Christine Wunnicke: Wachs
Der Weg in die neue Zeit ist gesäumt von Blumen und Leichen

Roman. Paris, 1733: Ein junges Mädchen schleicht in eine Kaserne und bittet um eine Leiche. So bizarr beginnt Christine Wunnickes Erzählung. Die Autorin ist bekannt dafür, historisch belegte Personen zu exzentrischen Figuren mit fiktionalem Eigenleben zu entwickeln. In »Wachs« entwirft sie in Schlaglichtern die Lebensgeschichten zweier Wissenschaftlerinnen. Das Mädchen mit der Obsession für Körper ist Marie Biheron, die später für ihre anatomisch genauen Wachspräparate bekannt wurde. Eine plausible Fiktion ist ihre Liebesbeziehung zu Madeleine Basseporte, die als Zeichnerin botanischer Motive an die Königliche Akademie der Wissenschaften berufen wurde. Beide Frauen sind talentiert, aber kämpfen um Anerkennung.
Christine Wunnicke lässt die Zeit um die Französische Revolution atmosphärisch dicht, teils in grotesken Details auferstehen. Dass sie dafür nicht einmal 200 Seiten braucht, ist die Stärke dieses Buchs. Leider bedeutet das auch, dass sich die Leserin rasch wieder von den Figuren verabschieden muss, kaum dass sie Gestalt angenommen haben. Doch gerade weil sie fragmentarisch bleiben, wirken sie lange nach. Dass »Wachs« ein solch großes Lesevergnügen ist, liegt nicht zuletzt an der Sprache, die mal brutal präzise seziert, mal poetisch andeutet und humorvolle Spotlights auf menschliche Schrullen wirft. Der Roman ist für den Deutschen Buchpreis nominiert – und hätte ihn verdient.
Christine Wunnicke: Wachs.
Berenberg. 192 Seiten. 24 €
