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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 23/2022
Der Inhalt:

Gottesfragen
Liebessehnsucht

Der Theologe Joachim Negel beantwortet Fragen unserer Leserinnen und Leser. Diesmal geht es um die jungfräuliche Empfängnis und die Geburt Jesu.
vom 11.12.2022
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 Da trat der Engel bei ihr ein: Leonardo Da Vincis berühmtes Gemälde von der Verkündigung (Foto: via Wikipedia/Uffizien)
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Unser Leser Siegfried Weichlein ist nicht der einzige, der sich fragt, was man mit der mythischen Rede von der Jungfrauengeburt heute noch anfangen kann.

Die Jungfrauengeburt. Ist sie nicht der ultimative Beweis, dass der christliche Glaube von vorgestern ist? »Was soll dieser verquere Mythos? Göttlicher Same aus Himmelshöhen? Das ist doch wieder mal die Sexualfeindlichkeit der Kirche! Ich hab’ keine Lust auf Märchenstunde.« In der Tat: Wenn die Geschichten von der wunderbaren Zeugung Jesu und seiner noch wunderbareren Geburt im Stall zu Bethlehem sich in mirakulöser Gynäkologie erschöpften, könnte man sie getrost beiseitelegen. Aber erschöpfen sie sich darin? – Gewiss, die Frömmigkeitsgeschichte hat absurde Blüten getrieben. Sie hat zu archaischen Zumutungen geführt, die theologisc

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Peter Speth 28.01.2023, 17:58 Uhr:
Kurz bei einer Israelreise kam es nach dem Besuch der Geburtskirche zu der Frage. Ob die Geburt in Bethlehem historisch sei. Der begleitende Priester schlug vor, am Abend eine Diskussionsrunde zu veranstalten. Nach mehreren Erklärungsversuchen sagte der den entscheidenden Satz: Den Verfassern der Evangelien seien nicht historische Berichte wichtig gewesen, sondern ihren Zuhörern nachzuweisen, dass dieser Jesus von Nazareth der von Gott verheißene Messias sei. Deshalb immer auch der Rückgriff auf das Alte Testament und die darin enthaltenen Voraussagen.

Ludger Gaillard 13.01.2023:
Das Anliegen, Erotik und Sexualität mit dem Gottesglauben zu versöhnen, ist zu begrüßen. Diese alte Feindschaft aber mit der mythischen Figur der Jungfrauengeburt zu beheben überzeugt nicht. Sie steht zu sehr für Asexualität, ja Sexualfeindschaft und -angst. Modelle gelungener Sexualität bei aller »Andersheit« der Partner: sie täten der Liebessehnsucht Glaubender sicherlich gut. Doch nicht mittels eines neurotisierenden Abspaltungsmythos. Eine derart dargestellte göttliche »Innigkeit« hilft nicht – und wird dem biblischen konfliktbehafteten Gott nicht gerecht.

Andreas Hämer 13.01.2023:
Die Ausführungen von Herrn Negel sind reichlich spekulativ – und können es auch nur sein; denn wir wissen über Maria – Mirjam, die Mutter Jesu, Jeshuas – so gut wie nichts. Aber es ist ein Unterschied, ob wir die Spekulationen abheben oder auf der Erde lassen. Was können wir wissen? Mirjam war wahrscheinlich ein Mädchen von 13 oder 14 Jahren, das war das übliche Alter. Der Mann wird selten erwähnt – was eigentlich beleidigend für einen jüdischen Vater ist. Frauen und Mädchen mussten nicht selten als Haussklavinnen arbeiten und ihren Herren auch sexuell zu Diensten stehen. Wenn das »hochheilige« Paar zur Zeit der Geburt unterwegs war, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es schon vorher auf der Flucht war, denn die Volkszählung wurde äußerst brutal durchgeführt. So in etwa könnte es gewesen sein. Ich gebe zu, auch das ist spekulativ, aber es bleibt auf dem Boden der irdischen Wirklichkeit. Gott ist Liebe – ja, aber nicht abgehoben.

