewusster zu leben – nicht trotz des Todes, sondern wegen des Todes. Die gemeinsame Sterblichkeit verbindet uns mit allen anderen Menschen. Und was dann kommt – das weiß niemand. Oder doch? Woody Allen bereitet sich schon mal auf alle Eventualitäten vor: »Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, obwohl ich ein paar Unterhosen zum Wechseln mitnehmen werde.«




