Aufgefallen
Ein Hilferuf von Lesbos

Die Nacht, als das Flüchtlingslager Moria abbrannte, schildert der 26-jährige Afghane Abdul Sultani so: »Ich war schon eingeschlafen. Dann kam meine Nachbarin und schrie: ›Abdul, du musst rauskommen. Das ganze Camp brennt.‹ Ich nahm meine kleine Tochter auf den Arm und meine Frau an die Hand, und wir sind raus.« Der junge Mann, seine sechs Monate alte Tochter und seine Frau entkamen dem Feuer. Jetzt steht er auf der griechischen Insel Lesbos an einer Straße, die zum Meer führt, und spricht in eine Kamera. Seine Frau sitzt mit dem Kind auf dem staubigen Boden an einem Zaun. Das viereinhalbminütige Video hat die Hilfsorganisation Mission Lifeline sechs Tage nach dem Brand auf Twitter gepostet. Mehr als 50 000 Mal wurde es bereits angesehen. Abdul Sultani schildert darin die dramatische Situation der Flüchtlinge: »Es gibt keine Helfer, kein Essen, kein Trinken. Es ist nicht sauber hier, deswegen werden die Leute sehr schnell krank.« Doch es fehle an Ärzten. »In der Nacht schlafen die Menschen auf der Straße, manche haben eine Decke, manche haben keine Decke.« Seine Tochter könne nicht richtig atmen. Sie habe mehrere Wunden. Nachts schreie sie. Es ist herzergreifend.
Sultani spricht in dem Video deutsch, denn er war bereits in Deutschland. Im Jahr 2015 war ihm die Flucht dorthin gelungen. Er lernte die Sprache, machte den Hauptschulabschluss, hatte sogar einen Ausbildungsplatz zum Altenpfleger in einer süddeutschen Senioreneinrichtung gefunden. Dann wurde er unvermittelt im Jahr 2018 abgeschoben. Sultani berichtet, er sei einer von den 69 Menschen gewesen, die am 69. Geburtstag von Innenminister Horst Seehofer (CSU) nach Afghanistan geflogen wurden.

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