Frau G. will nicht mehr leben
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Sie sitzt nur da, im Wohnzimmer ihrer Wohnung, in Ihrem Sessel, allein, und starrt auf das Wasser des Bedford Basin in Halifax, Kanada. Sie weiß nicht mehr, welcher Tag es ist. Seit dem 1. Januar 2024 ist es ihr egal, Wochentage spielen keine Rolle mehr. Der Tag, als ihre Tochter starb, hat alles verändert für Klara G. Sie will nicht mehr leben.
Seit 68 Jahren wohnt Klara G. in Kanada. Eine Frau in schwarzer Hose, schwarz-weiß gemusterter Bluse und mit Armen und Beinen wie dünnen Ästen an ihrem leicht gebeugten Rumpf. Ein Windstoß könnte sie umwerfen. Ihr Gesicht ist blass und faltig, hinter der randlosen Brille braune Augen, warm und aufmerksam. Die dunkelgrauen Haare hat sie zu einem Zopf gebunden. Sie betrachtet die Bilder an den Wänden ihrer Wohnung: Blumen, Stillleben, eine schneebedeckte S
In der GrauzoneSelbstbestimmter Tod – dieses Thema treibt viele Menschen um, klare Regelungen gibt es hierfür nicht ausreichend. »Dying with Dignity. It’s your life. It’s your choice« – »Mit Würde sterben. Es ist ihr Leben. Es ist ihre Entscheidung« – mit diesen Worten werden auf einer kanadischen Website gesetzliche Grundlagen zum Thema Sterbehilfe erläutert. In Deutschland sucht man entsprechende klare Informationen vergeblich. Die aktive Sterbehilfe, bei der jemand einem Patienten ein tödlich wirkendes Mittel verabreicht, ist in Deutschland, ebenso wie in der Schweiz, verboten. Bis zum Februar 2020 war in Deutschland jede Form der »geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung«, also Sterbehilfe generell, verboten. Wer sein Leben beenden wollte und auf medizinische Unterstützung hoffte, musste ins Ausland reisen.Dieses Verbot wurde erst im Februar 2020 vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben, weil es nach Auffassung der Richter gegen das Grundgesetz verstößt. Dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, müsse hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung gegeben werden. Klare Neuregelungen des Gesetzes gibt es bis heute nicht, zwei Initiativen scheiterten im Bundestag. Seitdem agieren Ärzte und Sterbehilfeorganisationen in einer Grauzone. Wie geht man mit Menschen um, die nicht mehr leben wollen? Welche Kriterien legt man an, um Menschen einen selbstbestimmten Tod zu ermöglichen? Sind körperlicher Verfall und Altersgebrechen, verbunden mit dem Gefühl, des Lebens überdrüssig geworden zu sein, ausreichend? Oder darf nur aus dem Leben scheiden, wer an einer todbringenden Krankheit leidet? Und wenn ja, wann im Verlauf der Krankheit? Wie kann sichergestellt werden, dass alte und kranke Menschen nicht von Angehörigen in den Suizid gedrängt werden? Es sind Fragen wie diese, die das Thema Sterbehilfe so komplex machen und die beantwortet werden müssen. Mögliche Regelungen, die das Thema Sterbehilfe aus der Grauzone befreien könnten, wären: Beratungsstellen für Sterbewillige, mindestens zwei unabhängige Ärzte, die die medizinische Grundlage für die gewünschte Selbsttötung bestätigen, eine vorgeschriebene Bedenkzeit für die Betroffenen, alternative Behandlungsmöglichkeiten, Palliativmedizin.




