Zur mobilen Webseite zurückkehren
Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 3/2013
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft

Viagra für das Klima

von Wolfgang Kessler vom 15.02.2013
Erneuerbare Energien boomen. Doch jetzt wächst wieder die Konkurrenz von Gas, Öl und Kohle. Mit dramatischen Folgen. Ein Kommentar von Wolfgang Kessler
Der Boom fossiler Energieträger bremst die Energiewende: Steigende Erdgaspreise machen selbst die umstrittene Fracking-Technik rentabel; unter Einsatz von Chemikalien und großen Mengen Wassers wird dabei das Gas aus dem Schiefegerstein herausgelöst. (Foto: pa/Scalzo)
Der Boom fossiler Energieträger bremst die Energiewende: Steigende Erdgaspreise machen selbst die umstrittene Fracking-Technik rentabel; unter Einsatz von Chemikalien und großen Mengen Wassers wird dabei das Gas aus dem Schiefegerstein herausgelöst. (Foto: pa/Scalzo)

Das ist der Traum aller Klimaschützer: Die Nutzung von Wind, Wasser und Sonne wird immer preiswerter – während die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle knapper und teurer werden. Am Ende setzen sich die Erneuerbaren weltweit gegen den Widerstand der traditionellen Energielobby und konservativer Politiker am Markt durch.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 03/2013 vom 08.02.2013, Seite 10
Lehre oder Liebe?
Lehre oder Liebe?
Moral: Warum sich Protestanten und Katholiken auseinanderleben
4 Wochen freier Zugang zu allen PF+ Artikeln inklusive E-Paper

Es ist ein schöner Traum. Doch er könnte bald ausgeträumt sein. Trotz vieler Prognosen und Debatten darüber, wann der Welt Öl und Gas ausgehen, drängt wieder mehr Gas, Öl und billige Kohle auf den Markt. Diese Entwicklung bedroht die Hoffnungen der Ökologen, das globale Wirtschaften auf eine erneuerbare Basis zu stellen.

Ölförderung in Naturschutzgebieten

Die Ursache für den neuen Boom der fossilen Energieträger liegt in neuen Fördertechniken, die sich gerade wegen der steigenden Preise lohnen. So ermöglicht es das sogenannte Fracking, Erdgas aus Schieferstein herauszulösen. Die Technik gilt zwar als gefährlich, weil dazu Chemikalien in die Erde gepumpt werden, die sich mit Grundwasser vermischen. Doch diese Bedenken sind vor allem für die US-amerikanische Energielobby Schall und Rauch. Sie fördert in den gesamten Vereinigten Staaten Gas und feiert den Boom: »Billiges Erdgas ist das Viagra, das die USA wieder in die stärkste Industriemacht unserer Tage verwandelt«, jubelt ein Branchenvertreter im Wirtschaftsmagazin Forbes.

Zwar ist Erdgas von den fossilen Energieträgern noch der am wenigsten klimaschädliche. Das Problem wird jedoch dadurch verschärft, dass sich durch den hohen Ölpreis auch neue Techniken für die Ausbeutung von Öl rentieren. »Die Angst, uns könnte das Öl ausgehen, wird immer unbegründeter«, heißt es beim Ölkonzern BP. Zusammen mit den anderen Konzernen fördert er in den USA mehr Öl als je zuvor, auch in Naturschutzgebieten. Bereits jetzt feiert die US-Politik die baldige Unabhängigkeit vom konfliktreichen arabischen Raum und vom alten Rivalen Russland. Für manche kehrt mit dem neuen Öl der alte Glaube an das ungebremste Wachstum früherer Zeiten zurück.

Anzeige

Publik-Forum EDITION

»Das Ende des billigen Wohlstands«

Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr

Die Rückkehr der billigen Kohle

Doch damit nicht genug. Da die US-Amerikaner immer mehr Kohle durch Gas ersetzen, wird die Kohle auf dem Weltmarkt immer billiger, auch in Europa. So folgt dem neuen Boom von Gas und Öl auch die Rückkehr der billigen Kohle, die das Klima besonders stark aufheizt.

Damit wächst die Gefahr, dass sich die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft noch schneller vom Klimaschutz verabschieden, als sie dies ohnehin schon getan haben. Nicht wenige Politiker und Industrielle träumen bereits von der Rückkehr zum alten Wachstumswahn der 1950er-Jahre, als billige Energie eine rastlose Wegwerf- und Verschwendungswirtschaft etablierte. Da auch die schnell wachsenden Schwellenländer immer mehr fossile Energie verbrauchen werden, dürfte der neue Boom von Öl, Gas und Kohle zum Viagra für das Klima werden: Es wird durch immer noch mehr Treibhausgase hochgeputscht, mit gefährlichen Nebenwirkungen für die Erde.

Milliarden-Subventionen für Öl, Kohle und Gas

Die einzige Chance, diesen Gefahren zu entgehen, wäre eine Politik, die gegen den Markttrend weiter konsequent auf erneuerbare Energieträger setzt – und die fossilen Energieträger bewusst verteuert. Noch immer werden Öl, Kohle und Gas weltweit mit rund 500 Milliarden Dollar subventioniert. Mit der Streichung dieser Subventionen könnten die fossilen Energien jenen Konkurrenzvorteil gegenüber erneuerbaren Energien verlieren, der Strom und Wärme aus Wind, Wasser und Sonne heute immer noch als teurer erscheinen lässt.

Ob die Politik in den USA, aber auch in Deutschland, die Kraft haben wird, die Erneuerbaren gegen die Lobby der Fossilen in den Energiekonzernen durchzusetzen, darf angesichts der gegenwärtigen Strompreisdebatte bezweifelt werden. So hängt die erneuerbare Zukunft mehr denn je von jenen Menschen und ihren Initiativen ab, die wissen, dass kurzfristiges Wachstum mit schmutziger Energie langfristig einen hohen Preis haben wird.

Kommentare und Leserbriefe
Ihr Kommentar
Noch 1000 Zeichen
Wenn Sie auf "Absenden" klicken, wird Ihr Kommentar ohne weitere Bestätigung an Publik-Forum.de verschickt. Sie erhalten per E-Mail nochmals eine Bestätigung. Der Kommentar wird veröffentlicht, sobald die Redaktion ihn freigeschaltet hat. Auch hierzu erhalten Sie ein E-Mail. Siehe dazu auch Datenschutzerklärung.

Mit Absenden des Kommentars stimmen Sie der Verarbeitung Ihrer Daten zur Bearbeitung des Kommentars zu. Zum Text Ihres Kommentars wird auch Ihr Name gespeichert und veröffentlicht. Die E-Mail-Adresse wird für die Bestätigung der Bearbeitung genutzt. Dieser Einwilligung können Sie jederzeit widersprechen. Senden Sie dazu eine E-Mail an [email protected].

Jeder Artikel kann vom Tag seiner Veröffentlichung an zwei Wochen lang kommentiert werden. Publik-Forum.de behält sich vor, beleidigende, rassistische oder aus anderen Gründen inakzeptabele Beiträge nicht zu publizieren. Siehe dazu auch Netiquette.