Die angebliche Notlage des Kleinbürgers
In mehreren Ländern Ostmitteleuropas, aber auch Nord- und Südamerikas üben Rechtspopulisten mittlerweile die Regierungsgewalt aus, und auch in Westeuropa befinden sich ihre Gesinnungsgenossen auf dem Vormarsch. Den gesellschaftlichen Hintergrund für diese Erfolge bilden Krisenerfahrungen, die im Finanzmarktkapitalismus, in Globalisierungsprozessen und in sozioökonomischen Polarisierungstendenzen wurzeln.
Dass sich die meisten Gesellschaften verstärkt in Arm und Reich spalten, ist kein unsozialer Kollateralschaden der Globalisierung, sondern auf die Hegemonie, das heißt, die öffentliche Meinungsführerschaft des Neoliberalismus und von ihm beeinflusste Reformen zurückzuführen: Durch die Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Demontage des Wohlfahrtsstaates sowie eine Steuerpolitik zugunsten von Spitzenverdienern, Kapitaleigentümern und Hochvermögenden wurden Länder zerrissen – wirtschaftlich, sozial und politisch. Wo die permanente Umverteilung von unten nach oben mittels der neoliberalen Standortlogik legitimiert wird, ist das Klima für eine Diskriminierung von (ethnischen) Minderheiten günstig. Je härter die Konkurrenz auf dem Arbeits-, Bildungs- und Wohnungsmarkt wird, umso leichter lässt sich die kulturelle Differenz zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft politisch aufladen.
Wenn es Wirtschafts- und Finanzkrisen oder gesellschaftliche Umbrüche gibt, stoßen rechte Demagogen eher auf Resonanz, zumal sie vermeintlich eine Alternative zu den »Alt-« oder »Systemparteien« darstellen. Die führenden Rechtspopulisten inszenieren sich als Gegner des Establishments und der politischen Klasse ihres Landes, obwohl sie meist seit Langem dazugehören und oft wie Donald Trump, Christoph Blocher, Silvio Berlusconi oder Jörg Haider steinreich sind. Nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 profilierte sich der Rechtspopulismus als Interessenvertretung der sozial Benachteiligten. Geschickt verbanden Rechtspopulisten die soziale mit der nationalen beziehungsweise mit der »Ausländerfrage«, wobei ihnen die vermehrte Fluchtmigration gerade recht kam. Dass der Rechtspopulismus als Mittelschichtsideologie eine Zwangslage fleißiger (Klein-)Bürger zwischen »korrupten Eliten« und »faulen Unterschichten« konstruiert, erscheint vielen Mittelschichtangehörigen plausibel. Da ihnen die etablierten Parteien keinen Schutz vor Deklassierung bieten, haben sie Angst vor einem sozialen Abstieg und fühlen sic

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