Filmtipp
Totale Überwachung in China
Kino. Sind Sie gestresst? Das kann in China zum Problem werden. Die Gesichtserkennungssoftware in den Überwachungskameras kann auch Emotionen ausspähen. Vielleicht bekommen Sie, Ihre Nachbarn oder Ihr Arbeitgeber bald Besuch von einem von 4,5 Millionen Sektoren-Beauftragten, die wissen wollen, was los ist. Zur Schaffung einer »stabilen, gerechten Gesellschaft« setzen die Machthaber ebenso auf analoge Blockwarte wie auf digitale »Smart Technology«. Wer mit der fürsorglichen Repression nicht konform geht, bekommt im ausgeklügelten Social-Credit-System Minuspunkte und wird nach und nach in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Die Menschen, deren Alltag in diesem heimlich gedrehten und auch visuell beeindruckenden Dokumentarfilm gezeigt werden, haben jedoch nicht bei Rot die Straße überquert, sondern es gewagt, sich bei der Obrigkeit zu beschweren. Eine Journalistin, die Fehlverhalten von Funktionären aufdeckte, wird mehrmals von der Polizei verwarnt. Vor der vor ihrem Balkon installierten Überwachungskamera liest sie aus dem Roman »1984« vor. Ein Anwalt und seine Familie, die einer Einladung zu einer Veranstaltung der EU folgen wollen, können ihre Wohnung nicht verlassen. Vor der Tür haben sich Fremde postiert. Eine junge Frau und ihr Sohn, die mit Petitionen und Protestvideos für die Freilassung ihres inhaftierten Mannes kämpfen, werden am Einkaufen und am Wegfahren gehindert: Der elektronische Gesundheitspass zeigt, angeblich, eine Corona-Infektion. Der kafkaeske Charakter dieser Schikanen verursacht beim Zusehen tatsächlich Stress. Ist dieser Film über die chinesische Hypermoderne ein Blick in die Zukunft auch im Westen?
? Total Trust (Niederlande 2023).
Film von Jialing Zhang, 97 Min. O.A.