Ein Buch fürs Leben …
Die anständige Gesellschaft
Sie haben bereits ein
-Abo? Hier anmelden

Weiterlesen mit Ihrem Digital-Zugang:

Weiterlesen mit Ihrem Digital-Zugang:
Weiterlesen mit Ihrem Digital-Upgrade:
- Ergänzend zu Ihrem Print-Abonnement
- Mehr als 34.000 Artikel auf publik-forum.de frei lesen und vorlesen lassen
- Die aktuellen Ausgaben von Publik-Forum als App und E-Paper erhalten
- 4 Wochen kostenlos testen
Jetzt direkt weiterlesen:
- diesen und alle über 34.000 Artikel auf publik-forum.de
- die aktuellen Ausgaben von Publik-Forum als App und E-Paper
- 4 Wochen für nur 1,00 €
Sie haben bereits ein
-Abo? Hier anmelden
Sie haben bereits ein
-Abo? Hier anmelden
Sie haben bereits ein
-Abo? Hier anmelden
Seit zwei Jahrzehnten durchlaufen Kulturen und Gesellschaften einen Prozess der Verrohung. Und bringen Führungsfiguren wie Donald Trump, Recep Erdogan, Boris Johnson, Xi Jinping, Wladimir Putin oder Jair Bolsonaro hervor, die um die Menschlichkeit und den Anstand fürchten lassen. Minderheiten, Flüchtende, Arbeitslose, Juden, behinderte Menschen, indigene Menschen: Sie werden zu Ausgegrenzten gemacht. Gut zehn Jahre ist es her, dass ich auf das Buch »Politik der Würde – Über Achtung und Verachtung« (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2041) von Avishai Margalit aufmerksam gemacht habe. Es ist mir angesichts der gesellschaftlich-kulturellen Entwicklung wichtig, das Buch nochmals herauszustellen. Avishai Margalit ist in Israel kein Unbekannter. Der Jerusalemer Philosophieprofessor mischt sich immer wieder in die politische Orientierung seines Landes ein. Was mir im Blick auf Deutschland wichtig ist: Preußen hat als erster Staat im 18. Jahrhundert die Folter abgeschafft, und das Hitler-Regime hat von Staats wegen systematisch Menschen und ganze Bevölkerungsgruppen zu Tode gefoltert. Durch beides sowie die UN-Charta der Menschenrechte, das Grundgesetz, die EU-Sozialcharta und die Friedliche Revolution in der DDR fühle ich mich aufgerufen, zu einem institutionell anständigen Umgang mit Menschen beizutragen. Margalit zielt auf eine Gesellschaft des Anstands ab. Er unterscheidet eine zivilisierte von einer anständigen Gesellschaft: In einer zivilisierten Gesellschaft behandeln die menschlichen Individuen einander mit Respekt und achten die Würde des Einzelnen. In einer anständigen Gesellschaft behandeln die staatlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Institutionen die gesellschaftlichen Mitglieder so, dass sie die Selbstachtung der Menschen nicht verletzen, Menschen nicht erniedrigen und entwürdigen, sondern eher die sozialen Grundlagen der Selbstachtung sichern und fortentwickeln. Margalit: »Noch die übelsten Verbrecher verdienen Achtung allein aufgrund der Möglichkeit, dass sie ihr vergangenes Leben radikal in Frage stellen und den Rest des Lebens auf würdige Weise verbringen könnten.« Das fordert mich heraus. Der Anspruch für eine anständige Gesellschaft ist hoch. Menschen ignorieren, sie wie Untermenschen zu behandeln oder ihnen die Selbstkontrolle zu beschneiden sind andere Varianten, Menschen von der Menschengemeinschaft auszugrenzen und zu entwürdigen. Ein zentraler Begriff dafür ist laut Margalit die »Demütigung«. Mich besticht, wie Margalit bestimmte gesellschaftliche Bereiche und Aspekte wie Bürokratie, Wohlfahrt und Sozialsicherung, Arbeitslosigkeit und Strafe im Blick auf die institutionelle Demütigung untersucht. Margalits Buch zu lesen braucht Zeit. Trotzdem ist das Buch bis auf ganz wenige Passagen sehr verständlich. Durch die nüchterne, klug aufgebaute Schritt-für-Schritt-Argumentation ist es keine Moralpredigt und führt die Anständigkeit auf ihren wahren Kern zurück: auf Selbstachtung und Respekt vor dem anderen.
Norbert Copray ist
geschäftsführender
Direktor der
Fairness-Stiftung.
Er leitet seit 1977
das Rezensionswesen
von Publik-Forum




