in Memoriam
Ruhe und Engagement
Thich Nhat Hanh, geboren 1926 in der alten vietnamesischen Kaiserstadt Hue, war neben dem Dalai Lama der einflussreichste buddhistische Lehrer der Gegenwart. Bereits als Kind beschäftigte ihn der Kontrast zwischen dem Frieden, den Buddha-Bilder vermitteln, und dem Leiden infolge ungerechter und gewalttätiger politischer Verhältnisse. 1942 trat er in das traditionsreiche Zen-Kloster Tu Hieu ein. In dieser Zeit nahm der junge Mönch seinen Namen an, der heute wie ein Markenzeichen für die Verbindung von Achtsamkeit und Engagement steht: »Thich« ist in Vietnam Bestandteil jedes buddhistischen Namens, und »Nhat Hanh« bedeutet »eine Handlung«. Die tiefe Ruhe und Versenkung auf der einen Seite und auf der anderen der aktive Einsatz für jene, die Hilfe brauchen, ist für Thich Nhat Hanhs Lehre eines engagierten Buddhismus Maß und Ziel.
Thich Nhat Hanh, 1961–1963 zum Studium buddhistischer Literatur an der Columbia-University, entdeckte dort die Schriften des evangelischen Befreiungstheologen Dietrich Bonhoeffer, die einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen haben. Zurück in Vietnam, gründete er den Orden Interbeing, um mitten im Vietnamkrieg dem neuen, engagierten, aber nicht parteiischen Buddhismus eine Struktur zu geben. Nach einer Vortragsreise, auf der er mit Martin Luther King zum Frieden in Vietnam aufrief, konnte er nicht mehr in seine Heimat zurück. Er gründete in Südfrankreich ein Kloster, aus dem ein Netzwerk von 1500 Achtsamkeitsgemeinschaften in mehr als vierzig Ländern entsteht. In Deutschland initiierte er die Gründung des Europäischen Instituts für Angewandten Buddhismus in Waldbröl. Zuletzt lebte er wieder im Kloster Tu Hieu, wo er am 22. Januar im Alter von 95 Jahren starb.