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Nana Gerritzen

Journalistisch berichten zu dürfen, ist gerade in ungewissen Zeiten eine wichtige Aufgabe und ein Privileg.

Ich bin in Göttingen geboren und aufgewachsen und wusste schon früh, wohin ich wollte: Schon als Achtjährige habe ich auf dem Schulhof ein selbstgetipptes und im Copyshop kopiertes Magazin verkauft. Nach dem Abitur studierte ich dann Politikwissenschaft und schrieb nebenher frei für die Göttinger Wochenzeitung, eine genossenschaftlich organisierte Lokalzeitung. 2006 wechselte ich zur echten taz nach Berlin und schrieb ab 2007 für den Berliner Lokalteil.

Dank eines Stipendiums der Fazit-Stiftung folgte 2008 die Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, Hospitanzen bei der dpa in Washington D. C. (bei der ich von der Amtseinführung des ersten Schwarzen US-Präsidenten berichten durfte), in den Hauptstadtbüros von Spiegel und Stern und bei Maybrit Illner im ZDF. Letztere bot mir nach der Ausbildungszeit die Möglichkeit, als »feste Freie« zu bleiben, insgesamt blieb ich drei Jahre beim ZDF. Im Anschluss ging ich als Redakteurin zum WDR-Format »Menschen bei Maischberger«. Nach der Geburt meiner Tochter (2015) übernahm ich 2016 die Redaktionsleitung der »afrika wirtschaft«, dem Magazin des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Im Dezember 2021 wurde ich sehr herzlich als Redakteurin für Politik und Gesellschaft in der kritischen, debattenstarken und warmherzigen Redaktion von Publik-Forum aufgenommen.

Mein Werdegang mag für Journalistinnen meiner Generation recht typisch sein. Meine Herkunft ist es nicht. Ich stamme nicht aus dem Bildungsbürgertum (auch wenn ich das manchmal verdränge und mein armes Kind deshalb alljährlich mit Bachs Weihnachtsoratorium nerve) oder der Arbeiterklasse, sondern bin als Schwarzes Kind einer dauerhaft auf Sozialhilfe und Arbeitslosengeld angewiesenen alleinerziehenden weißen Deutschen in einem Umfeld aufgewachsen, das Fachleute vermutlich als »multidimensional schwierig« bezeichnen würden.

Diese Vergangenheit und meine individuellen Erfahrungen mit strukturellen und individuellen Benachteiligungen spiegelt sich natürlich und zum Glück nicht in jedem Interview und jedem Artikel wider, den ich schreibe. Sie beeinflusst aber – ebenso natürlich – die Art und Weise, wie ich die Welt und ihre Bewohner sehe. Aus der Erfahrung heraus, immer wieder und auf verschiedenen Ebenen als nicht zugehörig wahrgenommen worden zu sein und zu werden, verstehe ich es nicht nur als meine Aufgabe als Journalistin, politische Zusammenhänge anschaulich zu erklären, sondern auch, auf strukturelle Ungerechtigkeiten hinzuweisen – gerade in auf so viele Arten ungewissen Zeiten von Corona, Klimakrise und dem Krieg in der Ukraine, von vielen auch als Zeitenwende bezeichnet. In solchen Zeiten journalistisch berichten zu dürfen empfinde ich als wichtige Aufgabe und großes Privileg.

KURZBIOGRAFIE: Studium der Politikwissenschaft an der Universität Göttingen, freie Mitarbeit bei der Göttinger Wochenzeitung, freie Mitarbeit bei der taz, Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, Fazit-Stipendiatin, Hospitanzen unter anderem bei Spiegel, Stern, dpa und ZDF, freie Redakteurin bei Maybrit Illner und Peter Hahne, Redakteurin bei Menschen bei Maischberger, Redaktionsleitung der »afrika wirtschaft«, dem Magazin des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, seit Ende 2021 Redakteurin für Politik und Gesellschaft bei Publik-Forum.