Seele in Not

Ein überschäumend fröhlicher Mensch war er nie. Seine schweren Depressionen aber begannen erst, als er mit seiner Familie in eine fremde Stadt zog. Daniel Hübner musste seinen Freundeskreis aufgeben und auf einer neuen Arbeitsstelle zurechtkommen. Der Zahntechniker fand keine Freunde und auch keinen guten Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen. Schließlich zog er sich auch von seiner Frau und den Kindern zurück. Hübner, 46 Jahre alt, dessen wirklicher Name aus Rücksicht auf seine Familie nicht genannt werden soll, litt unter schweren Anfällen von Niedergeschlagenheit. Er brauchte dringend Hilfe. Doch bei Anrufen in psychotherapeutischen Praxen bekam er stets die Auskunft, man sei leider voll, er könne sich nur auf eine Warteliste setzen lassen.
Daniel Hübner ist kein Einzelfall: Mindestens fünf Millionen Menschen erkranken jährlich in Deutschland an einer psychischen Krankheit, darunter allein 700 000 Kinder und Jugendliche. Für sie alle stehen jedoch – ambulant und stationär – nur 1,5 Millionen Behandlungsplätze zur Verfügung. Im Schnitt vergehen rund zwanzig Wochen von der ersten Anfrage bei einem Psychotherapeuten bis zum Beginn der Behandlung. Dieser bestürzende Befund ist Ergebnis einer aktuellen Studie, die die Bundespsychotherapeutenkammer im April veröffentlichte. Müssten Menschen mit Knochenbrüchen oder Diabetes derart lange auf medizinische Hilfe warten, wäre das ein nationaler Skandal. Doch bei der Unterversorgung seelisch Kranker geschieht bisher wenig.
Auch die »Reform der Psychotherapie

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