Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
gefragt, wo ich tags zuvor war, hab ich gesagt: Ich habe Immanuel Kant in Hamburg besucht. Ein Lächeln: Wo warst Du wirklich? Ich habe mit dem Kollegen Michael Schrom den Philosophen Volker Gerhardt getroffen und aus Anlass von Kants 300. Geburtstag mit ihm gesprochen. Und dabei wirklich das Gefühl gehabt, dass nicht nur etwas von den Ideen, sondern auch von Haltung und Habitus Kants in dem Philosophen Gerhardt weiterleben: Genau im Denken, ganz aus dem Kopf lebend, dabei aber doch zugewandt und freundlich. Das Denken als Tor zur Welt.
Wir muten Ihnen, liebe Leserinnen und Leser mit dem Titelgespräch über Immanuel Kant und die Religion (Seite 12) mehr zu als gewöhnlich. Viele Antworten von Volker Gerhardt müssen Sie vielleicht zwei- oder mehrmals lesen (musste ich auch), um die Perle im Satz zu finden, das, was den Gedanken mit der Welt verbindet. Aber es lohnt sich, denn die Antworten von Gerhardt schließen einen Weg auf zu einem illusionslosen und doch hoffnungsvollen Glauben.
Wunderbar einfach und einleuchtend erklärt derSchweizer Ökonom Mathias Binswanger auf Seite 20, warum Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig sein kann, warum es bei aller Effizienzsteigerung im Ausnutzen von Energie auch eine Begrenzung des Wachstums geben muss. Die gute Nachricht: Schwache Wachstumsraten sind kein Grund zur Verzweiflung, sondern das Gebot der Stunde und der Zukunft.
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Den Text über Anerkennungsleistungen an Missbrauchsbetroffene (Seite 36) habe zwar ich geschrieben, aber das Verdienst für diesen Text gebührt anderen: Missbrauchsbetroffene haben in einem mühsamen Weg, aber mit Cleverness und Geschick, Ergebnisprotokolle der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen erstritten, jemand hat mich informiert, Juristen trauen sich klare Statements zu. Als Journalist höre ich nur zu, schreibe in meinen Block und lese Dokumente. Mich lässt das Gehörte und Gelesene zu dem Schluss kommen, dass die sogenannte Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen nicht wirklich unabhängig ist – und mich ärgert, dass die Kirchen den Wert der Unabhängigkeit noch nicht erkannt haben.
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen
Christoph Fleischmannist Redakteur im Ressort Religion & Kirchen.
Foto: Ute Victor