Leserbrief
Wir waren schon weiter
Ich finde es geradezu schockierend, wie schnell und tiefgreifend Antisemitismus bei uns wieder zur Volkskultur geworden ist. Natürlich befeuert und unterstützt die total einseitige Medienberichterstattung diesen neu auferstandenen Neo-Antisemitismus. Doch jeder kann sich unabhängig davon darüber informieren, dass die oberste Agenda der Hamas die Zerstörung Israels ist und dass die Zustimmung zur Hamas bei der Bevölkerung in Gaza nach dem 7. Oktober auf über 80 Prozent gestiegen ist. Eine Anerkennung Palästinas als Staat würde bedeuten, dass noch effektiver und resoluter gegen Israel Krieg geführt werden würde. Theodor Breit, publik-forum.de
Ich glaube, Philipp Peyman Engel irrt mit dem ersten Satz in seinem Plädoyer. In meinem Umfeld konnte ich sehr wohl eine große Solidarität mit Israel infolge des Anschlags der Hamas beobachten. Die jetzt einsetzende Solidarität mit dem palästinensischen Volk ist nach meiner Beobachtung ausschließlich der Reaktion einer rechtsradikalen israelischen Regierung geschuldet, die das Völkerrecht mit Füßen tritt, Hungertote als Waffe einsetzt und ethnische Vertreibungen durchführt. Wie schade, was aus diesem wunderbaren Land von Schimon Peres und Jitzchak Rabin geworden ist. Rainer Wegscheider-Gruber, publik-forum.de
Der barbarische Terror der Hamas darf nicht verharmlost werden. Die Hamas ist eine Terrororganisation, aber sie darf nicht mit den Palästinensern gleichgesetzt werden. Und die Freudenfeiern mancherorts hier in diesem Land fand ich erbärmlich. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. Aber ist die gezielte Erschießung von Zivilisten durch Scharfschützen noch Verteidigung? Ist die Erzeugung von Hunger noch Verteidigung? Ist der Überfall in Katar noch Verteidigung? Nein – es geht nur noch um Vernichtung. Extreme Siedler zerstören im Westjordanland den Besitz der dortigen Bevölkerung und nehmen ihnen die Existenzgrundlage – alles mit Billigung der israelischen Regierung. An der Grenze zu Gaza warten andere Siedler schon darauf, einmarschieren zu können, weil sie meinen, es sei ihr Land, weil Juden hier vor 2000 Jahren gelebt haben. Das alles zu kritisieren ist kein Antisemitismus. Wenn Israel wirklich ein demokratischer Staat wäre, würde man sich an den Terror der jüdischen Haganah erinnern und an deren Massaker, an die Vertreibung der Araber und die Plünderung deren Besitzes. Die Erinnerung könnte vielleicht ein Baustein sein für eine Verständigung. Die Erfahrung der Shoah und der Anspruch »nie wieder – wir« darf nicht jede Diskussion verhindern – weder in Israel noch hier bei uns. Hartmut Gliemann, Hamm
Frankreich, Großbritannien, Kanada und andere Staaten wollen also Palästina als Staat anerkennen. Großartig, aber warum nicht auch die Westsahara, Westpapua oder Tibet? Vielleicht könnten Sie ja einmal die Frage untersuchen, warum über Palästina so viel, über die Westsahara und Westpapua dagegen so gut wie überhaupt nicht berichtet wird. Wenn es den Dalai-Lama nicht gäbe, würde wahrscheinlich auch über Tibet nicht berichtet werden. Könnte es eventuell sein, dass die Westsahara und Westpapua niemanden interessieren, weil in diese Konflikte keine Juden involviert sind oder sich diese Konflikte nicht mit »weißen« Unterdrückern und »coloured« Unterdrückten erklären lassen? Hans-Jürgen Groenewold, Göttingen
Vielleicht müsste sich die israelische Regierung (und mit ihr Philipp Peyman Engel) einmal fragen, wie es zu dieser erstaunlichen Wende in der öffentlichen Meinung gekommen ist. Nach meiner Ansicht liegt das zu großen Teilen an Israels Regierung selbst. Sie hat durch ihre menschenrechtlich fragwürdigen Entscheidungen dafür gesorgt, dass nicht die Hamas, aber die Bewohner von Gaza zu hilflosen Opfer gemacht wurden. Deshalb sind ihnen die »Sympathien der Welt« und auch das Mitleid »zugeflogen«. Gut, dass es das in dieser sich immer mehr ausschließlich an Macht und Stärke ausrichtenden Welt immer noch gibt. Karlheinz Hering, publik-forum.de
Ich verurteile auch aufs Schärfste den Hamasüberfall! Aber ich finde keine Worte mehr für Israels Umgang mit dem Volk der Palästinenser. Dabei sind doch beide nahezu gleichzeitig ins Land Kanaan gekommen. Die Israeliten unter Ramses II. und die Palästinenser als Philister mit den Seefahrern aus der Ägäis, beide ungefähr um 1200 vor unserer Zeitrechnung. Ulrich Kadelbach, Stuttgart
Die Anerkennung von Palästina als Staat ist längst überfällig. Millionen von Menschen einen Staat vorzuenthalten ist durch nichts zu rechtfertigen. Insbesondere dann, wenn wie die jetzige rechte – eigentlich als faschistisch zu bezeichnende – Regierung es als ihr Ziel betrachtet, die Palästinenser aus Gaza und dem Westjordanland zu vertreiben, was letztendlich ihre Vernichtung bedeutet. Die deutsche Regierung macht sich zurzeit mitschuldig an diesem Verbrechen, indem sie diese israelische Regierung weiter politisch unterstützt. Joachim Bayer-Beck, publik-forum.de
So, wie die rechtsgerichtete Netanjahu-Regierung nicht Israel ist, genauso ist weder die Hamas noch die Hisbollah Palästina. Und solange beide Seiten sich gegenseitig vernichten (wollen) und es unmöglich scheint, den vor mehr als 20 Jahren begonnenen Oslo-Prozess wieder aufzunehmen, zu dem auch die Anerkennung Palästinas als Staat gehört, gelingt nicht einmal der zweite Schritt zum Frieden in Nahost. Warum geht Deutschland diesen Schritt nicht mit, sondern klammert sich an eine schwammige »Staatsdoktrin«. Wir waren schon einmal weiter, als sich die Präsidenten Jitzchak Rabin und Jassir Arafat die Hand reichten. Peter Lehmann, publik-forum.de
