Polen
Kaczynskis Komplizin

Gäbe es einen Gradmesser, der die Losgelöstheit gesellschaftlicher Akteure von der Realität mit der Intensität ihrer Doppelmoral koppelt – die katholische Amtskirche in Polen rangierte ganz oben. Da facht die rechtsnationalistische Regierung einen gesellschaftlichen Großbrand an, indem sie durch das von ihr gesteuerte Verfassungsgericht Abtreibung auch bei schweren Missbildungen des Fötus verbieten lässt – und was macht der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki? Er spricht noch am Tag der Urteilsverkündung dem Gericht seine »große Anerkennung« aus, dass es die eugenische Abtreibung als unvereinbar mit der Verfassung Polens erklärt hat. Wenige Tage später, als die Proteste auch die Kirchen erreichen, sagt er, dass es nicht die Kirche sei, die Recht spräche. Kein Wort der Kritik gegenüber Regierung oder Justiz, dass sie inmitten der Pandemie einen solchen Konflikt angezettelt haben.
Dabei war jedem, der nur ein wenig um die gesellschaftliche Polarisierung in der Abtreibungsfrage weiß, klar, dass ein solcher Schritt Abertausende Menschen auf die Straße treiben würde. Genau darin bestand das Kalkül von PiS-Chef und Vizepremier Jaroslaw Kaczynski. Er brauchte einen Sündenbock, um vom Versagen im Kampf gegen Corona abzulenken. Und so bezeichnete er im Parlament die Opposition als »Verbrecher«, die »Blut an den Händen« hätte, weil sie in der Pandemie zu Demonstrationen aufrufe. Kritik aus der Kirche auf diese Attacke? Fehlanzeige!
Dies verwundert nicht. Die Hierarchen machen gemeinsame Sache mit einer Partei und ihrem Führer, der Polen als identisch mit dem Katholizismus sieht, jenseits dessen »nur Nihilismus« sei. Dass die Kirche die PiS stützt, liegt auch an der Machthybris ihres P

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