Ein Gott hinter allen Religionen?

Publik-Forum: In der neuen Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wird religiöse Vielfalt gewürdigt. Doch sei die Vorstellung, dass Juden, Christen und Muslime zu demselben Gott beten, eine »leere Abstraktion«, die nicht weiterhelfe. Sie haben widersprochen. Warum?
Perry Schmidt-Leukel: Weil die Denkschrift bestreitet, dass sich die Religionen, trotz ihrer Unterschiede, auf den einen Gott beziehen. Der Satz: »Wir glauben alle an denselben Gott«, heißt natürlich nicht, dass wir alle »in der gleichen Weise« an Gott glauben. Das trifft schon innerchristlich nicht zu. Das Gottesbild Jesu war auch nicht trinitarisch. Aber wir wollen wohl nicht sagen, dass er an einen anderen Gott glaubte als die Christen.
Die Pointe der pluralistischen Religionstheologie besteht in der Behauptung, dass alle großen Religionen gleichermaßen zum Heil führen. Wie begründen Sie das?
Schmidt-Leukel: Wenn Gott der Gott aller Menschen ist, dann kann es nicht sein, dass er von einem großen Teil der Menschheit nichts wissen will. Weder die exklusivistische Position (nur meine Religion führt zum Heil) noch die inklusivistische (die andere Religion enthält auch Wahrheiten, aber meine ist überlegen) können heute noch überzeugen. Wenn es beispielsweise im Ersten Johannesbrief heißt: Gott ist die Liebe – warum soll dieser Satz richtig sein, wenn er in der Bibel steht, und falsch, wenn er in einer hinduistischen Schrift steht? Wenn wir also feststellen, dass auch in nichtchristlichen Religionen Nächstenliebe und Orientierung auf Gott kultiviert werden, und zwar in einem Ausmaß, das dem Christentum nicht nachsteht, ist das ein starke

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