Im Namen Gottes und der Sowjetunion

Seit Juni findet sich in Russlands Verfassung eine fromme Bestimmung. Der »Glaube an Gott« ist ein neues verfassungsmäßiges Merkmal der Russischen Föderation. In Artikel 67 heißt es: »Die Russische Föderation, geeint durch eine tausendjährige Geschichte, bewahrt das Andenken an die Vorfahren, die dem Land Ideale und den Glauben an Gott überliefert haben.« Der Satz folgt interessanterweise auf den Passus: »Die Russische Föderation ist Rechtsnachfolgerin der UdSSR in ihrem Hoheitsgebiet.«
Die 78,56 Prozent Zustimmung im landesweiten Referendum galten wohl eher dem Hauptzweck der Verfassungsänderung, die darin bestand, Putin zwei weitere Amtszeiten zu sichern. Doch die Verfassungsänderung hat eine große Bedeutung für die russisch-orthodoxe Kirche – und ihr Zustandekommen wirft ein bezeichnendes Licht auf den Kurs der Kirchenführung unter Patriarch Kirill. Dieser hatte den Wunsch nach Gott in der Verfassung geäußert. Allerdings hätte er den Passus lieber in der Präambel erwähnt gesehen und nicht in einem Atemzug mit der atheistischen Sowjetunion zum Zwecke einer geschichtlichen Herleitung des russischen Staatswesens. Trotzdem dürfte er zufrieden sein. Denn der russisch-orthodoxen Kirche wurde mit der Verfassungsänderung noch eine ganze Reihe anderer Wünsche erfüllt. So schlug der Erzpriester Dmitrij Smirnow, der Leiter der Kommission für Familie, Mutterschaft und Kindheit des Moskauer Patriarchats, vor, in der neuen Verfassung »die besondere Rolle des russischen Volkes bei der Staatsbildung« zu würdigen. Er wolle zwar nicht leugnen, dass die vielen verschiedenen ethnischen Gruppen, die innerhalb Russlands lebten, ebenfalls eine wichtige Rolle in der russischen Geschichte gespielt hätten, aber eben nur das russische Volk sei »staat

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