Feindbild Islam

Es ist jetzt neun Monate her, als Aicha Yesilcay in Neuperlach im Südosten Münchens angegriffen wurde. Wenn die 16-Jährige am Tatort vorbeiläuft, fängt sie noch immer an zu zittern. Sie kam von der Schule, als es passierte. Vor einem Supermarkt wurde sie von vier erwachsenen Männern attackiert. »Einer hat mich am Schulranzen nach hinten gezogen, ein anderer hat mich geschlagen«, erzählt sie. »Zwei standen daneben und haben mich beleidigt.« Böse Schimpfwörter sind da gefallen und »die üblichen Sprüche«, sagt Aicha. »Geh dahin zurück, wo du herkommst.« »Was willst du hier, du Terroristin?« Sie hat geschrien, aber keiner kam ihr zu Hilfe. Als schließlich ein Mann von der gegenüberliegenden Seite drohte, die Polizei zu rufen, waren die Täter kurz abgelenkt und sie konnte sich losreißen. Es war nicht das erste Mal, dass die Schülerin, die seit einigen Jahren Kopftuch trägt, so etwas erlebte. Und es blieb nicht das letzte Mal. »Man lernt daraus«, erklärt sie, die Deutsche, die mit leicht bayerischem Akzent spricht. »Ich schaue den Menschen nicht mehr ins Gesicht. Ich lächele nicht mehr. Ich gehe einfach meinen Weg.«
Aicha Yesilcay ist eine von vielen Muslimas und Muslimen, denen tagtäglich der geballte Hass entgegenschlägt. In Worten. In Blicken. Und oft auch in Taten. Mehr als 1900 islamfeindliche Straftaten zählte die deutsche Kriminalstatistik für die Jahre 2017 und 2018. Dazu zählen Bombendrohungen gegen Moscheen, aufgespießte Schweineköpfe vor islamischen Kulturvereinen, die Schändung muslimischer Gräber mit Hakenkreuzen, Korane, die von Unbekannten in die Toiletten von Moscheen geworfen wurden. Vor einem Jahr wurden in Berlin drei Mädchen krankenhausreif geprügelt. Einen gesellschaftlichen Aufschrei deswegen gibt es aber weder

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