Manfred Flerus 13.01.2023:
Herr Negel unterschlägt in seinem Beitrag, dass das Märchen von der Jungfrauengeburt Mariens auf einem Fehler bei der Übersetzung des hebräischen Bibeltextes ins Griechische (Septuaginta) beruht. Dabei wurde die hebräische almah = junge Frau falsch mit parthenos = Jungfrau übersetzt. Da sich Matthäus bei der Abfassung seines Evangeliumstextes auf die Septuaginta stützte, gelang diese Falschübersetzung in das Neue Testament und entwickelte sich zu einem ganzen theologischen Kapitel. Es ist unredlich, diesen Umstand zu verschweigen und ihn auch noch mit einem theologischen Anstrich zu versehen. Es gibt diese Jungfrauengeburt nicht, und das muss auch so gesagt werden. Ansonsten brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die kirchliche Lehre nicht mehr ernst genommen wird.

Georg Grathwohl 13.01.2023:
»Gott ist vollkommene Einheit in der Verschiedenheit«, wie es Joachim Negel in »Liebessehnsucht« formuliert, eines der unergründlichsten Geheimnisse unserer Gottesfragen. Ob für diese »Innigkeit« die jungfräuliche Zeugung und Geburt eine hilfreiche Metapher sein kann? Dass dabei jede »Rivalität« und der in Beziehungen häufige »Machtkampf« rauszuhalten sind, bringt auch keine größere Lebensnähe in diese Geschichte. Joachim Negels Intention könnte auf der Spur, die Martin Buber in »Ich und Du« gelegt hat, fruchtbar aufgenommen werden. Das dialogische Prinzip wird in der Dynamik des Prozesses deutlich: »Der Mensch wird am Du zum Ich«. Den anderen als Du zu erkennen, hilft dem Ich auf dem Weg zu sich selbst und ist ein Schlüssel für die Lösung der Probleme dieser Welt. Kein Geheimnis, sondern offenbare Weihnachtsbotschaft.

Hans Erich Müller 13.01.2023:
Von Joachim Negels Artikel bin ich enttäuscht. Er erwähnt mit keinem Wort die zum Teil groteske Marienverehrung nach der Konstantinischen Wende, durch die Jesus als Pantokrator für die Nöte und Probleme der »kleinen Leute« nicht mehr zur Verfügung stand, dafür aber Maria (Schutzmantelmadonna). Nichts dazu, dass »Jungfrau« und »junge Frau« synonym verwendet wurden, dass den griechisch geprägten Christen ein »Halbgott« leichter zu vermitteln war und der Bibelautor sich Jesu Göttlichkeit nicht anders als durch eine Vaterschaft des Heiligen Geistes vorstellen konnte. Dagegen wird die Jungfräulichkeit offenbar durch die Sehnsucht angenommen, dass die in jeder Beziehung zwischen Mann und Frau auftauchende »Spannung, Rivalität und Verletzlichkeit« bei der Zeugung Jesu keine Rolle spielen sollte (falls ich das richtig verstanden habe.) Das Dilemma kommt doch seit 1700 Jahren dadurch, dass die Ereignisse der Bibel nicht symbolisch oder mythisch aufgefasst wurden, sondern historisch. Daran hat sich trotz Aufklärung in vielen Bekenntnissen innerhalb des Christentums nichts geändert.

Hella Knütel 13.01.2023:
Was ist das für eine Qualifizierung: »allezeit jungfräulich«? Weiß der Autor etwa nicht, dass Jesus mehrere Schwestern und Brüder hatte? Warum nicht zugeben, dass diese Geschichte ein Mythos ist, der zwei Generationen nach Jesu Tod erfunden wurde, um den damaligen Gläubigen die Rede vom »Sohn Gottes« zu verbildlichen? Die vor Matthäus und Lukas schreibenden neutestamentlichen Autoren, Paulus und Markus, kommen noch ohne diesen Mythos aus und sind doch auch ganz respektable Christen. Für mich ist Weihnachten der Geburtstag eines zeitweise Obdachlosen, der später, in seinem Erwachsenenleben, den Mut aufbrachte, in einer gottlosen Welt die Anwesenheit Gottes zu predigen und vorzuleben – geboren von einer jungen Frau, Vater nicht ganz sicher.

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