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Ein Buch fürs Leben …
Verlangt vom Dichter das Gedicht

Das lyrische Engagement Reiner Kunzes
von Norbert Copray vom 27.09.2018
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Sein Deckname war »Lyrik«. Den hatte ihm die Stasi, der Staatssicherheitsdienst der DDR, gegeben. Schon 1968. So schwoll seine Akte über die Jahrzehnte auf 3500 Blatt an, inklusive der »Zersetzungsmaßnahmen«, die die DDR gegen ihn dort wie in der Bundesrepublik Deutschland ergriffen hatte. Reiner Kunze gilt als einer der bedeutsamsten deutschen Lyriker der Gegenwart und hat erst kürzlich wieder neue Gedichte unter dem Titel »die stunde mit dir selbst« (S. Fischer. 70 Seiten) vorgelegt. Da gibt Kunze auch etwas von seinem Selbstverständnis preis: »Verlangt vom dichter nicht, was einzig das gedicht leisten kann / Verlangt vom dichter das gedicht / Ist’s ohnegleichen, kann er das wasser ihm nicht reichen«. Der vielfach preisgekrönte Dichter erreicht mich schon seit Jahrzehnten mit seiner klaren und tiefgründigen Dichtung. So auch in seinem Bestseller »Die wunderbaren Jahre«, in dem er DDR-System und die realsozialistische Verzweckung der Menschen von klein auf scharf kritisierte – was mir nicht so weit von mancherlei heutiger realkapitalistischer Verzweckung der Kindheit erscheint. Das Manuskript kam heimlich in die Bundesrepublik, wurde 1976 veröffentlicht und 1979 von ihm verfilmt. Der Ausschluss aus dem DDR-Schriftstellerverband bedeutet für den Dissidenten praktisch Berufsverbot. 1977 beantragte Kunze wegen einer drohenden mehrjährigen Haftstrafe für sich und seine Frau einen Antrag auf Ausbürgerung und konnte kurz darauf in die Bundesrepublik übersiedeln. Vor diesem Hintergrund lese ich sein neues Gedicht: »Euretwegen«: »Ich habe angst / vor der angst, die man haben müsste / kämen statt der anonymen briefe / die büttel ihrer schreiber, ausgestattet / mit den insignien der macht. Nicht meinetwegen habe ich angst / vor der angst, die man haben müsste / auch wenn sie das grab / dem erdboden gleichmachen würden. Euretwegen habe ich angst, die ihr ihnen / zur macht verholfen / und angst haben werdet.« Hier bricht sich die DDR-Erfahrung mit der aktuellen Erfahrung des Aufstiegs der Populisten hier und anderswo, denen Menschenrechte und Demokratie nichts mehr gelten. Vom jetzt 85-jährigen Dichter findet sich in meinem Lyrik-Regal in einem meiner Kunze-Bücher (»auf eigene hoffnung«. S. Fischer, 1981) der Zweizeiler: »Sie wollen nicht deinen flug, sie wollen / die federn«. So war Kunze 1978 »den Literaturbetrieb fliehend« im sozialliberalen Milieu der BRD wegen seiner Front gegen alle sozialistischen Ansätze und für sein CSU-nahes Freiheits- und Staatsverständnis nicht sehr geschätzt. Für die deutsch-tschechische Verständigung unentbehrlich gehört Kunze zu den wichtigsten Übersetzern tschechischer Autoren in die deutsche Sprache. Für die deutsche Sprachintegration nach der Wiedervereinigung ist Kunze allemal hilfreich. Sein Einsatz für die Muttersprache(n) ist mir wertvoll. Denn – so Kunze: »Der Abschied von der Hochsprache geht einher mit dem Abschied vom Humanen. Je gestörter das Verhältnis zur eigenen Sprache ist, desto schutzloser ist sie.«

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