Kino-Tipp: »Das tiefste Blau«
Tereza geht ihren Weg

Kino. Das Brasilien der nahen Zukunft sieht in diesem Film so aus wie heute. Geändert hat sich aber der Umgang mit alten Menschen: Sie werden zugunsten produktiver Jüngerer aus dem Weg geschafft. Auch die 77-jährige Tereza (Denise Weinberg), die in einer Alligatorenschlachterei arbeitet, wird per Gesetz entmündigt und soll in eine weit entfernte Seniorenkolonie abgeschoben werden. Terezas Tochter fügt sich widerspruchslos und übernimmt die Vormundschaft für ihre Mutter. Doch die rüstige Frau hat noch Einiges vor, etwa zum ersten Mal in ein Flugzeug zu steigen. Nachdem es ihr gelingt, den »Altenabschleppern« und Ausweiskontrollen zu entwischen, landet sie auf dem Holzkahn eines Schmugglers. Er soll sie illegal auf dem Amazonas zu einem Privatflieger bringen. Der Weg ist das Ziel in dem auf der Berlinale preisgekrönten Roadmovie, das in diesem Fall ein Boatmovie ist. Der Amazonasstrom wird zur Metapher für Flucht und Freiheit. Tereza begegnet anderen Aussteigern, Indigenen und vielleicht einer neuen Liebe in Gestalt einer Frau auf einem Hausboot. Vor allem lernt sie, ihr Leben selbst zu steuern. Diese originelle Dschungelodyssee, in der hinter jeder Flussbiegung Abenteuer warten, bezaubert durch ihren lakonischen Humor. Mit seiner poetisch-surrealen Bildersprache erzeugt dieses Ü-70-Feelgood-Drama zudem einen fast hypnotischen Sog. Und so tuckert man mit Tereza vorbei an überwucherten Skulpturen und erfreut sich an der Flusslandschaft mit Goldfischen im schillernden Licht. Immer tiefer hinein ins Blaue: Der Filmtitel bezieht sich aber nicht auf Himmel und Fluss, sondern auf die bewusstseinsverändernde Flüssigkeit, die eine blaue Schnecke absondert. Auch diese magischen Augentropfen tragen zur Selbstermächtigung der Heldin bei.
Das tiefste Blau (Brasilien, Mexiko 2025). Film von Gabriel Mascaro, 86 Minuten, ab 6 Jahren
