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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 14/2023
Der Inhalt:
Religion & Kirchen

Nachruf auf Franz Hinkelammert
Wo Gott und Marx sich treffen

von Bruno Kern vom 18.07.2023
Er war ein politischer Philosoph und ein wichtiger Impulsgeber der Befreiungstheologie: Franz Hinkelammert ist am 16. Juli in Costa Rica gestorben.
 Er war ein politischer Philosoph und ein wichtiger Impulsgeber der Befreiungstheologie: Franz Hinkelammert, 1931-2023. (Foto: wikiwand.com)
Er war ein politischer Philosoph und ein wichtiger Impulsgeber der Befreiungstheologie: Franz Hinkelammert, 1931-2023. (Foto: wikiwand.com)

Franz Hinkelammert war einer der einflussreichsten lateinamerikanischen Befreiungstheologen, obwohl er aus Deutschland stammte und nicht formal Theologie studierte. 1931 in Emsdetten geboren, studierte er Wirtschaftswissenschaften und promovierte mit einer Arbeit über sowjetische Planwirtschaft an der Freien Universität Berlin. Anfang der 1960er-Jahre kam er im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Chile, wo er an der katholischen Universität lehrte. Er nahm aktiv an den Auseinandersetzungen der christdemokratischen Partei teil, deren linker Flügel sich Salvador Allende anschloss. Nach dem Wahlsieg Allendes wurde Hinkelammert zu einem wichtigen ökonomischen Berater der chilenischen Regierung. Den Militärputsch von 1973 überlebte er, da er sich in die deutsche Botschaft retten konnte und nach Deutschland zurückkehrte. Doch Lateinamerika ließ ihn nicht los. 1976 ging er nach Costa Rica, wo er mit Pablo Richard und Hugo Assmann ein interdisziplinäres Forschungszentrum aufbaute, das zu einem bedeutenden Thinktank der Befreiungstheologie wurde. Hinkelammert widmete sich vorrangig der politischen Philosophie, die bei ihm stets von zentralen theologischen Themen und christlichen Grundgedanken durchzogen war. Von diesem Standpunkt aus kritisierte er hellsichtig neoliberale Wirtschaftstheoretiker wie etwa Friedrich Hayek oder Denker der Postmoderne wie Jean-François Lyotard. Die Religionskritik von Karl Marx – Der Mensch ist das höchste Wesen für den Menschen – teilte er. Aber nicht dessen atheistische Konsequenz. Hinkelammerts humanistisches Credo lautete: Der Wille Gottes ist es, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist. Wenn aber Gott, wie es im Neuen Testament heißt, die Liebe ist, muss der Mensch Maß nehmen an der Liebe Gottes, so wie es Augustinus formulierte: volo ut sis. Ich will, dass Du bist. Das sei das Gegenteil der neoliberalen Marktlogik, der es um Besitz und Dominanz gehe. Widerstand gegen die Ausweitung des Marktes auf alle Lebensbereiche war für Hinkelammert eine Überlebensfrage der Menschheit. »Wir suchen nicht deshalb eine Alternative, weil uns der heutige neoliberale Kapitalismus missfällt. Wir suchen eine Alternative, weil wir sie brauchen, um diesen kollektiven Suizid zu verhindern. Es geht nicht um ein Geschmacksurteil, sondern um ein Leben-Tod-Urteil, das das menschliche Leben als höchsten Wert für den Menschen sichtbar macht und seine Gültigkeit ausspricht und vertritt«, heißt es in seinem Buch »Die Dialektik und der Humanismus der Praxis«. Am 16. Juli ist Franz Hinkelammert in San José in Costa Rica gestorben.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 14/2023 vom 21.07.2023, Seite 41
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