Ein Buch fürs Leben …
Lasst euch nicht verführen
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Als ich vor Kurzem das neue Buch von Karl-Josef Kuschel in die Hand bekam, war ich verblüfft. Mit seinem Buch »Im Fluss der Dinge« widmet er sich »Hermann Hesse und Bertolt Brecht im Dialog mit Buddha, Laotse und Zen« (Patmos. 712 Seiten). Hermann Hesse leuchtete mir sofort ein. Seine Werke kenne ich überwiegend, gerade auch seine Gedichte. Aber Brecht? Ich begann, mich in den Brecht-Teil des Buches zu vertiefen, und erfuhr eine ganze Menge, was mir entweder neu oder entfallen war. Kuschel holt weit aus, erzählt und beschreibt Brechts Nähe zu China, Japan, zu Asiens Kunst, zu Buddhismus und Taoismus. Kuschel versteht es, mich für seine Sicht auf Brechts literarischen Dialog mit asiatischer Kultur einzunehmen. Doch dann greife ich zu den Quellen in mein Gedichte-Regal, wo die längst vergriffenen Bände mit Bertolt Brechts »Gesammelten Gedichten« (4 Bände. Suhrkamp. Über Booklooker.de antiquarisch erhältlich) stehen. Und bleibe sofort am Gedicht »Gegen Verführung« hängen: »Lasst euch nicht verführen! Es gibt keine Wiederkehr. Der Tag steht in den Türen; Ihr könnt schon den Nachtwind spüren: Es kommt kein Morgen mehr.« Ich habe es Ende der 1970er-Jahre viele Male gelesen und vorgetragen. Es passt heute in die Zeit; es erinnert mich in Tonfall und Wortwahl an den Brecht-Schüler Wolf Biermann, der die Tradition der Brechtschen Lyrik fortgesetzt hat. Brechts Gedicht »700 Intellektuelle beten einen Öltank an« habe ich schon Ende der 1960er-Jahre als »Schulgebet« vor dem Unterricht vorgetragen, Mitschüler und Lehrer erstaunt. Die Lyrik Brechts ist umfangreich und folgt einem Gedanken, den er 1927 erläuterte: Gedichte »entfernen sich einfach zu weit von der ursprünglichen Geste der Mitteilung eines Gedankens oder einer auch für Fremde vorteilhaften Empfindung«. Sie müssten vielmehr einen Gebrauchswert haben. 2300 Gedichte zählt die Berliner und Frankfurter Gesamtausgabe. Brecht hatte das Bedürfnis, jeden Eindruck, jedes wesentliche Ereignis und jeden Gedanken in Gedichtform zu reflektieren. Die Vergötzung des Materiellen ist bei Brecht ein durchgehendes Thema. Daher der Gegenschlag im Gedicht »Was ist das für eine Welt?«: »Ich will mit dem gehen, den ich liebe. Ich will nicht ausrechnen, was es kostet. Ich will nicht nachdenken, ob es gut ist. Ich will nicht wissen, ob er mich liebt. Ich will mit ihm gehen, den ich liebe.« Aus dem Drama »Der gute Mensch von Sezuan«. Und damit sind wir wieder bei Karl-Josef Kuschels tiefsinniger Betrachtung der fernöstlichen Kulturbezüge Brechts, die er auf die genialen Gedichte »Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus« und »Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration« fokussiert. Ich lese sie wieder und wieder. Nüchterne Spiritualität. Welch ein Schatz. Eine Quintessenz aus »Sezuan« (China) bringt es auf den Punkt: »Keinen verderben lassen, auch nicht sich selber. Jeden mit Glück erfüllen, auch sich, das ist gut.«
Norbert Copray
ist
geschäftsführender
Direktor der
Fairness-Stiftung.
Er leitet seit 1977
das Rezensionswesen
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